Die große Müdigkeit - 24. Mai 2022

Heute war mein letzter ganzer Tag in Jerusalem. Und die große Müdigkeit setzte ein. Schon beim Wachwerden heute morgen hatte ich sie in den Knochen und sie begleitete mich bis in den Nachmittag hinein. Ich erinnerte mich an die Prüfungszeiten im Studium, wo ich mich wochenlang darauf vorbereitet hatte und dann, nachdem sie vorbei war, in ein Loch fiel. Die ganze Abspannung fiel ab und ich spürte die Anstrengung, die diese Zeit geprägt hatte. Ich glaube, die „Prüfung“ war gestern das Verpacken des Fahrrades und die (ziemliche) Sicherheit, dass morgen mit der Heimreise alles glatt geht.

 

Den Morgen verbrachte ich damit, noch einige schwere Sachen aus der Fahrradbox herauszuholen und gegen leichtere Kleidung zu tauschen, weil mir die Box doch ziemlich  schwer erschien, dann holte ich mir zu essen und machte anschließend einen Mittagsschlaf, der aber nicht wirklich erholsam war. Bis etwa vier Uhr lümmelte ich im Hostel herum und hatte danach Lust, eine Abschiedsrunde in der Altstadt zu machen. Besonders lange hielt ich mich dabei im österreichischen Hospiz auf und genehmigte mir dort einen Apfelstrudel und einen original wienerischen Kaffee. Es schmeckte und roch richtig nach Heimat.

 

Ja ich sehne mich danach, jetzt, nach acht Wochen wieder nach Hause zu kommen, meine Frau und meine Söhne mit Freundinnen wiederzusehen, im eigenen Bett zu schlafen und die Vorzüge des Luxuslebens in Deutschland zu genießen. Und ich glaube auch, dass ich noch einige Zeit brauchen werde, um die vielen Eindrücke meiner Pilgereise hochkommen zu lassen und zu verarbeiten. Zwischendurch hatte ich manchmal das Gefühl, dass Kopf und Seele „überfüllt“ sind mit den vielen Begegnungen und Eindrücken.

Das österreichische Hospiz mit Kaffeegarten
Das österreichische Hospiz mit Kaffeegarten

Andererseits ist es ein wenig seltsam, dass ich mich hier in Jerusalem nicht wirklich am Ziel meiner Pilgerreise fühle. Pilgern ist sicher ein sehr passendes Bild für  unser Leben, nur das Ziel unseres Lebens ist nicht die Altstadt von Jerusalem sondern das „himmlische Jerusalem“, das nach dem Tod (hoffentlich) auf uns wartet.

 

Bevor ich jetzt aber noch mehr ins Philosophieren und Theologisieren komme, mache ich hier Schluss.

 

Dies ist jetzt vorerst mein letzter Blogbeitrag.

 

Irgendwann in den nächsten Wochen, wenn alle Eindrücke gesackt und ich wirklich zuhause angekommen bin, werde ich noch einen Rückblick schreiben.

 

Ich hoffe und wünsche mir, dass ich Euch ein kleines Stück auf meiner Pilgerreise mitnehmen konnte. Vielleicht habt ihr ja Appetit bekommen, euch selbst auf den Weg zu machen. 

 

Es lohnt sich!

Das österreichische Hospiz mit Kaffeegarten
Das österreichische Hospiz mit Kaffeegarten

Die Nacht in der Grabeskirche - 22. - 23. Mai 2022

Sonntag – der Tag ist normalerweise durch „arbeitsfrei“, Gottesdienst und Entspannung geprägt. Hier nicht. Hier  ist der Sonntag ein  ganz normaler Arbeitstag, im Unterschied zum Sabbat (Samstag) der hier mehr diese Ruhe ausstrahlt. Und das, obwohl dieser Tag für die Muslime keine Bedeutung hat. Also irgendwie ist immer was los hier in Jerusalem und auch in der Türkei. Ich muss wirklich oft nachdenken, welcher Wochentag heute ist, weil es (für mich) keinen richtigen Wochenrhytmus gibt.

Das Schließritual in der Grabeskirche
Das Schließritual in der Grabeskirche

Aber gestern war Sonntag und ich hatte in Erfahrung bringen können, dass im österreichischen Hospiz um 11.00 Uhr eine Heilige Messe sei und die wollte ich besuchen.

 

Insgesamt waren wir sieben Menschen: Der Priester, zwei Messdiener und vier Gottesdienstbesucher, wobei ich mit meinen bald 65 Jahren der Jüngste war. Zuerst hat mich das ein wenig geschockt, aber vielleicht sind ja die meisten Pilgergruppen, die auch hier übernachten, mit einem Priester unterwegs und haben ihre eigene Messe.

 

Je länger die meine allerdings dauerte, desto mehr wurde mir klar, dass hier keine Werbung für eine lebendige Liturgie stattfand. Die Lieder wurden sehr, sehr langsam gesungen und das, was der Priester zu sagen hatte, war nicht viel mehr als nichts. Ich erinnerte mich an unseren Dogmatiker im Studium, der einmal gesagt hatte: Es gibt Predigten, die sind „fürchterlich richtig“ – alles stimmt – nur eines fehlt: Die Beziehung zum Leben… Genau dieses Gefühl hatte ich gestern morgen – Sehr schade.

 

Aber ansonsten war  die Messe gültig und ich freute mich, wieder einmal zur Kommunion gehen zu können. Dafür Danke!

Das Heilige Grab
Das Heilige Grab

Meine Pilgerreise geht langsam zu Ende. Und dieser Werk- Sonntag war der erste Schritt, an dem das Ende „Hand und Fuß“ bekam.

 

Nach dem Mittagsschlaf setzte ich mich aufs Rad und fuhr zu einem Fahrradgeschäft, um dort hoffentlich eine Karton zu bekommen, in den ich mein Rad für den Rückflug verpacken kann. Das Geschäft lag etwa vier Km entfernt und ich hatte Glück: Der Karton schien wohl eher auf ein BMX-Rad zugeschnitten, als auf ein Tourenrad, aber wenn er zu klein sein sollte, könnte ich ihn ja notfalls mit Gemüsekartons aus den Geschäften in der Nachbarschaft vergrößern.

 

Ich stellte ihn auf eine Pedale, band ihn mit einer Schnur am Rahmen fest und schob ihn ins Hostel. Heute Nachmittag habe ich dann mein Rad soweit wie nötig auseinandergebaut und im Karton verstaut. Er war genau groß genug. Was mir aber gestern noch fehlte, war ein Werkzeugsatz mit  Schraub- und Imbusschlüsseln, die ich auf meiner Reise wohl irgendwo habe liegenlassen.

 

Also wieder zum Fahrradgeschäft zurück und das Teil gekauft. Auf dem Rückwegs passierte etwas Sonderbares: Genau am Ende der letzten Steigung  (ab dann ging es ungefähr einen Km bergab) riss die Kette. Klarer konnte mir auch mein Rad nicht zeigen, dass die Pilgereise zu Ende ging, und das dies meine letzte Tour in Israel gewesen war…

3 und 4 Grabkammern in der "Rumpelkammer"
3 und 4 Grabkammern in der "Rumpelkammer"

Dann legte ich mich noch aufs Bett, um für die Nacht etwas vorzuschlafen. Um 20.45h saß ich gespannt im Eingangsbereich der Grabeskirche. Ein Franziskaner (ich habe seinen Namen vergessen) kam und begrüßte mich – und dann folgte das Schließritual der Grabeskirche. Abschließen tat ein Moslem. Den Vorgang überwachten: Ein orthodoxer Pope, ein armenischer Mönch und „mein“ Franziskaner. Als beide Türflügel geschlossen waren, wurde eine Klappe in der Tür geöffnet und ein Leiter herausgereicht. Damit erreichte der Muslim wohl ein Schloss im oberen Bereich der Tür. Nachdem er dort den Schlüssel rum gedreht hatte, reichte er die Leiter wieder durch die Klappe und in der Grabeskirche herrschte Grabesstille. Mit mir ließ sich nur eine junge Frau einschließen, die in der Nacht aber fast ausschließlich mit einer orthodoxen Nonne Kontakt hatte. Ich vermutete, es ging für sie um eine Lebensentscheidung.

 

Und jetzt war wirklich Stille. Ich ging langsam durch die Kirche und suchte mir einen Ort, der mich ansprach. Es gibt auch in der katholischen Tradition Bilder, die „Jesus in der Ruhe“ darstellen: Sie zeigen ihn allein, nach seiner Verhaftung, mit „Königs“mantel und Dornenkrone bekleidet, Hände und Füße gebunden, auf einem Stein sitzend. Jesus in der  Ruhe….

Ich war wohl in Gedanken versunken, und vielleicht auch schon im Halbschlaf, da läuteten in der Kirche die Glocken. Ich bin ziemlich zusammengeschossen und bekam dann mit dass einige orthodoxe Mönche sich zu Gebet versammelten. Einer sah mich und fragte, wo ich herkäme. Auf meine Antwort „Deutschland“ fragte er „Katholik?“ – „Ja“ – Dies wäre jetzt aber eine orthodoxe Liturgie – nur für orthodoxe Christen. Ich hatte verstanden und entfernte mich…

 

Etwa zwei Stunden dauerte das Gebet. Es wurde eingeleitet durch Weihrauch, mit den die vielen Ikonen und Wandbilder verehrt wurden Und dann folgte ein Wechsel zwischen Sprechgesang und gesprochenen Gebeten. Schade, dass ich so wenig mit der orthodoxen Liturgie vertraut bin und auch die Sprache nicht verstehe. Beeindruckend war es schon.

Abgeschlossen wurde es wieder mit Weihrauch und Glocken.

 

Anschließend ging ich wieder durch die Kirche und kam zu einem Raum – etwas hinter dem Heiligen Grab, der für mich zuerst so aussah wie ein Rumpelkammer, sich dann aber als richtige Entdeckung entpuppte.

