Und doch habe ich einen Glauben - ausgetreten aus der Kirche
Ein Interview
Wir schreiben über den Glauben im Allgemeinen. Du bist aus der Kirche ausgetreten, was glaubst Du, oder glaubst Du überhaupt noch an etwas?
„Also das ist schwierig. Ich bin katholisch erzogen worden und auch zur Kommunion gegangen. Weißt Du, meine Eltern waren beide arbeiten, und ich bin größtenteils bei meiner Großmutter aufgewachsen. Diese war noch so, dass man jeden Sonntag in die Kirche gehen musste, und meine Eltern haben nichts dagegen gesagt, waren vielleicht auch froh, dass sie sich nicht um mich kümmern mussten. Aber so ab der 6./7. Klasse konnte ich mich davor drücken, da ich dann während der Zeit heimlich eine Freundin besuchen konnte. Wir haben dann zusammen 1½ Stunden Zeit für uns gehabt und Musik gehört und die Bravo gelesen.
Heute weiß ich nicht, ob es wirklich einen Gott gibt. Aber ich denke mir, dass da doch etwas mehr sein muss. Also ich kann mir nicht vorstellen, dass wir nur allein in diesem Universum sind, und dass das alles nur aus Zufall besteht. Da gibt es sicher ein höheres Wesen oder vielleicht auch mehrere, welche wir nicht begreifen können. Ob das Gott ist oder etwas Anderes, kann ich nicht sagen.“
Was waren oder war dein Grund oder Gründe aus der Kirche auszutreten?
„Also ich bin ja erst vor so 10 Jahren ausgetreten. Das war, als ich meinen jetzigen Job angetreten habe. Ich habe auf meiner Gehaltsabrechnung gesehen, was ich an Kirchensteuer bezahle, und mir ist klargeworden, dass ich für etwas zahle, was ich nicht nutze oder was mir persönlich irgendwie was bringt. Ja, und irgendwie ist diese Struktur der katholischen Kirche mit ihren alten Männern, die über uns Frauen bestimmen, für mich nicht mehr zeitgemäß.“
Wenn Du von diesem höheren Wesen sprichst, ist das mit dem Gottesbild von uns Christen vergleichbar?
„Wie gesagt, das kann ich nicht beurteilen. Aber ich glaube nicht, dass dieses Wesen, oder die Wesen, uns alle immer und allezeit beobachtet und unser Leben beurteilt. Weißt Du, dass wir in den Himmel oder in die Hölle nach dem Tod kommen. Vielleicht gibt es so etwas wie ein Leben nach dem Tod, so eine Gemeinschaft der „Bewusstseine“. Ich fände das schön, ich kann den Gedanken nicht so gut ab, dass nach dem Tod alles zu Ende sein soll.“
Hast Du dich mit anderen Religionen oder auch Glaubensmodellen beschäftigt, da gibt es ja auch welche mit Wiedergeburt, sodass das Bewusstsein nicht verschwindet?
„Ja, eine Freundin von mir hatte mal einen Freund, der war Buddhist, aber wenn ich das gesehen habe, auch dieser Glaube war voller Regeln und Verbote. Nicht dass das grundsätzlich falsch ist, aber so eine Religion schränkt doch ganz schön ein. Was ich toll finde ist das, dass man an das Universum seine Wünsche richten kann und dass dieses die einem auch erfüllt. Also, dass da so ein Überwesen ist, welches für uns sorgt.“
Glaubst Du, dass eine christliche Kirche Dir noch einmal eine Heimat bieten kann?
"Ich bin mir da nicht sicher, vor 10 Jahren hätte ich noch konsequent Nein gesagt, aber heute fehlt mir doch etwas. Ich gehe zum Beispiel Weihnachten immer noch in die Kirche, ohne das wäre das Fest nicht so schön. Ich habe das mal in der evangelischen Kirche versucht, meine Schwiegermutter ist evangelisch, aber es war für mich nicht dasselbe. Ich brauche da diese Lieder, die Stimmung und die Wärme. Ab und zu gehe ich auch Ostern in die Kirche, diese Zeremonie mit dem Feuer und das Reintragen des Lichts in die Kirche ist schon ergreifend. Und nachher das Zusammenkommen im Pfarrheim ist auch schön, einige Freunde von uns sind auch da, und wir treffen uns dann. Auch finde ich eine Bestattung mit einem Priester irgendwie besser als mit so einem Trauerredner, das ist eine würdigere Atmosphäre. Das war zum Beispiel bei der Beerdigung meiner Mutter wichtig. Bei meinem Onkel war das so eine kurze Beerdigung mit einer kleinen Rede am Grab, irgendwie war das nicht so gut.“
Dieses Interview wurde von mir mit einer Bekannten, welche nicht namentlich genannt werden wollte, geführt.
Andreas Szczukowski