Kardinal Woelki zu Besuch in Solingen

Kardinal Rainer M. Woelki hat uns am 22.03.2015 zum ersten Mal als neuer Erzbischof von Köln besucht. In dem feierlichen Gottesdienst in St. Clemens hat ein junger Mann das Sakrament der Firmung empfangen. Anschließend bestand Gelegenheit zur Begegnung mit dem Erzbischof. Natürlich haben wir Bilder von diesem Ereignis für Sie in einem Album zusammengestellt.

Liebe Schwestern und Brüder,

 

seit dem 1. Februar 2016 hat der Seelsorgebereich Solingen-Mitte/Nord keinen leitenden Pfarrer. Herr Pfarrer Hünten hat die Aufgabe des Pfarrverwesers in Solingen-Mitte/Nord übernommen. Domkapitular Monsignore Dr. Hofmann hat die Vertretungsaufgabe für den leitenden Pfarrer im Seelsorgebereich Solingen-Süd seit dem 10. Januar 2016 übernommen. Beiden möchte ich an dieser Stelle für die Übernahme dieser Aufgabe herzlich danken.

 

Vielleicht wissen Sie, dass es fünfzehn weitere, zum Teil sehr große Seelsorgebereiche im Erzbistum Köln gibt, die derzeit ebenfalls keinen leitenden Pfarrer haben. Auch können wir etwa hundert weitere bisherige Planstellen im Pastoralen Dienst nicht besetzen.

Was bedeutet das für das Erzbistum Köln? Was bedeutet das für die Seelsorgebereiche Solingen-Mitte/Nord und Solingen-Süd? Wie geht es weiter?

 

Wir alle spüren: Die Welt, in der wir leben, verändert sich rasant. Heute leben, arbeiten, denken, glauben und kommunizieren wir anders als vor vierzig, zwanzig oder zehn Jahren. Die Welt ist weiter geworden, aber auch komplexer. Globalisierung, Technik, nie gekannte Mobilität, all das verändert die Welt und uns Menschen. Wir leben in neuen Freiheiten, aber wir sehen auch große Krisen auf uns zukommen, für die es keine einfachen Lösungen gibt, bei uns und weltweit: immer neue (Bürger-)Kriege, Klimawandel, Flüchtlingsströme, Polarisierung zwischen Arm und Reich, Vertrauensverluste in Politik, Gesellschaft und Religion. In all dem wollen die Menschen nicht Betroffene ohne Mitspracherecht und ohne Gestaltungsmöglichkeit sein. Das verstehe ich sehr gut.

 

Auch die Einstellung der Menschen zu Glaube, Religion und Kirche hat sich geändert. Wir alle erleben das in unseren eigenen Familien. Die seit Jahrzehnten abnehmende Zahl an Priestern, an hauptberuflichen Laien im Pastoralen Dienst und auch an Menschen, die sich ehrenamtlich in unseren Gemeinden engagieren oder an den Gottesdiensten teilnehmen, ist eine Folge dieses Wandels.

Bereits vor fünfzig Jahren hat unsere Kirche auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil Beschlüsse gefasst, diesen damals schon absehbaren Wandel nicht einfach über uns hereinbrechen zu lassen, sondern aus dem Glauben heraus aktiv mitzugestalten. Wie immer wir zu den einzelnen Aspekten der Veränderungen in der Welt, in der Gesellschaft und in der Kirche stehen, es ist uns aufgegeben, sie als Zeichen der Zeit zu lesen und sie als heutige Herausforderungen anzunehmen.

 

Wir müssen aber zugeben, dass wir in unserer eigenen kirchlichen Entwicklung diese Herausforderungen lange nicht oder nur halbherzig angenommen haben. Wir haben uns an Überkommenem orientiert, statt im Vertrauen auf die mitgehende Nähe unseres Gottes die anbrechende Zukunft gemeinsam mit allen Getauften und Gefirmten zu gestalten und zu verantworten. Da ist eine Umkehr nötig.

 

Fragen, die uns weiterhelfen können, lauten:

  • Wie möchte Christus, dass wir in dieser sich beständig verändernden Welt Kirche sind?
  • Wie können wir das kirchliche Leben in unseren Seelsorgebereichen so gestalten, dass unser eigener Glaube darin Heimat hat? – Davon ausgehend:
    Wie können wir heute und morgen als Kirche möglichst viele Menschen in Berührung bringen mit der Liebe Gottes? – Konkret:
    Wie können wir so Gottesdienst feiern, Glauben teilen, Gemeinschaft leben und dem Wohl der Menschen dienen, dass wir darin Gottes Liebe glaubwürdig bezeugen und verkünden?

Die Antworten auf diese Fragen werden in Neuss anders ausfallen als in Solingen, in Köln anders als Oberberg-Mitte. Und: Wir können diese Antworten zukünftig nur finden und mit Leben füllen mit den Glaubenden, die an den verschiedenen Orten konkret als Kirche leben.