 

In den Evangelien wird ja beschrieben, dass Josef von Arimathäa Jesus in einem Grab nahe Golgota beisetzte und das, was ich in dem Raum sah, waren andere Gräber, zwei waren offen (und leer) und von der Höhe her sehr klein. Da konnte man die Verstorbenen wohl nur mit einer Bahre hineinschieben. Zwei andere waren durch rechteckige Steine verschlossen. Jetzt bekam ich eine Idee davon, wie der Friedhof wohl ausgesehen haben muss, in dem Jesus beigesetzt wurde. Ich blieb lange dort sitzen…

Treppenaufgang in der Grabeskirche
Treppenaufgang in der Grabeskirche

Schließlich wurde doch die Müdigkeit zu stark und ich legte mich auf eine Bank und schlief ein. Kurz vor fünf wurde  es wieder lebendig und wieder kamen die drei Zeugen zusammen und sahen zu, wie die Türe geöffnet wurde. Zum Hintergrund dieser skurril erscheinenden Szene muss man wissen, dass es gerade hier in der Grabeskirche – in dem Heiligsten Ort Jerusalems – eine ziemliche Konkurrenz zwischen den Konfessionen gibt, wer wofür zuständig ist und wann was machen darf. Es soll dabei sogar schon zu Schlägereien zwischen den Mönchen gekommen sein… Deshalb hat man sich nach langen Verhandlungen auf dieses Ritual (incl dem „Schlüsselmuslim“) geeinigt…..

 

Als die Tür aufging, stand schon eine Gruppe amerikanischer Pilger davor, die zuvor schon auf der Via Dolorosa den Kreuzweg gebetet hatten und hier jetzt ihren Gottesdienst abschließen wollten.

 

Ich aber ging nach Hause.

Die Tür öffnet sich wieder
Die Tür öffnet sich wieder

Gegen 10 bin ich wieder wach geworden und nach dem Frühstück zum Flughafen nach Tel Aviv gefahren, um zu sehen, wie ich mit meinen Klamotten und dem Fahrrad am besten am Mittwoch dort hin komme. Ich glaube, ich habe eine gute Lösung gefunden.

 

Heute Nachmittag habe ich das Fahrrad in dem Transportkarton verstaut. Er war keinen Zentimeter zu hoch - Passt!

 

Meine Zeit hier und damit auch meine Pilgerreise geht zu Ende. Und ich freue mich über Beides:

Dass ich diese Reise gemacht habe und dass es bald wieder nach Hause geht…

 

Bis Morgen!

Mein Fahrrad passt in den Karton!
Mein Fahrrad passt in den Karton!

Neuer Textbaustein

Mein zweiter Tag hier in Jerusalem war ein sehr gemischter Tag. Heute morgen hatte ich mir vorgenommen, die Via Dolorosa zu gehen, also den Weg nachzugehen, den Jesus auf seinem Kreuzweg gegangen ist. Genau gesagt, geht das gar nicht mehr, weil Jerusalem in den fast  2000 Jahren danach mehrmals zerstört worden ist und auf den Trümmern wieder aufgebaut wurde. Und so liegt die Altstadt jetzt einige Meter höher und hat wahrscheinlich auch einen ganz anderen Straßenverlauf als zur Zeit Jesu.

 

Aber das ist ja eigentlich ziemlich egal. Man geht über die Straßen und Gassen und das „Kopfkino“ macht dann den Rest. Eigentlich…

In der Nähe des Damaskus-Tores liegt mein Hostel
In der Nähe des Damaskus-Tores liegt mein Hostel

Aber die Stadt war unbeschreiblich voll und die Häuser an den Gassen bestehen im Erdgeschoss fast nur aus Läden und Gaststätten. Hinzu kam, dass es heute hier ziemlich schwül war. Also eigentlich keine guten Voraussetzungen, um sich auf diesen Weg zu machen.

 

Außerdem waren – für mich aus unerklärlichen Gründen – die meisten Kapellen, die direkt an den Kreuzwegstationen liegen, geschlossen.

 

Als ich vor 10 Jahren schon einmal hier war, war ich sehr angetan davon, wie sich die laute Altstadt mit der Stille in den Kapellen verbunden hat. Naja, irgendwann kam ich an der Grabeskirche an, die sowohl den Berg Golgota, also den Ort der Kreuzigung, als auch das Grab umfasst, in dem Jesus beigesetzt worden sein soll. Aber auch diese Orte sind nur wahrscheinlich die Originalorte der Handlungen. Kaiserin Helena, die Mutter Kaiser Konstantins, der das Christentum in Rom zur Staatsreligion machte, war um das Jahr 300 hier und auf sie gehen die heutigen Ortsbestimmungen zurück.

Bild aus der Kirche der Geißelung Christi
Bild aus der Kirche der Geißelung Christi

In der Grabeskirche ist ein ungeheures Gewusel. Gruppenführungen finden satt, Menschenmengen drängeln sich durch und zwischen drin suchen Pilger nach Orten der Andacht. So hat z.B. die orthodoxe Kirche einen Ort, an dem der Leichnam Jesu nach der Kreuzabnahme abgelegt worden sein soll. Aber wie man dort zur Andacht kommen kann, war mir ein Rätsel.

 

Aber ich hatte ja in der  Grabeskirche ein anderes Ziel: Ich suchte die Sakristei der katholischen Franziskaner und fand sie nach einigem Hin und Her auch. Ich hatte nämlich gehört, dass „Langstreckenpilger“ wie ich die Gelegenheit haben, sich für eine Nacht in der Grabeskirche einschließen zu lassen und sie für diesen Zeitraum fast für sich zu haben. Dafür meldete ich mich an und soll morgen um kurz vor 21.00 Uhr am Eingang sein. Ich bin sehr gespannt, wie die Nacht wird, sicher (hoffentlich) ganz anders als mein Besuch heute.

Die schmucklose St. Annen-Kirche
Die schmucklose St. Annen-Kirche

Ich ging ins Hostel zurück und machte einen Mittagsschlaf. Dann brach ich erneut auf und hatte diesmal ein stilleres Ziel: Den Garten Gethsemane am Fuße des Ölbergs, in dem Jesus vor seiner Verhaftung Todesangst ausgestanden hat und – so berichten die Evangelien – dennoch bereit war, seinen Weg zu gehen. Ich bewundere ihn sehr für seine Gradlinigkeit. Ich hätte wahrscheinlich gekniffen und mich, solange es noch ging, aus dem Staub gemacht…

 

Auf dem Weg dorthin versuchte ich die Hauptstraßen der Altstadt zu meiden und landete dann an der St. Anna-Kirche, die den Weißen Vätern und Weißen Schwestern gehört, die Ende des 19.Jahrhunderts zur Missionierung Afrikas aufgebrochen sind. Durch sie habe ich übrigens Kontakte und Freundschaften nach Tansania aufbauen können, die mein und unser Leben sehr reich gemacht haben. Hier ist übrigens auch der Ort, an dem Priester und Nonnen aus Afrika kostenlos wohnen können, um das Heilige Land kennenzulernen. Eine gute Einrichtung. Im Herbst wollen wir einen befreundeten Priester aus Tansania zu uns einladen, vielleicht kann er auf dem Rückweg hier Station machen.

In der Grabeskirche: Der Ort, an dem der Leichnam Jesus nach der Kreuzabnahme abgelegt wurde
In der Grabeskirche: Der Ort, an dem der Leichnam Jesus nach der Kreuzabnahme abgelegt wurde

Aber nicht nur das war das Besondere an diesem Ort: Es war absolut nichts  los! Auf dem Gelände waren neben dem Kloster und der Annen-Kirche auch noch ein Ausgrabungsgelände zu bewundern, das die wechselvolle Geschichte dieses Ortes deutlich machte. Bestimmt vier Meter tief gingen die Grabungen, um zu den Fundamenten der Häuser aus der Zeit Jesu vorzustoßen.

 

Hier soll der Teich Bethesda gelegen haben, dessen Wasser heilenden Kräfte zugesprochen wurden und an dessen Rand ein Gelähmter lag – schon seit mehr als dreißig Jahren. Er habe „keinen Menschen“ sagte er zu Jesus, der ihn in das Wasser hineintragen könnte. Daraufhin erfolgte die Heilung…

 

„Keinen Menschen“, das war da auch meine Stimmung. Ja, ich fühle mich im Moment ziemlich alleine und das, obwohl ich mitten unter Tausenden bin. Ich freue mich auf die Rückkehr nach Hause…

 

Andererseits genoss ich diese Ruhe auch. Es war eine richtige Insel im Gewühl der Stadt. Das Gelände hat übrigens ein osmanischer Sultan Napoleon III als Dank für dessen Unterstützung in einem Krieg geschenkt und so weht über dem First der Kirche die Trikolore. Außer  einem Kreuz und drei, vier Ikonen hat die Kirche sonst überhaupt kein Schmuck. „Nackter Gebetsbunker“ hätte ich sie noch vor einigen Wochen genannt, aber jetzt wirkte sie sehr wohltuend auf mich.

„Aus Ton formt der Töpfer den Topf – wo nichts ist, liegt der Nutzen des Topfs…

Türen und Fenster höhlen das Haus – wo nichts ist, liegt der  Nutzen des Hauses

So bringst Seiendes Gewinn, doch Nicht-seiendes Nutzen“

sagt LaoTse, ein buddhistischer Gelehrter.

Dieser Nicht-Schmuck erschloss mir den Kirchenraum auf ganz neue Weise…

In der Grabeskirche: Der Ort, an dem der Leichnam Jesus nach der Kreuzabnahme abgelegt wurde
In der Grabeskirche: Der Ort, an dem der Leichnam Jesus nach der Kreuzabnahme abgelegt wurde

Ich habe diesen Spruch in einem Buch von Hubertus Halbfas gefunden, einem katholischen Theologen und habe ihn in einem Firmkurs eingesetzt  - mit beeindruckenden Ergebnissen.

 

Weiter ging es nach Gethsemane. Und  auch dort war der Besucherandrang erträglich. Der Garten ist mit Blumen und Olivenbäumen bepflanzt, von Letzteren sollen einige über 1000 Jahr alt sein und die Tradition bezeichnet sie als stumme Zeugen der Todesangst Jesu. Es war sehr beeindruckend, durch diesen Garten zu gehen.

 

Die benachbarte Kirche war sehr dunkel gehalten, kaum Tageslicht gelangt durch die Fenster in ihr Inneres und so fängt sie die Stimmung des damals Geschehenen gut ein. Vor dem Altar ist ein Felsen zusehen, auf dem Jesus damals „Blut geschwitzt“ habe.Egal, ob das stimmt ,oder nicht, es macht anschaulich, wie wichtig es ist, jemanden zu haben, auf den man sich „felsenfest“ verlassen kann. Und für Jesus war das sein Vertrauen in Gott…

Die dunkle Kirche in Gethsemane
Die dunkle Kirche in Gethsemane

Auf dem Rückweg wollte ich mir die Altstadt nicht noch einmal antuen und so ging ich außen um die Stadtmauer herum, wurde jedoch rückfällig, als ich am Herodestor vorbei kam und schlenderte dann durch die engen Gassen des muslimischen Viertels. Ich traf genau an der Stelle auf die Via Dolorosa, an der das „österreichische Hospiz“ liegt, eine Pilgerunterkunft, die auch einen richtigen Biergarten hat, in dem man von „Original-Österreichern“ bedient wird. Dort bestellte ich mit ein Weißbier und genoss es sehr. Morgen um 11.00 Uhr ist dort Messe. Ich nehme mir vor, hinzugehen. Sie ist sogar auf Deutsch…

 

Der Sonntag ist hier in Israel  ganz normaler Werktag und morgen Nachmittag will ich ein Fahrradgeschäft besuchen, in dem ich hoffentlich einen Fahrradkarton bekommen kann, in dem ich mein Fahrrad für den Rückflug verpacken kann. So langsam wird die Rückkehr ins „normale Leben“ konkreter.

