St. Paulus
Niederaußem
St. Paulus: Filialkirche der Kirchengemeinde St. Johannes Baptist in Niederaußem
Der Ort Niederaußem entwickelte sich zwischen 1960 und 1970 wegen der wachsenden Braunkohletagebaue und des Kraftwerksbaus rasant. Die Einwohnerzahl sollte sich nach den Prognosen der Stadt fast verdreifachen. Damit war offenkundig, es musste auch kirchlicherseits etwas passieren. Gegenüber dem Erzbistum musste klargestellt werden, dass es sich nur um den Bau einer Filialkirche und nicht um eine Abpfarrung handle.
Die Grundstückslage an der heutigen Paulusstraße ermöglichte nun den Neubau der Kirche am Schnittpunkt zwischen altem Ort und Neubaugebiet und konnte so einer Integration der Ortsteile fördern, zumal in direkter Nachbarschaft die neue Hauptschule und auch die Sonderschule für Lehrbehinderte errichtet wurden. Die Planungsgenehmigung durch das Erzbistum erfolgte am 19. März 1965.
Entsprechend der Leitidee des 2. Vatikanischen Konzils, die Kirche als „wanderndes Volk Gottes“ zu begreifen, konzipierten Pfarrer Schallenberg und der Architekt Hanns Walter Lückerath das neue Gotteshaus als Wegekirche. Die gesamte architektonische Gestaltung sollte diesem Konzept folgen und zugleich der Situation des Industriestandortes Niederaußem mit der weithin sichtbaren und beherrschenden Silhouette des Kraftwerks gerecht werden. Durch den ‘Rufer‘, den in Kreuzesform gebauten Glockenturm, betritt man den Weg, der durch das Atrium (die Vorhalle) in den Mittelgang der Kirche nach vorne zum Chor, zum Altar und zum Mysterium führt. Dahinter das angedeutete aus Beton gegossene Tor, hinter dem sich die irdische Liturgie in der des himmlischen Jerusalem fortsetzt.
Der Hauptraum der Kirche, ihr eigentlicher Liturgieraum, hat den Charakter einer weiträumigen Halle. Der Blick wird nicht durch Säulen oder Seitenschiffe behindert. Die Einheit der zur heiligen Feier versammelten Gemeinde wird optisch erfahrbar. Der große offene Raum wird ergänzt durch eine an der linken hinteren Seite angegliederten Kreuzkapelle für Werktagsgottesdienste, in der auch das Taufbecken aufgestellt ist und in der die ‘Kirche für Kids‘ ihren Platz gefunden hat. Vorne rechts ragt die große Klaisorgel aus dem Sängerraum in den Liturgieraum hinein. Der Altarraum erstreckt sich über die gesamte Breite der Kirche und lässt viel Raum für die einzelnen liturgischen Orte, so dass große Entfaltungsmöglichkeiten für feierliche Liturgie gegeben sind. 1m Zentrum steht der Zelebrationsaltar aus rotem schwedischen Granit, rechts davon der Sakramentsturm zur Aufbewahrung des Leibes Christi und links der Ambo als Ort der Verkündigung des Wortes Gottes etwas näher zur Gemeinde hin. Alle liturgischen Orte aus diesem roten Granit sind vom Steinmetz nicht glatt geschliffen, sondern mit dem Spitzmeißel bearbeitet, um das natürliche Farbspiel des Steins zur Geltung zu bringen. Der Kölner Künstler Walter Prinz, der fast alle Einrichtungsgegenstände, Steinmetz- und Bronzearbeiten entworfen und angefertigt hat, fügte unterschiedlich große Granitblöcke ineinander und übereinander und hat so dem Stein die wuchtige Schwere genommen und Leichtigkeit und Schlankheit erwirkt. Hinter dem Altar in der Mitte der Rückwand befindet sich etwas vertieft eine aus Beton gegossene Konche, die die gesamte Höhe der Rückwand umfasst. Viele kleine lukenartige Fenster in unterschiedlichen Größen und unregelmäßigen Abständen gliedern und lockern die Wand auf. Kubische Vertiefungen und Ausstülpungen, glatte Flächen und Rillen, die im unteren Teil eine Tür oder Tor andeuten, symbolisieren das “Tor zum himmlischen Jerusalem“. Der Blick des Betrachters wird davon automatisch angezogen. Fenster im üblichen Sinne fehlen. Unter der Deckenkrone läuft rundum ein Lichtband ergänzt durch farbige kleine Glasquadrate. Seit der neuen Ausmalung der Kirche durch Walter Prinz im Jahre 2000 treten die Einzelelemente dem Betrachter nun deutlicher in den Blick. Die mineralischen Farben von Terrakotta-Rot variieren je nach Saugfähigkeit des Untergrundes, so dass sie wie mediterrane Bemalung wirken und dem Innenraum eine helle, warme Ausstrahlung geben.
Der Künstler Hermann Gottfried schuf 1971/72 die 14 Stationen des Kreuzweges nicht in konkreter, anschaulich erzählender Darstellungsweise, sondern in moderner, expressiver Abstraktion. Er weiß um unser Nichtwissen über historische Einzelheiten. Bewusst wählt er bei den 14 Stationen einen wesentlichen Aspekt aus und konzentriert so die Sicht des Betrachters auf das Allgemeingültige in der Passion Jesu. Jeder kann seine eigenen Erfahrungen von Leid einbringen.
Der 1. Gottesdienst fand in St. Paulus Pfingsten 1970 statt. Die Benediktio nahmen Pfarrer Schallenberg und Pfarrer Bodden vor. Die feierliche Konsekration erfolgte durch den damaligen Weihbischof Dr. Luthe am 29. Juni 1976 am Fest Peter und Paul. Vier Glocken rufen die Menschen zu den Gottesdiensten in die größte Kirche im Kirchengemeindeverband Bergheim-Ost. Reichlich Parkplätze in der Nähe und behindertengerechte Zugänge erleichtern den Besuchern die Teilnahme.