Fasten, das etwas andere Genießen

„Der Mensch wird nicht dadurch an Qualität gewinnen, dass er aufgrund seines Besitzes im Überfluss lebt.“ (LK 12, 15)

 

Dem Fasten hängt immer noch der geschichtliche Ballast an, dem Menschen das Genießen nicht zu gönnen. Fasten bedeutet nicht Weltabgewandtheit, sondern aktive Zuwendung zu den Aufgaben des Lebens, aber mit der Lebensqualität der inneren Freiheit. Fasten ist eine positive Einstellung zum Leben, um die Balance zwischen Verzicht und Genuss neu zu bedenken. Die alte Lebensweisheit „Weniger ist mehr“ hat neue Aufmerksamkeit verdient und kann durch das Fasten erfahren werden.

Fasten im religiösen Sinn hat Gewichtsabnahme nicht als Hauptziel, erfreulicher Weise aber als Nebeneffekt. Die Meister und Mystiker aller Religionen weisen darauf hin, dass unser Leben dadurch an Qualität gewinnt, dass wir vom kleinen ICH loslassen. Wer sein Leben festhält, wird es verlieren und wer sein Leben um meinet Willen loslässt, wird es gewinnen. ( Joh. 12,25) Nur wer sich vorurteilsfrei auf dieses Wort Gottes einlässt, wird die Wirkung erleben.

„Jede Bindung an das ICH, nimmt dir ein Stück Freiheit“, sagte Meister Eckhart. Eine Aussage die man in der Fastenzeit (Besinnungszeit) täglich neu bedenken sollte, um die Wahrheit dieser Aussage zu genießen. Durch das Fasten wird der Kopf frei, dann erst bin ich in der Lage neues zu Denken.

 

Der auf Konsum fixierte Mensch ist nie zufrieden. Ein Essgieriger wird kaum satt werden. Ein Besitzsüchtiger wird nirgendwo richtig zuhause sein. Ein Süchtiger z.B. (Alkohol, Tabletten, Arbeit, Putzen, Besitz, Gier, Computer, Geschwätzigkeit, Rechthaberei ) wird nie genug haben. Eine von Begierden beherrschte Beziehung, kann nie Liebe hervorbringen. Durch Habgier werden Menschen ständig missbraucht und die Schätze der Erde ausgebeutet. Ein habgieriger Mensch findet weder inneren noch äußeren Frieden, findet weder innere noch äußere Freiheit.

 

„Verzichte und genieße das Leben“ so sagen es uns die Weisheitsschriften der östlichen und westlichen Meister. Wer zum Verzicht fähig ist, geht mit Dankbarkeit und Gelassenheit durchs Leben. Verzicht schafft den nötigen Freiraum zwischen dem ICH und dem DU. Durch Verzicht wird der andere in der Andersartigkeit besser angenommen und respektiert. Verzicht lehrt sorgfältig mit den Gaben der Schöpfung umzugehen und gerechter zu verteilen.

Ein einfacher Lebensstil befreit den Menschen von falschen Anhänglichkeiten und Abhängigkeiten.

 

Verzicht ist die Kraft der Freiheit, sie macht das Leben lebens- und liebenswerter. Verzicht ist die Voraussetzung für geistliches Wachstum und der zarte Versuch unentdeckte Glaubensressourcen zu entdecken.

Nur in der Harmonie von Körper, Seele und Geist entsteht wirkliche Lebensqualität.

 

Jürgen Wies, Diakon