 

Aber zuerst kommt morgen Nacht der Aufenthalt in der Grabeskirche. Ich freue mich sehr darauf.

Enge Gassen in der Altstadt
Enge Gassen in der Altstadt

Am Ziel - 20. Mai 2022

Ich sitze hier in Jerusalem auf der Dachterrasse des Hostels und habe die Mauer der Altstadt direkt vor mir. Es ist ein schönes Gefühl, endlich hier zu sein, nach acht intensiven und auch anstrengenden Wochen…

 

Gegen 8.30 Uhr habe ich mich auf den Weg gemacht und Jericho auf dem Rad verlassen. 7,6, Km waren es laut Navi bis zur Nationalstraße 1, die aus dem Jordantal herauskommt und nach Jerusalem und Tel Aviv führt. Jericho ist für Israelis ja eine Sperrzone und so ist die Stadt auch vom israelischen Bussystem abgeschnitten. Aber Almod, ein sehr kleines Beduinendorf, das nur wenige 100m Richtung Jordan liegt, dieses Kaff hat eine Bushaltestelle. Oft treibt der Nahostkonflikt wirklich komische Blüten.

Der Pilger vor der Skyline
Der Pilger vor der Skyline

Wie dem auch sei: Gerade war ich an der Bushaltestelle angekommen, da kam auch schon „mein“ Bus. Ich  schob das Rad in den Gepäckraum und machte  es mir drinnen bequem. Und es kribbelte im Bauch. Heute morgen hatte ich noch den 122. Psalm gebetet: Wie freute ich mich, als man mir sagte: Zum Haus des Herrn wollen wir pilgern…

 

Ja, und dieses Ziel lag nun vor mir. Ursprünglich hatte ich vor, über den Ölberg in die Stadt einzuziehen, wie weiland Jesus am Palmsonntag, aber der Bus brachte  mich direkt zum zentralen Busbahnhof, wo ich mich erst mal auf eine Bank setzte und die Stadt in mich einatmete. Viele, ganz unterschiedliche Menschen liefen an mir vorbei: Ganz Normale und auch Juden in der Kleidung ihrer religiösen Gruppe, oder Männer, die einfach nur ihre Kippa aufhatten oder auch Soldaen und Soldatinnen, die auf ihrem Weg in das Wochenende (morgen ist Sabbat) waren, und die ihre Machinenpistole genau so selbstverständlich trugen wie andere ihre Aktentasche. Dann setzte ich mein Rad in Bewegung und nach 4 Km hatte ich mein Hostel direkt vor der Tür zur Altstadt erreicht.

 

Auf dem Zimmer stehen 8 Betten und eines davon war mit Erik belegt, einem Mennoniten aus Kanada,  der mich direkt ansprach und mir sofort sympathisch war. Ich sagte ihm, dass ich zuerst zum Ölberg wollte und von der Kapelle „Dominus flevit die Stadt begrüßen wöllte. Er begleitete mich und wir gingen aber um die Altstadt herum und dann den steilen Weg zur Kapelle hoch.

Jüdisches Gräberfeld auf dem Ölberg. Die Gräber sind auf den (ehemaligen) Tempel ausgerichtet, damit die Verstorbenen die Ankunft des Messias mitbekommen.
Jüdisches Gräberfeld auf dem Ölberg. Die Gräber sind auf den (ehemaligen) Tempel ausgerichtet, damit die Verstorbenen die Ankunft des Messias mitbekommen.

Hier hatte ich vor 10 Jahren auch schon mit meinem Sohn Manuel oft gesessen und den Blick auf die Stadt genossen. Und auch dieses Gefühl stellte sich wieder ein. Die Al Aksa-Moschee mit ihrer goldenen Kuppel dominiert die Skyline, und dort war gerade Freitagsgebet und die Predigt wurde mit Außenlautsprechern übertragen und schallte zu uns hinüber. Ich denke, dass  dieser Ort ein Brennpunkt der Weltgeschichte ist. Hier, auf dem Roten Platz in Moskau, dem Weißen Haus in Washington und auf dem Platz des himmlische Friedens in Peking  wird die Entscheidung über Krieg und Frieden fallen.

 

Ich machte ein Foto, das ich dann bei WhatsApp postete: Ich bin angekommen. Erik wollte noch weiter den Ölberg hinauf und ich lief nachdenklich in die Altstadt hinein. Je länger ich unterwegs war, desto müder wurde ich. Das lag aber nicht daran, dass der Weg so anstrengend war, sondern eher daran, dass ich am Ziel war und der Druck langsam von mir abfiel. Die Altstadt  war brechend voll. Die Gläubigen strömten zu Tausenden nach dem Freitagsgebet nach Hause. In einer Nebenstraße fand ich ein Restaurant und aß eine Pizza. Danach genehmigte ich mir einen Mittagschlaf. Auf der Dachterasse traf ich dann Erik wieder und wir unterhielten uns lange über unseren Glauben. Die Mennoniten sind nicht nur radikale Pazifisten, sondern sie nehmen die Bibel auch sehr wirtlich. Es war ein wirkliches Gespräch unter Brüdern.

In der Kirche liegt angeblich die Muttergottes begraben.
In der Kirche liegt angeblich die Muttergottes begraben.

Erik hatte in Erfahrung gebracht, dass vor der Klagemauer der Sabbat „eingeläutet“ wird und so machten wir uns noch einmal auf den Weg dorthin. Direkt an der Mauer war ein Bereich für männliche Juden, daneben, aber abgetrennt davon, der Bereich für jüdische Frauen und im hinteren Bereich staunten die Touristen über das, was sich dort ereignete. Es waren Juden da, die inbrünstig beteten, andere sangen, klatschten und tanzten zu Sabbatliedern. Es war wirklich eine ausgelassene fromme Stimmung auf diesem Patz. Ich glaube, in unseren Kirchen hätten wir schon lange um Ruhe und Andacht gebeten …

 

Der Sabbat scheint eine ungeheuer identitätsstiftende Wirkung zu haben. Wenn man sich vergegenwärtigt, dass die Juden nach einem Aufstand gegen die Römer ( ca 60 n.Chr) in alle Welt vertrieben worden sind, und auch noch ihr religiöses Zentrum, der Tempel komplett zerstört wurde, dann muss man sich schon beeindruckt fragen, wie sie es schaffen konnten, als Kultur und Religion zu überleben und sich nicht der jeweiligen Kultur ihrer neuen Heimat anzupassen.

Blick zurück auf die Kapelle "Dominus Flevit"
Blick zurück auf die Kapelle "Dominus Flevit"

Ein starker Glaube und beeindruckende Rituale haben sicher dazu beigetragen und machten gleichzeitig auch die Tragik dieser Gruppe aus, die gerade unter uns Christen sehr zu leiden hatte.

 

Gleichzeitig bemerkte ich aber auch die Müdigkeit, die mich den ganzen Tag über begleitete hatte. Deshalb machte ich mich auf den Weg zum Hostel zurück, aß mir unterwegs noch ein Sandwich und beende nun diesen Bericht.

 

Ich glaube, heute Nacht werde ich schlafen wie ein Stein – morgen mehr!

 

Sabbatfeier vor der Klagemauern
Sabbatfeier vor der Klagemauern

Höhlenkloster - 19. Mai 2022

Heute ist mein letzter Tag in Jericho. Morgen um diese Zeit will ich schon in Jerusalem sein. Also galt es zu entscheiden, was ich hier noch sehen will. Als erstes entschied ich mich dafür, mit der Seilbahn auf den „Berg der Versuchung“ zu fahren. Das ist der Ort, an den sich Jesus nach den Evangelien nach seiner Taufe durch Johannes den Täufer zurückgezogen hat. Sollte dieser Berg wirklich in Jericho sein, dann spricht das für die These, dass in Kinneret nicht der Taufort Jesu lag, sondern hier, nahe dem Toten Meer und nahe Qumran, dem Wohnort der Essener, denen Johannes wohl angehört hat.

Erkennt ihr das Kloster am Berg?
Erkennt ihr das Kloster am Berg?

Die Gondelfahrt selbst war atemberaubend und führte aus der Stadt heraus auf ungefähr 250 Meter Höhe. Oben, an der „Bergstation“ gab es nur noch Fels und Geröll – und ein Restaurant, sowie einige Andenkenverkäufer. Ein langer Weg führte von dort aus zu einem Kloster der griechisch-orthodoxen Kirche. Teilweise war man dort komplett der Sonne ausgeliefert und obwohl es erst 10 Uhr war, knallte sie erbarmungslos.

 

Das Kloster war beeindruckend schön. Es „klebte“ praktisch am Fels. Wie man das bautechnisch hinbekommt, ist mir ein Rätsel. Im Kloster gab es einen Flur, der etwa 1 Meter breit war, dann folgten die Zellen der Mönche – geschätzt etwa 2,5 M breit, und dann ging es über 100 Meter in die Tiefe. Zur Gründungszeit gab es diese Bauten natürlich noch nicht, aber von der Seilbahn aus konnte man sehen, dass das Felsmassiv viele Höhlen hatte. Das waren die ersten „Zimmer“ der Mönche…

Der Stein der Versuchung
Der Stein der Versuchung

In der Klosteranlage selbst gab es auch einige dieser Höhlen. Sie waren jetzt mit Ikonen und Kerzen ausgestattet und dienen als Gebetsräume – sehr beeindruckend.

 

Ach ja, am Eingang zum Kloster wurde ich zuerst abgewiesen, weil ich keine lange Hose trug. Aber weil ich sowas schon geahnt hatte, konnte ich die Hosenbeine aus meinem Rucksack holen und per Reißverschluss mit der Hose verbinden – und schon war ich einlassberechtigt.

