Karfreitag: mit der Liebe todernst gemacht

 

„Gelitten unter Pontius Pilatus, gekreuzigt, gestorben und begraben.“

Das klingt dann so wie der lapidare Nachtrag zu einer Gerichtsakte, die vor zweitausend Jahren geschlossen in die „Ablage“ geraten wäre, wenn es da nicht etwas Außergewöhnliches, Unbegreifliches und Unfassbares um diesen Menschen aus Nazareth gegeben hätte.

 

Dieser „Fall“ wurde schon so oft „aufgerollt“. Warum musste dieser Jesus sterben? Ein berühmter Versuch, dieses „Scheitern“ verstehen zu lernen, könnte uns vielleicht deshalb nachdenklich machen, weil der Verfasser seine Wertung bereits vierhundert Jahre vor der Kreuzigung prophetisch vorweggenommen hat.

Auf der Suche nach dem „gerechten Menschen“, der ohne jegliches Ansehen der Person die Gerechtigkeit um ihrer selbst willen liebt, unbeirrbar an ihr festhält und bis zum bitteren Ende zu ihr steht, meinte der griechische Philosoph Platon in seinem Werk über den „Staat“: „… dass der Gerechte unter diesen Umständen gegeißelt, gefoltert, gebunden werden wird, dass ihm die Augen ausgebrannt werden und dass er zuletzt nach Misshandlungen gekreuzigt werden wird.“

 

Jesus wurde gekreuzigt, weil er mit der Gerechtigkeit, mit der Liebe zu uns „todernst“ gemacht hat. Bis in den allertiefsten Abgrund hinein trug er seine Liebe zu uns. Sogar das engste Tor des Todes engte nicht seine Bereitschaft ein, sich im Auftrag Gottes schützend vor und stützend hinter die Menschen zu stellen. Selbst im  Augenblick des sicheren Todes stellt er sich einfühlsam vor die Menschen, wenn er Gott bittet: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen ja nicht, was sie tun!“ (Lukas 23, 34). Zuvor hatte Pilatus den Finger auf das blutende Gesicht des Geschundenen gerichtet mit der Bemerkung: „Ecce homo!“ – „Seht, da ist der Mensch!“ Vielleicht hätte er auch oder noch besser sagen sollen: „Schaut her, was der Mensch fertig bringt!“

 

Karfreitag auf der einen Seite: ein rabenschwarzer Tag, denken wir an den Teufelskreis von Haben, Macht, Gewalt und Tod. Karfreitag auf der anderen Seite: ein schneeweißer Tag, denken wir an die Liebe, die allein diesen Teufelskreis durchbrechen kann und uns zum wirklichen Leben führt. Es ist eine Liebe, von der Paulus einmal beinahe enthusiastisch schreibt: „Denn ich bin gewiss: Weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Gewalten der Höhe oder Tiefe noch irgendeine andere Kreatur können uns scheiden von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn.“ (Röm 8, 38-39). Eine Liebe, die „todernst“ macht, ist eine Liebe, die lebendig macht, die durch die Angst hindurch geht, von der es im Johannesbrief heißt: „Furcht gibt es in der Liebe nicht, sondern die vollkommene Liebe vertreibt die Furcht.“ (1 Joh 4,18a).

 

Stanislaus Klemm, Dipl. Psychologe und Theologe, In: Pfarrbriefservice.de