Liebe Schwestern und Brüder, das Zweite Vatikanische Konzil sieht unsere Kirche nicht als etwas Statisches, sondern als pilgerndes Volk Gottes, in dem jede und jeder Getaufte Charismen geschenkt bekommen hat, durch die sie oder er etwas Unverwechselbares und Kostbares beitragen kann zur Kirche und ihrer Sendung in dieser Welt. So denke ich, dass in Zukunft die Kirche im Erzbistum Köln keine von Hauptberuflichen versorgte Kirche sein wird, sondern eine miteinander sorgende Kirche, in der es verschiedene Dienste und Rollen, aber keine unterschiedliche Würde der Getauften gibt. Als Bischof wünsche ich mir, dass die Getauften und Gefirmten in unserem Erzbistum mit Verantwortung dafür übernehmen, was und wie Kirche, Pfarrei und Gemeinde an einem konkreten Ort sein wird. Ich wünsche mir, dass sie sich aufmachen, bewusst einen Weg mit Christus zu gehen und in einem geistlichen Prozess gemeinsam mit den Priestern und Pastoralen Diensten vor Ort Kirche neu bauen.

 

Ich möchte Sie, die Gemeindemitglieder im Seelsorgebereich Solingen-Mitte/Nord und im Seelsorgebereich Solingen-Süd einladen und herzlich bitten, sich als Seelsorgebereiche mit Ihrem Pfarrer und Pastoralen Diensten in gemeinsamer Verantwortung auf solch einen geistlichen Weg des Neu-Kirche-Werdens zu machen.

 

Herr Kaplan Mohr ist bereit, als zukünftiger Pfarrer mit zwei Seelsorgebereichen einen solchen geistlichen Weg der gemeinsamen Verantwortung zu gehen. Darum habe ich in Absprache mit Herrn Kaplan Mohr und mit den Verantwortlichen im Erzbischöflichen Generalvikariat entschieden, nicht in jeden einzelnen Seelsorgebereich einen neuen Pfarrer zu versetzen, da wir hiermit an einer anderen Stelle wieder eine Lücke reißen würde, die wir nicht füllen können.

 

Mit dem Einverständnis von Herrn Kaplan Mohr werde ich ihn zum 15. August 2016 sowohl zum leitenden Pfarrer im Seelsorgebereich Solingen-Mitte/Nord als auch im Seelsorgebereich Solingen-Süd ernennen. So kann Kaplan Mohr mit den Pastoralen Mitarbeitern und Ihnen die Möglichkeiten des dargestellten geistlichen Weges ausloten und gestalten.

Ich freue mich, dass sich Herr Kaplan Mohr auf diesen Weg einlässt. Ich wünsche mir sehr, dass Sie alle gemeinsam die Pastoral der Pfarreien in den Seelsorgebereichen vor Ort in der von mir beschriebenen geistlichen Weise dezentral und partizipativ weiterentwickeln und gestalten werden. Diesen Weg werden wir von Seiten des Erzbistums aktiv begleiten und unterstützen.

Herrn Pfarrer Mohr werden wir von Verwaltungsaufgaben entlasten, damit er mehr Zeit für diesen neuen Weg und die Gestaltung der Seelsorge in den beiden Seelsorgebereichen hat. Dazu werden dort jeweils auch Verwaltungsleiter eingesetzt.

In Ihrem geistlichen Prozess werden Sie von diözesanen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern begleitet und unterstützt, die mit Ihnen gemeinsam herausfinden werden, wie so etwas in Ihrem konkreten Kontext praktisch gehen kann.

Liebe Schwestern und Brüder, ich hoffe sehr auf Ihre Unterstützung und wünsche mir sehr, dass Sie sich bereitwillig und mit Freude an dem gemeinsamen Entwicklungsweg für die Pastoral Ihrer Gemeinden beteiligen.

 

Wir leben in der Zusage, dass Gott einem Jeden, einer Jeden von uns seinen heiligen Geist sendet und uns befähigt als seine Gemeinde zu leben. In Jesus Christus wurde Gott Mensch, um sich zutiefst mit uns Menschen zu verbinden – in jeder geschichtlichen Epoche durch alle Krisen hindurch. Er will greifbar, erfahrbar werden auch in den kirchlichen Sozialformen und durch die Gemeindemitglieder in den Seelsorgebereichen Solingen Mitte/Nord und Solingen-Süd. Wir dürfen darauf vertrauen, dass er alle Wege mit uns geht. Lassen wir uns von ihm finden und begleiten.

 

Von Herzen wünsche ich Ihnen, Ihren Familien und Angehörigen Gottes Nähe und seinen Segen.

 

Ihr

+ Rainer Maria Card. Woelki