 

Ich habe viel Zeit in den „Gebetshöhlen“ zugebracht und über die Frage nachgedacht, was die Menschen früher wohl getrieben hat hierher zu gehen. Fast zwangsläufig kam ich auf das Evangelium von der Versuchung Jesu. Die erste Versuchung war, aus Steinen Brot zu machen. Dagegen entschied sich Jesus mit den Worten: Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von jedem Wort, das aus Gottes Mund kommt – also hungrig zu bleiben nach dem Wort Gottes.

Erste Wohnungen der Mönche
Erste Wohnungen der Mönche

Die zweite bestand darin sich vom Dach des Tempels in die Tiefe zu stürzen „denn er befiehlt seinen Engeln, dich zu behüten auf all deinen Wegen…“, wie es in einem Psalm heißt. Also übersetzt, nicht durch Zauberkunststücke die Menschen auf seine Seite zu ziehen, sondern einfach durch die Art, wie man ist – und notfalls auch gegen den Strich zu bürsten, was ihn ja bekanntlich später ans Kreuz brachte. Die dritte Versuchung waren alle Reichtümer der Welt, die ihm gehören sollten, wenn er sich vor dem Teufel niederwirft und ihn anbetet. Auch dagegen entschied er sich und blieb dadurch innerlich frei und unabhängig.

 

Vielleicht bestand die Motivation der ersten Mönche einfach darin, IHM ähnlich zu werden – sehr beeindruckend. Umso mehr, wenn man bedenkt, dass jeder Schluck Wasser, jedes Nahrungsmittel mühsam auf den Berg geschleppt werden musste.

Erste Wohnungen der Mönche
Erste Wohnungen der Mönche

Zum Schluss schaute ich mir noch die Kirche an – eher eine größere Kapelle. Sie hatte, wie die anderen orthodoxen Kirchen auch, viele Ikonen, war aber längst nicht so prächtig.

 

Aufsicht führte übrigens ein etwa 70 Jahre alter Mann, der früher einmal in Nürnberg gearbeitet hatte und jetzt hier freiwillig Dienst tat. Er sagte mir auch, dass es nicht gestattet sei, in der Kirche zu fotografieren. Ich konnte es mir aber in einem unbeobachteten Moment nicht verkneifen, ein paar Aufnahmen zu machen, u.a. von einem der Steine, die Jesus angeblich zu Brot machen sollte.

 

Sehr bewegt verließ ich die Klosteranlage und fuhr mit der Gondel in die Stadt zurück. Und weil es in der Sonne kaum auszuhalten war, machte ich in meiner Unterkunft eine längere Mittagspause.

Erste Wohnungen der Mönche
Erste Wohnungen der Mönche

Anschließend setzte ich mich noch mal aufs Rad und fuhr einige Punkte in der Stadt an. Unter anderem besuchte ich zwei Moscheen und stellte sofort fest, dass diese längst nicht so schön waren, wie in der Türkei. Dort aber kümmert sich der Staat um den Erhalt und die Türkei ist auch wesentlich wohlhabender als die Palästinensergebiete.

 

In einer Moschee fand ich jemanden in der Nähe der Gebetsnische auf dem Teppich liegen und schlafen: Den Seinen gibts Allah im Schlafe… musste ich schmunzelnd denken.

 

Eine weitere orthodoxe Kirche stand noch auf meinem Programm und direkt Gegenüber betrieben die Franziskaner eine Schule für Jungen und nebenan die Franziskanerinnen eine für Mädchen. Dass sich die katholische Kirche vor allem im Bereich der Bildung engagiert, wusste ich schon aus Tansania und beeindruckt mich immer wieder. Bildung ist der Schlüssel. Leider war das Gelände für mich nicht zugänglich.

Erste Wohnungen der Mönche
Erste Wohnungen der Mönche

Als Abschluss ging ich in Russische Museum von Jericho. Es war im Jahre 2010 auf Geheiß des damaligen Präsidenten Medwedjew gebaut worden und präsentierte die Präsenz der russisch-orthodoxen Kirche im Heiligen Land. Auf dem Gelände soll auch der Maulbeerfeigenbaum stehen, auf den Zachäus stieg, um Jesus sehen zu können und den Jesus von dort herunterlockte mit den Worten: Heute noch muss ich bei dir zu Gast sein. Zachäus war ja Zöllner und die waren so beliebt wie Zahnschmerzen und trotzdem sagt Jesus: Heute MUSS ich... Vielleicht sagte er es ja auch gerade deswegen…

Die Franziskanerschule
Die Franziskanerschule

Ich kaufte dann noch Lebensmittel ein und fuhr in die Unterkunft zurück.

 

Morgen geht es also nach Jerusalem. Ich habe mich jetzt endgültig entschieden, mit dem Bus aus dem Jordantal hinaufzufahren und nur die letzten Km auf dem Rad unterwegs zu sein. Auf den 15 Km sind fast 800 Höhenmeter Steigung zu bewältigen – und das bei der Hitze! Das traue ich mir nach den Erfahrungen der letzten Tage nicht zu.

 

Und dann bin ich am Ziel meiner Pilgerreise angekommen. Es fühlt sich immer noch unwirklich an…

Der Maulbeerfeigenbaum, auf den Zachäus stieg
Der Maulbeerfeigenbaum, auf den Zachäus stieg
Das russische Museum
Das russische Museum

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Gestern Abend, kurz nachdem ich meinen Bericht gepostet hatte, konnte ich noch ein Naturschauspiel beobachten: Hinter den Golan-Höhen ging der Vollmond auf! Es war fantastisch. Zwischen dem ersten Ahnen und dem letzten Bild, wo er Schatten auf den See warf, vergingen gerade mal 10 Minuten. – Toll!

Mondaufgang über den Golan-Höhen
Mondaufgang über den Golan-Höhen
Mondaufgang über den Golan-Höhen
Mondaufgang über den Golan-Höhen
Mondaufgang über den Golan-Höhen
Mondaufgang über den Golan-Höhen
Mondaufgang über den Golan-Höhen
Mondaufgang über den Golan-Höhen

Sehr zufrieden ging ich schlafen und wurde heute morgen gegen 6.00 Uhr wach. Das war auch gut so, denn ich wollte heute früh auf die Straße, um der Sonne wenigstens ein kleines Stück zu entgehen.

 

Gegen 8.00 Uhr hatte ich meinen Drahtesel beladen und gab ihm die Sporen. Nach etwa 10 Km war ich an der Stelle angekommen, wo der Jordan den See verlässt. Leider gab es von der Straße keinen Zugang zu dieser Stelle. Aber direkt nebenan war die Stelle, an der angeblich Johannes der Täufer Jesus getauft haben soll. Ich halte das für eher unwahrscheinlich, denn Johannes hat mit großer Wahrscheinlichkeit in Qumran gelebt, ganz nah am Toten Meer und im Evangelium wird auch berichtet, das viele Menschen  aus Jerusalem zu ihm kamen und Jerusalem liegt von Kinneret, so heißt der Ort, noch ca 150 Km entfernt. Wie dem auch sei. Hier in Kinneret wurde und wird getauft. Ein Teil des Jordan wurde dafür mit Geländern abgetrennt und ich wurde auch Zeuge, wie eine Frau getauft wurde. Das geschah durch Untertauchen. Die  Taufe des Johannes hatte eine andere Bedeutung. Sie war Ausdruck einer inneren Reinigung und die Bereitschaft, den Messias zu erwarten.

Der Jordan,kurz hinter seinem Ausfluss aus dem See
Der Jordan,kurz hinter seinem Ausfluss aus dem See

In der frühen Kirche wurde die Taufe sehr schnell auf Tod und Auferstehung Jesu hin gedeutet. Nach drei Jahren Vorbereitung fand sie entweder in einem Fluss oder einem See statt. Der Täufling wurde gefragt: Glaubst du an Gott, den allmächtigen Vater, den Schöpfer des Himmels und der Erde? Er antwortete: Ich glaube! Und dann wurde er unter Wasser getaucht. Die zweite Frage: Glaubst du an Jesus Christus, seinen Sohn, unseren Herrn? Wieder: Ich glaube. Und wieder untertauchen und hoch kommen. Die dritte Frage: Glaubst du an den Heiligen Geist und die heilige Kirche? Ich glaube! Und wieder untertauchen und hochkommen. Die Bedeutung der christlichen Taufe hat sich also vom Symbol für innere Reinheit zu einem Symbol für Sterben und Auferstehen gewandelt. Im Römerbrief schreibt Paulus: Wisst ihr nicht, dass wir, die wir auf Jesus Christus getauft sind, auf seinen Tod getauft sind?

 

Unsere heutige Kindertaufe mit dreimaligem Übergießen mit Taufwasser nähert sich von der Handlung wieder der Taufe des Johannes an…

Taufe im Jordan
Taufe im Jordan

Natürlich gab es in Kinneret, wie an vielen anderen Wallfahrtsorten jede Menge mehr oder weniger geschmackvolle Devotionalien zu kaufen. So ein Gelände zu unterhalten, kostet eben auch eine Menge Geld.

 

Nachdenklich verließ ich Kinneret und machte mich auf den schönsten Teil meiner Tour, der etwa 10 Km lang direkt am Jordan, und nicht an der Nationalstraße vorbeiführte. Aber schon jetzt machte sich die Sonne sehr unangenehm bemerkbar. Ich schätze, dass gegen Mittag so um die 40 Grad herrschten. Ich schwitzte aus allen Poren und merkte auch, wie die Sonne Kraftreserven aus dem Körper heraussog. 15 Km ging es dann wieder an der Nationalstraße entlang, wobei ich alle 5Km Pause machte und mich in den Schatten setzte. Gegen 12.00 h erreichte ich Beit Shenan. Von hieraus wollte ich den Bus nach Jericho nehmen. Etwa eine Stunde musste ich warten und dann ging es KLIMATISIERT weiter, aber ich hing ziemlich müde und kaputt in meinem Sessel.

Radweg längs des Jordan
Radweg längs des Jordan

Jericho liegt in den Palästinsergebieten und deshalb hat es auch keine Bushaltestelle, die von israelischen Buslinien angefahren werden. Etwa 6 Km vor der Stadt war eine günstige Haltestelle, um weiter zu radeln und inzwischen hatte ich auch einiges an Kraft zurückgewonnen, so dass ich diese Strecke recht leicht machen konnte.

 

Bei der Einfahrt in die Stadt entdeckte ich ein Schild, dass das Betreten der Stadt für Staatsbürger Israels verboten sei – durch die israelische Regierung! Der Nahost-Konflikt ist an jeder Ecke zu spüren…

 

Meine Unterkunft hieß La Luna Bed and Breakfast und so hatte ich mich auf eine Hotel eingestellt, aber das fand ich an der ganzen Kamal Nasser Street nicht. Stattdessen lag da ein Gästehaus der rumänisch orthodoxen Kirche. Dort, sagte mir ein Kiosk-Besitzer, solle ich es noch mal versuchen. Der Priester empfing mich freundlich, bot mir Kaffee und Kuchen an und bedauerte, mir kein Zimmer anbieten zu können. Während der Corona-Pandemie hatten alle Hotels und Gästehäuser in Israel und Palästina kompletten Lockdown und die Beherbergungslizenz hätten sie bisher nicht zurückbekommen.

 

Wir redeten ein wenig über meine Pilgerreise und ich fragte nach dem WLan-Zugang um vielleicht darüber mit meiner Unterkunft Kontakt aufzunehmen. Mein Gastgeber hatte sich schon per WhatsApp an mich gewandt und so konnte ich ihn anrufen. Es war ganz in der Nähe, aber eben kein Hotel, sondern ein Privatanbieter. Bevor ich mich verabschiedete, zeigte mir der Priester noch seine Kirche. Er schloss die  Tür auf, und ich betrat wirklich eine andere Welt. Ihr merkt: Ich bin auf meiner Reise ein Fan der orthodoxen Kirchen geworden…

Blütenpracht am Weg
Blütenpracht am Weg

Mein Vermieter scheint sehr wohlhabend zu sein. Er und seine Familie bewohnen ein großes Haus und seine großzügige Garage hat er zu einem Apartment umgebaut – sehr schön eingerichtet und mit einer Klimaanlage! Hier ist es gut sein!

 

Nach einer längeren Pause und einer Dusche machte ich mich noch auf den Weg in die Stadt, um sie ein wenig in Augenschein zu nehmen. Die City ist geprägt von vielen kleinen Läden. Einen wirklichen Supermarkt hatte ich nicht gefunden. Dennoch fand ich Brot, Aufschnitt und palästinensisches Bier, das ich mir gerade zu Gemüte führe. – Sie verstehen was vom Brauen!

 

Der große Kreisverkehr im Zentrum war als Park gestaltet und so wollte ich mich auf eine Bank setzen und ein wenig ausruhen. Da setzte sich Khalid zu mir und wir kamen ins Gespräch. Er war ungefähr so alt wie ich und schien ein weiser Mann zu sein. Er wollte mir unbedingt eine Cola ausgeben und wir kamen darüber ins Gespräch, wie wichtig der Friede gerade für die Menschen hier sei und wie fast unmöglich es ist, ihn gerade hier zu erreichen. Wenn ich ein Problem hier hätte, sollte ich mich unbedingt an ihn wenden. Wir wären doch Brüder und unter Brüdern hilft man sich. – Ein Stück dessen, was ich oft in der Türkei erlebt hatte, wurde wieder lebendig.

Jüdischer Friedhof. Die Gräber sind auf Jerusalem ausgerichtet
Jüdischer Friedhof. Die Gräber sind auf Jerusalem ausgerichtet

Morgen will ich mir die Stadt genauer ansehen. Es gibt hier Kirchen, in denen an Bartimäus und Zachäus erinnert wird, zwei beeindruckende Erzählungen aus dem neuen Testament.

 

Außerdem soll im Umkreis von Jericho der Berg der Versuchung Jesu liegen. Im Neuen Testament geht Jesus ja im Anschluss an seine Taufe durch Johannes in die Wüste, wo er vom Teufel in Versuchung geführt wird.

 

Im alten Testament wird erzählt, dass das Volk Israel nach seiner Flucht aus Ägypten die Mauern von Jericho mit Hörnerblasen zum Einsturz brachten. Bei Wikipedia habe ich allerdings gelesen, dass Jericho in der fraglichen Zeit gar nicht bewohnt war. Hintergrund dieser Erzählung ist wohl der, dass der Jordangraben recht häufig von Erdbeben heimgesucht wird, weil sich hier die arabische Platte an der afrikanischen Platte reibt, bzw die langsam auseinanderdriften. Dieser Graben reicht ziemlich weit. In Mozambik, Ruanda Burundi gibt es die sogenannten ostafrikanischen Seen, die auch Teil dieses Risses sind. Weiter geht es durch das  Rift Valley in Kenia durch den Pazifik und dann weiter durch das Jordan-Tal bis ans türkische Taurus-Gebirge. Irgendwann wird sich dieses Gebiet vom Festland lösen und wahrscheinlich eine große Insel im Pazifik sein…

Fast schon Wüste
Fast schon Wüste

Das Tote Meer, in das der Jordan mündet, liegt ja mehr als 200 Meter unter dem Meeresspiegel. An seinem Ende hat es eine Hügelkette, die verhindert, dass sich das Rote Meer in das Tote Meer ergießt. Und warum läuft das Tote Meer nicht über, wenn der Jordan darin mündet? Weil das Wasser hier durch die große Hitze verdunstet – und weil die Anrainerstaaten, Israel und Jordanien dem Jordan soviel Wasser für ihre Landwirtschaft entnehmen, dass das Tote Meer immer kleiner wird. Angeblich prüft die israelische Regierung Möglichkeiten, um Wasser aus dem Roten Meer ins Tote Meer zu pumpen, um dessen Austrocknung zu verhindern. Es ist immerhin – auch – eine Touristenattraktion…

 

Heute waren es gefühlt, sicher 40 Grad auf meiner Radtour und ich habe ganz fein gelitten. Deshalb überlege ich, ob ich nicht übermorgen den Bus nehme, um auf dem Weg nach Jerusalem aus dem Jordantal herauszukommen. Oben angekommen werde ich aber auf jeden Fall nach Jerusalem hineinradeln. Ich freue mich sehr darauf, nach mehr als 2.500 KM dort anzukommen. Mal sehen.

Die rumänische Kirche in Jericho
Die rumänische Kirche in Jericho

Kafarnaum - 17. Mai 2022

Wenn man seine Pläne macht, sollte man auch die Landkarten studieren. Diese alte Weisheit bestätigte sich bei mir heute morgen, als ich beim Frühstück den Tag plante. Wenn ich wirklich erst morgen Kafarnaum auf dem Weg Richtung Jericho besucht hätte, hätte ich einen riesigen Umweg gemacht und den See fast völlig umkreist. Die (Ruinen)stadt liegt nur drei Klometer von Tabgha entfernt und deshalb schmiss ich meine Planungen wieder über den Haufen.

John auf dem Jesus-TRail
John auf dem Jesus-TRail

Kafarnaum als Heimatstadt Jesu und vieler seiner Jünger wollte ich mir auf jeden Fall anschauen. Vielleicht klappte es dann ja nachmittags noch mit einer Bootsfahrt auf dem See.

 

Aber bevor ich losfuhr, machte ich noch eine andere, wichtige Entdeckung: Das Hostel hat eine Waschmaschine und dafür wurde es höchste Zeit. Ich hatte kaum noch saubere Wäsche… Jetzt ist alles wieder frisch und einigermaßen sauber, so dass es bis zum Rückflug reicht…

 

Kurz nach 10 war ich dann auf dem Weg und ich hatte sogar eine Straße entdeckt, die direkt am Strand aus der Stadt führte, so dass ich mir die erste Steigungsstrecke, die aus Tiberias herausführte, gespart habe. Ich kam gut voran und das, obwohl am Himmel im Gegensatz zu gestern kein Wölkchen zu sehen war und sie Sonne richtig knallte.

Gottesdienstort in Kafarnaum
Gottesdienstort in Kafarnaum

Kurz vor Tabgha ist noch mal eine ordentliche Steigung und vor dieser machte ich Pause. Da kam jemand aus einem Weg mit seinem Fahrrad angeschoben. Es war John, ein Engländer, der den Jesus-Trail machte, ein Wanderweg, der über ca 65 Km von Nazareth zum Berg der Seligpreisungen führt.

 

Er setzte sich zu mir und erzählte, dass er zur Zeit in Magdala ein Zimmer hätte. Über Magdala kamen wir sofort intensiv ins Gespräch. Er war genauso begeistert von der Kirche mit ihren Kapellen wie ich. Nur korrigierte er mich. Die Kellerkapelle war nicht das ehemalige Wohnhaus von Maria Magdalene, sondern eine der beiden Synagogen, die man bei Ausgrabungen gefunden hatte. Es war eine kurze, aber sehr nette Begegnung. Danke, John!

Das Haus des Petrus
Das Haus des Petrus

Auch ich machte mich wieder auf den Weg und war bald in „Capernaum“, wie es auf den Schildern hieß, angekommen. Es ist die wohl größte biblische Ausgrabungsstätte, die ich auf meinem Weg gesehen habe. Auch sie wird von Franziskanern betreut, die auf diese Stätten fast, von wenigen Ausnahmen abgesehen, ein Monopol haben.

 

Inmitten der Anlage steht eine noch recht junge, aber wie ich finde, nicht sehr gelungene Kirche. Sie ist über dem Haus errichtet, in dem Petrus gewohnt haven soll. Schon am Eingang der Anlage steht eine Petrus-Figur, die einem Fischer gleicht, der aber einen Bischofsstab in den Hand hat: Und dabei die Worte Jesu aus dem Evangelium Du bist Petrus der Fels, und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen. Ein starkes Wort, das die Kirche auch auf seine „Nachfolger“ übertragen hat und damit, finde ich, wird es schon recht schwierig….

 

Gestern bei der Kirche, die dem Primat des Petrus (also der Vorrangstellung) geweiht war, gab es einen anderen Schwerpunkt: Da war die entscheidende Frage: Liebst du mich? – Und auf die positive Antwort folgte der Auftrag: Weide meine Lämmer. Das muss die Qualifikation für die Leitung der Kirche sein: Ja, Herr, du weißt alles – du weißt auch, dass ich dich liebe…

Die alte Synagoge
Die alte Synagoge

Am besten erhalten ist die Synagoge der Stadt, von denen sogar noch Außenmauern stehen. Da ist Jesus und viele der Apostel am Sabbat hingegangen und hat den jüdischen Gottesdienst besucht. Ein Ort, wo die Vergangenheit be-greifbar wird.

 

Auf dem Gelände gibt es auch einige Stelleb, an denen Pilgergruppen Gottesdienst feiern können. An einem schattigen Plätzchen tat das eine französische Gruppe und ich setzte mich dazu, weil ich ja am vergangenen Sonntag damit beschäftigt war, mein Fahrrad aus dem Zoll herauszubekommen. Es war schön, dabei zu sein und die Blicke der Teilenehmer sagten mir, dass ich willkommen war. Zum Schluss hatte ich sogar die Ehre, das Gruppenfoto schießen zu dürfen. Danke für die Gastfreundschaft!

Stadtmauer mit Stadttor
Stadtmauer mit Stadttor

Die alte Stadt Kafarnaum war nicht sehr groß, etwa 500 Meter im Durchmesser. Umgeben war das Gelände von einer Mauer, mit einem Stadttor, ob sie noch original aus der Zeit Jesu stammt oder rekonstruiert worden ist, konnte ich nicht in Erfahrung bringen. Hier jedenfalls hat das Christentum nach Nazareth, seinen zweiten „Geburtsort“. Hier hat Jesus lange gelebt und von hier stammen viele seiner Jünger und Jüngerinnen. Dass aus so einem „Kaff“ eine Weltbewegung hervorgeht, hätte sich wohl niemand träumen lassen, außer Gott vielleicht….

 

Auf dem Gelände suchte ich nach einem Kiosk, weil ich Durst bekam. Weil ich aber nichts fand, machte ich auf dem Rückweg in Tabgha halt, wo ich so eine „ Quelle“ gestern entdeckt hatte. Die Rückfahrt war ziemlich anstrengend, weil die Sonne fast unerträglich knallte. Zurück in Tiberias machte ich erst einmal eine längere Pause und ging dann an das Seeufer, um abzuklären, wie die Chancen auf eine Bootsfahrt stehen. Ich fand auch schnell die Stelle, von wo aus abgefahren wird, aber die Fahrt sollte 300 Schekel, also etwa 80 Euro pro Boot kosten. Das war mir aber zu viel. So sprach ich drei Touristen an, die sich gerade ein Boot gemietet hatten und fragte, ob ich als vierter mit dazu kommen könnte. Sie waren einverstanden und 75 Schekel waren erträglich. Die drei kamen von den Philippinen und waren sehr nett. Unterwegs sangen sie Osterlieder.

Fahrt auf dem See
Fahrt auf dem See

Die Fahrt selbst war nicht besonders beeindruckend. Der Bootsführer machte gelangweilt seinen Job und fuhr mit uns eine halbe Stunde herum.

 

Ich versuchte wohl, mich an Bibelstellen zu erinnern, in denen Jesus mit seinen Jüngern auf dem See unterwegs war. Mir fiel auch einiges ein, aber sehr bewegend war es für mich nicht. Naja, auch eine Erfahrung.

 

Auf dem Rückweg ins Hostel kaufte ich noch Lebensmittel und mein „Abendbier“ holte die Wäsche von der Leine, packte schon einmal meine Satteltaschen für morgen und sah dem Tag bei Dunkelwerden zu.

Die alte Moschee in Tiberias
Die alte Moschee in Tiberias

Morgen werde ich Tiberias und den See verlassen. An der Stelle, wo der Jordan aus dem See herausfließt, ist eine frühchristliche Taufstelle, die ich mir anschauen will. Normalerweise wird das Taufwasser ja eigens geweiht, nur bei Jordan-Wasser ist das nicht nötig. Mein Sohn Johannes, der übermorgen Geburtstag feiert, ist mit Jordan-Wasser getauft. Es scheint wirklich gut gewirkt zu haben.

 

Dann kann ich eine ganze Strecke direkt am Fluss entlang radeln, bis es dann über die Nationalstraße nach Beit Shean geht, von wo aus ich den Bus nach Jericho nehmen werde.

 

Mal sehen, ob alles so klappt, wie ich es mir vorstelle….

 

Die Golan-Höhen in der Abendsonne
Die Golan-Höhen in der Abendsonne

Wieder im Pilgermodus - 16. Mai 2022

Die Übernachtung im Hostel war viel besser, als ich befürchtet hatte. Gegen Mitternacht bin ich wohl aufgewacht, weil mein Nachbar irgendwas zwischen schwer atmen du schnarchen machte, aber nachdem ich ihn kräftig angestoßen hatte, war alle gut. Um 7.30h erst (!) wurde ich wach und hatte den  Eindruck, mich gut erholt zu haben.

 

Heute wollte ich die Gegend am See erkunden. Von meinem letzten Besuch in 2011 war mir noch sehr intensiv Tabgha in Erinnerung, der Ort der Brotvermehrung. Ganz in der Nähe liegt auch Kafarnaum, in der Jesus als erwachsener Mann gelebt hat und auch viele seiner Jünger kamen.

 

Gegen 10.00h machte ich mich mit meinem Rad auf den Weg, nur knapp 15 Km sollten es werden und gegen 11.00h erreichte ich Tabgha. Bei  meiner letzten Reise hatte ich dort Jeremias Marseille getroffen, einen Studienkollegen aus Paderborn, der Benediktiner geworden war und damals in Tabgha „stationiert“ war. Als Manuel und ich in der Kirche waren, zeigte Jeremias einem koptischen Priester die Kirche, der dort zum Gebet niederkniete. Ein asiatischer Tourist wollte die Szene filmen und als Jeremias das bemerkte, ging er sehr intensiv dazwischen und dabei trafen sich unsere Blicke. Wir begrüßten uns kurz und herzlich und weil er nicht viel Zeit hatte, schenkte er uns einen kleinen Kieselstein vom See. Dieser hat noch heute einen Ehrenplatz bei mir. Diese Begegnung war wie ein kurzer Blitz und ungeheuer herzlich.

Der Kreuzgang der Kirche in Tabgha
Der Kreuzgang der Kirche in Tabgha

Ich ging in die Kirche hinein und sie wirkte fast wie eine Moschee auf mich: Ein großer weiter Raum mit ganz wenig Bestuhlung. Unter dem Altar war ein Stück Felsen, auf dem Jesus angeblich die 5 Brote und drei Fische abgelegt hatte. Ich konnte fast spüren dass dieser Ort etwas Heiliges ausstrahlt…

 

Ich holte mir dort auch einen Stempel für meinen Pilgerpass und fragte, ob ich am Mittagsgebet der Mönche teilnehmen dürfte.  Das sei kein Problem, sagte man mir, und ich genoss die 20 Minuten mit gregorianischem Gesang und der Stille.

Allerdings hatte ich vom letzten Mal in Erinnerung, dass man von hier  aus an das Seeufer gehen konnte, aber das war heute nicht möglich.

 

So verließ ich Tabgha und fand direkt nebenan die Primatskirche des Petrus. Diese Kirche war wesentlich älter als Tabgha, wird von Franziskanern betreut und grenzt direkt an den See. Ein polnischer Mönch „hielt Wache“ und ich redete kurz mit ihm, weil ich vorher festgestellt hatte, dass in der Kirche ein Gottesdienst gehalten wurde. Er erzählte mir,  dass das Mitglieder des neokatechumenalen Weges seien, die hier den Abschluss ihrer Einfürhungsphase in diesen Weg feierten. Sie kamen aus Triest.

Innenansicht der KLosterkirche
Innenansicht der KLosterkirche

Der Teil der Feier, den ich mitbekam, hat mich sehr beeindruckt: Es ging um die Bibelstelle im Johannes-Evangelium, wo der Auferstandene Petrus (nach dessen Verrat) dreimal fragt: Liebst du mich? und Petrus dies dreimal kleinlaut bestätigt. Der Priester stellte jedem einzelnen Mitglied der Gruppe diese Frage und sie antworteten mit den Worten des Petrus: Ja, Herr, du weißt, dass ich dich liebe… Weide meine Lämmer, weide meine Schafe, war dann sein Auftrag an Petrus.

 

Vielen der Teilnehmer standen bei ihrer Antwort die Tränen in den Augen. In die Kirche war ein Felsen integriert, der aus dem See emporwuchs. Diesen küssten sie als Ausdruck ihrer Antwort und bezogen sich damit wohl auf die Aussage Jesu an Petrus: Du bist Petrus, der Fels, und auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen…

 

Ich habe diesen Felsen auch geküsst  und mit Papst Franziskus habe ich dabei, im Gegensatz tzu seinen beiden Vorgängern, auch keine Schwierigkeiten.

Innenansicht der "Primatskirche des Petrus"
Innenansicht der "Primatskirche des Petrus"

Dann habe ich mich lange ans Seeufer gesetzt und den Wellen zu gesehen. Es war eine sehr intensive Zeit.

 

Vier Km entfernt und etwa 100 Meter über dieser Kirche lag der Berg der „Seligpreisungen“. Der war mein nächstes Ziel. Mit den Seligpreisungen (Matthäus, 5,1-11) leitet Jesus seine Bergpredigt ein und sie waren in der Kirche in den Fenstern dargestellt.

 

Zum ersten Mal fiel mir auf, dass diejenigen, die selig gepriesen werden, auch nach heutigen Maßstäben zu den Verlierern gehören: Die „Armen im Geiste“, die Trauernden, die Gewaltlosen usw. Und die stellt Jesus seinen Jüngern als „Selige“ vor Augen, von denen man offensichtlich noch viel lernen kann…

 

Das stellt schon viel von meiner Sicht- und Lebensweise in Frage….

 

Auf dem Rückweg nach Tiberias wollte ich noch einen Stopp in Migdal machen, das aus dem Ort Magdala hervorgegangen ist und der wurde durch Maria Magdalena berühmt, eine Jüngerin Jesu. Ich dachte, ich würde dort auf Ausgrabungen treffen, aber der Besuch wurde zum Höhepunkt des Tages: Direkt neben des Ausgrabungen war eine moderne Pilgerunterkunft entstanden, die  sicher vier Sterne hatte und ich mir die weder leisten kann noch leisten will.

Hinter dem Hotel aber war ein modernes Kirchengebäude, das es in sich hatte. In der großen Kirche fiel sofort ein Schiff auf, das im Altarraum stand. In dieses Schiff waren Lesepult (Ambo), Altar und Tabernakel integriert. Ich staunte.

Außerdem hatte das Gebäude noch 5 kleinere Kapellen, 4 davon waren ebenerdig. Hinter dem Altar waren jeweils Gemälde angebracht, die von Evangelien erzählten die am See spielten. Z. B. der Seewandel des Petrus, die Jüngerberufung, die Begegnung des Auferstandenen mit Maria Magdalena und die Heilung der Tochter des Jairus.

Dann ging es noch in eine „Kellerkapelle“. Und die hat es mir besonders angetan: Zum einen, weil dies wohl eine frühkirchliche Kirche war, die Maria Magdalena gewidmet wurde und deren Fußboden und Sitzgelegenheiten noch aus der Zeit Jesu stammten und zum anderen das Gemälde dieser Kapelle: Im Lukas-Evangelium wird von einer Frau berichtet, die seit vielen Jahren an Blutungen litt und der kein Arzt helfen konnte. So drängelte sie sich durch die vielen Menschen hindurch, die Jesus standen, um wenigstens sein Gewand zu berühren. Im selben Moment wurde sie gesund und in der Bibel heißt es, das Jesus fragte: Wer hat mich berührt,weil er spürte, dass eine Kraft von ihm aus ging. Die Frau kam zitternd und voller Furcht zu ihm, und erzählte ihm die „ganze Wahrheit“. Ich habe mich oft gefragt, was diese „ganze Wahrheit“ wohl war, und was wohl meine „ganze Wahrheit“ ist…. Geh, dein Glaube hat dich geheilt, sagt ihr Jesus… Ihr findet das Foto von dem Gemälde im Anhang. Entdeckt ihr die Frau?

Außenansicht

Danach habe ich noch lange am Seeufer gesessen und vor mich hingeträumt. Der See entfaltet wirklich seine geistliche Kraft. Auf dem Rückweg kaufte ich mir noch zwei Dosen Bier für den Abend, kochte mir aber zuerst einen Kaffee und setzte mich auf die Dachterasse.

 

Dort traf ich Shimon, einen Tourguide aus Jerusalem, der mir von seinem heutigen Tag erzählte. Er gehört nicht zu denen, die Gruppen begleiten, die ich heute an „meinen“ Orten busweise gesehen habe…

Kirche auf dem Berg der Seligpreisungen
Kirche auf dem Berg der Seligpreisungen

In dieser Woche begleitet er ein brasilianisches Ehepaar, das alles andere als finanzielle Probleme hat. Aber so sagte er: Solche Leute sprechen kaum noch miteinander und seine Aufgabe besteht darin, zu einen die biblischen Orte zu erklären und zum anderen Beziehungen zu seinen Gästen aufzubauen und sie auch miteinander ins Gespräch zu bringen, so dass sie nachher sagen: Es waren auch für uns gute Tage.

 

Dafür nimmt er 800 Dollar am Tag, aber Geld spielt ja für seine Kunden keine Rolle.

 

Shimon hat gesagt, dass er Dienstag Zeit hätte, mir Jerusalem zu zeigen – kostenlos! Gern habe ich das Angebot angenommen.

Innenansicht der Kirche in Magdala
Innenansicht der Kirche in Magdala

Und so geht ein guter Tag zu Ende. Heute morgen habe ich noch gedacht, dass die Tage auf Zypern und in Haifa ein richtiger Bruch meines Pilgermodus gewesen sind.  Heute Abend merke ich, dass ich wieder in der Spur bin.

Schön!

Das Gemälde in der "Kellerkapelle": Entdecken Sie die Frau?

Zum See von Tiberias - 15. Mai 2022

Ich sitze hier auf der Dachterasse eines Hostels in Tiberias am See Genezareth und hätte hier einen schonen Blick auf den See - wenn es nicht dunkel wäre. Man merkt schon, wie weit südlich ich hier bin: Um 20.00h ist es stockdunkel. Aber ich habe mein Fahrrad wieder! Nach langem hin und her saß ich um 13.45h wieder im Sattel – ein tolles Gefühl! Endlich ist wieder Bewegung in meine Pilgerreise gekommen, wenn auch anders, als ich es mir vorgestellt hatte.

 

Um 8.00h saßen wir heute morgen bei Amnon und Anat am Frühstüvkstisch. Es war eine sehr vertraute Atmosphäre, die da in den drei Tagen gewachsen ist und wir verabschiedeten uns herzlich- verbunden mit einer Einladung zu uns, wenn sie das nächste Malin Deutschland sind.

Abschied von Amnon und Anat
Abschied von Amnon und Anat

Dann brachte mich Amnon in die Stadt und ich ging zu meinem Zollagenten. Der machte sich auf den Weg, um das Rad zu holen, aber ein Problem folgte auf das Nächste, so dass es sich bis 13.00 Uhr hinzog. Zwischendurch nahm ich Kontakt mit Markus auf, den ich am Donnerstag im Zoll getroffen und der mir von seinen Schwierigkeiten erzählt hatte, sein Auto zu bekommen. Das schien jetzt endgültig nicht möglich zu sein. Er will es nach Athen zurückschicken… Damit kann er auch nicht meine Batterie mit zurück nach Deutschland nehmen -hoffentlich ergibt sich eine andere Möglichkeit.

 

13.45h hatte ich also mein Rad zurück und mein Magen hing in den Kniekehlen. Ich ging also zuerst was essen und dabei beschloss ich, die heutige Etappe von ca 60 Km mit dem Bus zurückzulegen. Ich erkundigte mich nach dem Busbahnhof in Haifa und bekam drei verschiedene Auskünfte. Um 15.45h saß ich endlich – nach fast 30 Km in Haifa, im richtigen Bus und traf gegen 17.00 Uhr hier in Tiberias ein.

 

Ich habe mich für ein Hostel mit 8 Bett-Zimmer entschieden, weil die Hotels in Israel sehr teuer sind. Ich bin gespannt, wie die Nacht wird…

Erster Blick yuf den See Genezareth
Erster Blick yuf den See Genezareth

Der See Genezareth: Ich war mit meinem jüngsten Sohn Manuel im Jahre 2011 schon einmal hier. An diesem See spielte sich der größte Teil der Evangelien ab, wenn auch der Höhepunkt, Tod und Auferstehung sich in Jerusalem ereignete. Ich erinnere mich, dass es sehr bewegend für uns war, am Ufer des Sees entlang zu laufen. Diese Wege könnte auch ER gegangen sein: Bei der Brotvermehrung, bei der Jüngerberufung, bei der Stillung des Seesturmes und bei meinem Lieblings-Evangelium, seinem Gang auf dem Wasser. Ich bin gespannt, wie es jetzt wird…

 

Nachdem ich mein Bett bezogen hatte bin ich an das Ufer gefahren und habe den See wirken lassen. Erzählungen aus dem Evangelium und eigne Erinnerungen haben mich sehr still werden lassen. Es lagen Boote am Ufer, die wohl zu einer Fahrt über den See bereitlagen. Morgen werde ich mich erkundigen, wie man an eine solche Tour kommt..

Im Hintergrund: Die Golan-Höhen
Im Hintergrund: Die Golan-Höhen

Eine Wallfahrt ist immer auch eine Tour an die Wurzeln und immer weiter zurück führten mich die Stationen, die ich auf meinem Weg erreichte: Assisi mit Franziskus, Rom  mit Petrus und Paulus, Patras mit dem Apostel Andreas, Korinth. Athen, Thessalonik. Philippi wiederum mit Paulus, Ephesus und Pamukkale mit dem Evangelisten Philipps. Assos, Pergamon und Smyrna (Izmir) mit der Offenbarung des Johannes, Ephesus mit Paulus, Lystra uns Silifke mit der heiligen Thekla und jetzt bin ich bei Jesus selbst angekommen: Nazareth und der See Genezareth. Mal sehen, wieviel Saft ich aus diesen Wurzeln ziehen kann…

 

Drei Übernachtungen habe ich hier eingeplant. Ich will nach Tabgha, wo die Brotvermehrung stattfand, nach Kapernaum, Jesu Heimatstadt als erwachsener Mann, zum Berg der Seligpreisungen und nach Magdala, der Heimat von Marie Magdalena.

 

Aber erst einmal sitze ich hier und schreibe meine Gedanken nieder und es sind ganz eigentümliche Gedanken, die mich tief berühren.

Tolle Blütenpracht am Seeufer
Tolle Blütenpracht am Seeufer

Es weht übrigens ein starker, fast stürmischer Wind, so als ob ein Wetterumschwung bevorsteht.

 

Auf der anderen Seite des Sees liegen die Golan-Höhen, die eigentlich syrisches Staatsgebiet sind und die Israel annektieren will.. Das ist nachvollziehbar, denn wer auf den Golan-Höhen sitzt hat freies Schussfeld auf den See und seine Umgebung. Wieder ein dringliches Zeichen dafür, wie wichtig ein wirklicher Friede im Nahen Osten ist – und zugleich, wie weit entfernt man davon zurzeit noch ist.

 

Heute war Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen. Als ich losfuhr, konnte man noch keine Briefwahl beantragen und so ist diese Wahl die erste, seitdem ich erwachsen bin, an der ich nicht teilgenommen habe. Das Wahlergebnis entspricht meinen Wünschen. Schwarz-Grün halte ich persönlich für eine gute Perspektive. Erschreckend ist allerdings die geringe Wahlbeteiligung: Ob die Demokratie schleichend an Zustimmung verliert?

 

Morgen geht es also an die Wurzeln. Ich freue mich sehr darauf!

 

Vollmond über dem See

Haifa - 14. Mai 2022

Heute war der Tag, um Haifa und Umgebung zu erkunden. Heute morgen machte ich mich allein auf den Weg. Bis hinunter in die Stadt sind es etwa 200 Höhenmeter und es gab fast durchgehend einen Weg, der über Treppen hinunterführte. Ich kam direkt am Heiligtum der Bahai vorbei, einer relativ jungen Religion, die im letzten Jahrhundert im Iran entstanden ist, und die für sich beansprucht, alle Religionen der Welt zusammenzuführen.

 

Sie haben dort eine riesige Gartenanlage, die wunderschön gestaltet ist und in deren Mitte der Tempel steht, in dem der Gründer und seine Familienmitglieder beigesetzt sind. Die Gärten werden übrigens freiwillig von den Anhängern in Schuss gehalten und sind ungeheuer beeindruckend. Ihr findet zwei Fotos weiter unten.

Der Bahai-Tempel in Haifa
Der Bahai-Tempel in Haifa

Und weiter ging es bergab. Ich wollte mir die sogenannte „German Colony“ anschauen, die um 1870 von einer evangelikalen Sekte aus dem Süden Deutschlands gegründet wurde. Ihr Grund, nach Israel zu gehen, war die Überzeugung, dass, je mehr Christen dort leben, desto eher Christus wiederkommen würden zum Jüngsten Tag. Das mag man für spinnert halten, aber die etwa 400 Menschen gaben wichtige Impulse für die Entwicklung von Stadt und Umfeld. Zunächst betätigten sie sich in der Landwirtschaft und erzielten durch Dünger und bessere Anbaumethoden erheblich höhere Erträge als ihre einheimischen Kollegen. Später verlegten sie sich mehr auf den Aufbau der Industrie (wahrscheinlich waren es schwäbische Tüftler).

 

Selbst Kaiser Wilhelm kam auf Einladung seiner osmanischen Verbündeten nach Haifa und ehrte die Siedler. Bald aber kam es zur Spaltung der Gruppe und eine Hälfte schloss sich der preußischen Landeskirche an. Und auch im ersten Weltkrieg kämpften viele der Siedler auf Seiten der Deutschen und ihrer osmanischen Alliierten.

Häuser in der "German Colony"
Häuser in der "German Colony"

Nach dem 1. Weltkrieg wurde Palästina englisches Mandatsgebiet und die Siedler mussten für einige Jahre Haifa und andere Siedlungen verlassen, durften aber bald darauf zurückkehren.

 

In der Nazizeit hatten etwa 30 Prozent der Siedler das braune Parteibuch, was nach Ende des Krieges dazu führte, dass die Siedler zunächst in Internierungslager mussten und die meisten danach nach Australien in die Verbannung gingen. Dort gibt es diese Siedlungen, lt. Wikipedia noch heute. Einige der Häuser haben noch religiöse Segenssprüche über dem Hauseingang stehen, andere sind ziemlich verfallen. Aus der „German Colony“, wie sie auch heute noch heißt, ist jetzt ein angesagten Kneipenviertel entstanden…

Häuser in der "German Colony"

Ich musste daran denken, wie nahe oft Gutes (Entwicklung) und Schlechtes (NS Zeit) beieinander liegen, damals wie heute…

 

Nach einem Mittagessen haben mich Amnon und seine Partnerin aufgelesen und sind mit mir in die Umgebung Haifas gefahren, zunächst zu einem Freizeitgelände, wo er im nächsten Monat seinen 70. Geburtstag feiern will. Wir fuhren kilometerlang durch landwirtschaftlich genutztes Gelände. In Treibhäusern wuchsen dort Tomaten und unter luftdurchlässigen Gewebeplanen Bananen, die durch die Planen wohl gegen Vogelfraß geschützt wurden.  Der Platz war sehr nett und er sprach mit dem Besitzer über einen Generator, den er für die Stromversorgung benötigt.

 

Ansonsten plant er seine Feier sehr einfach: Jeder, der kommt, bringt zu Essen und zu Trinken mit, alles wird zu einem großen Büffet zusammengestellt, aus dem sich jeder bedienen kann – eine tolle Idee!

Häuser in der "German Colony"

Dann ging es weiter. Wir kamen durch einge Dörfer, in denen Drusen wohnten. Die Drusen sind aus dem Islam

herausgewachsen, lehnen aber den Koran und seine Deutungen ab und betonen lediglich das Bekenntnis von Gottes Einzigkeit, das alle gottesdienstlichen Handlungen überflüssig macht.

 

Weil sie schon bald zu den verfolgten Minderheiten gehörten, siedelten sie sich nur auf Bergrücken an, wahrscheinlich, um ihre Feinde schon von weitem sehen zu können. Sie stehen stramm an der Seite der israelischen Regierung, weil sie ihren Glauben respektiert und sie hier in Sicherheit leben können. Auch im libanesischen Bürgerkrieg kämpften sie an der Seite der Christen gegen die Muslime, weil sie sich vor der Verfolgung fürchten. Ähnliches ist im Syrien Assads zu beobachten.

 

In der Gegend von Haifa leben also Juden, Christen Bahai und Drusen friedlich zusammen – ein Vorbild für die Welt.

Zum Schluss führen wir noch auf den höchsten Punkt des Karmelgebirges. Dort hatte eine drusische Frau einen improvisierten Schnellimbiss aufgebaut und wir aßen zusammen. Sehr einfach, aber lecker. Zweimal flogen uns Teller weg, weil ein stürmischer Wind wehte…

Blick auf die Bananenplantagen
Blick auf die Bananenplantagen

Dort oben auf dem höchsten Punkt soll der alttestamentliche Prophet Eliah mit den Baalspriestern gekämpft haben. So hat er dazu beigetragen, dass sich der Jahweglaube in Israel durchgesetzt hat. Oben auf dem Berg haben übrigens die Karmeliter, eine Ordensgemeinschaft, ihr Hauptkloster. Leider konnten wir es nicht besichtigen.

 

Heute war (hoffentlich) mein letzter Tag in Haifa. Morgen früh geht’s zum Zoll und ich bekomme (hoffentlich) mein Fahrrad zurück. Wenn mein Zollagent sich auf den Weg macht, werde ich in ein Reisebüro gehen und meinen Rückflug buchen. Ich plane ihn für Dienstag, den 24. Mai. Ich buche den Flug nicht über das Internet, sondern gehe in das Reisebüro, um sicherzugehen, dass ich incl. Fahrrad heimkomme. Ich habe dann noch knapp 10 Tage für die Fahrt zum See Genezareth (drei Tage will ich dort bleiben) dann in zwei Etappen durch das Jordantal nach Jericho und von dort aus hoch nach Jerusalem und Bethlehem.

 

Ich glaube, ich bin froh, wenn morgen das Rad wieder rollt…

Ein drusisches Mahl

Nazareth - Haifa - 13. Mai 2022

Meine Gastgeber in Haifa sind sehr nette Menschen und kümmern sich sehr um mich. Gestern Abend haben sie mich sogar zum Essen eingeladen und später kam noch eine Nachbarin dazu, die sehr an meinen Motiven für meine Pilgerreise interessiert war. Dann sprachen wir noch lange über die politische Situation in Israel.

 

Amnon hat übrigens eine israelische Flagge vor dem Haus hängen. Er tue das deshalb, weil er den Rechten im Land dieses Symbol nicht überlassen will. Allerdings müsse eine neue Flagge her, wenn Israelis und Palästinenser wirklich zusammenfinden wollen. Der Davidsstern stehe eben für einen jüdischen Staat….

Krypta in der Verkündigungskirche mit Resten des Wohnhauses Jesu und seiner Famillie
Krypta in der Verkündigungskirche mit Resten des Wohnhauses Jesu und seiner Famillie

Gegen 10 fiel ich müde ins Bett und habe auch gut geschlafen. Der Ärger mit dem Zoll schien einigermaßen verflogen. Heute morgen brachte er mich zum Busbahnhof, von wo aus ich nach Nazareth fuhr. Das sollte eigentlich die nächste Station meiner Radtour sein.. Nach einer halben Stunde war ich da und besichtigte als erstes die Verkündigungsbasiliika. Das ist wirklich ein beeindruckender Bau. Als Krypta hat er eine Kapelle in deren Altarraum  Mauern aus der Zeit Jesu zu sehen sind. Angeblich soll hier schon im ersten Jahrhundert eine Art Wallfahrt zum Wohnort Jesu und seiner Familie entstanden sein.. Mich hat dieser Ort auf jeden Fall sehr beeindruckt. Man bekommt eine Vorstellung davon, wo und vielleicht auch wie Jesus groß geworden ist – und: Hier hat alles angefangen.

Die Synagogenkirche
Die Synagogenkirche

Man mag ja zu der Erzählung aus dem Lukas-Evangelium vom Engel der zu Maria kam und ihr die Schwangerschaft – ohne Mann – ankündigte stehen, wie man will. Ich persönlich glaube nicht buchstäblich daran. Ich gehe vielmehr davon aus, dass es so war: Die Menschen haben Jesus erlebt und ihn als wirklich einmaligen Menschen erlebt – und nach Worten gesucht, die beschreiben können, wer er ist. Und es ist ihnen nur „Sohn Gottes“ eingefallen, um auszudrücken, was sie meinen.

 

Und die Erzählung von der Verkündigung an Maria soll das unterstreichen.

 

Das war die untere Ebene der Verkündigungsbasilika. Darüber ist ein großer Gottesdienstraum, von wo aus auch ein Blick nach unten möglich ist und darüber ist noch eine dritte Ebene ebenfalls mit der Möglichkeit, Gottesdienste zu feiern

In der Kirche ist eine wunderschöne Darstellung Marias als junger temperamentvoller Frau, die mich sehr angesprochen hat. Und draußen sind Marienbilder aus den verschiedenen Kulturen der Welt abgebildet. Sehr beeindruckend.

Die Salesianerkirche von innen
Die Salesianerkirche von innen

Übrigens hat der heilige Josef auch eine Kirche auf dem Gelände, aber im Vergleich zur Basilika ist das mehr ein Kirchlein. Von Josef ist ja auch kein einziges Wort biblisch überliefert. Er ist mehr der Schweiger.

 

Ob das uns Männern in der Kirche nicht ein gutes Vorbild sein könnte?

 

Draußen war es heute fast unerträglich heiß. Als ich dann die Stadt besichtigte, habe ich mich über jedes Fleckchen Schatten gefreut.

Kirche und Schule von außen
Kirche und Schule von außen

Zwei Orte davon finde ich besonders erwähnenswert: Die griechisch orthodoxe Kirche hat aus den Ruinen einer Synagoge eine Kirche errichtet. Damit erinnert sie auf eine sehr gelungene Art und Weise daran, dass Jesus ja Jude gewesen ist und dass einige Stellen im Neuen Testament auch davon berichten dass er in die Synagoge gegangen ist und dort gepredigt hat. Die Kirche ist nicht wie sonst in der Orthodoxie mit Ikonen ausgemalt, sondern bewusst schlicht gehalten. Auf dem Altar steht das Kreuz und an der Wand hängt ein Bild, dass Jesus zeigt, wie er in der Synagoge seiner Geburtsstadt predigt. Mehr nicht. Auch hat sie keine Bestuhlung, was den Raum noch mehr wirken lässt.

Stella Maris
Stella Maris

Mehr als 150 Meter über der Stadt „thront“ die Salesianerkirche, die zugleich Pfarrkirche der Stadt ist. Ich bin in der Mittagshitze hochgestiegen und war ganz fein fertig, als ich oben angekommen war. Es  ist eine schöne, helle Kirche ohne viel Schmuck.

 

Die Salesianer Don Boscos kümmern sich ja um Jugendliche und so betreibt der männliche Teil des Ordens eine Schule für Jungen und der weibliche Teil eine Schule für Mädchen. Wem die Geschlechtertrennung fragwürdig erscheint, dem sei gesagt, dass die meisten der besten Naturwissenschaftlerinnen von reinen Mädchenschulen kommen. In koedukativen Schulen können sich viel leichter alte Rollenklischees wieder durchsetzen…

 

Dann ging ich wieder runter in die Stadt und wartete auf Amnon und seine Freundin, die mich abholen wollten. Ziemlich erschöpft saß ich in einem Straßenrestaurant und trank einen Kaffee.

Blick auf Haifa
Blick auf Haifa

Da kann eine Nachricht von Julie, die ankündigte, das sie die Nacht von Samstag auf Sonntag in der Grabeskirche in Jerusalem verbringen kann und Montag dann zurückfliegt.

 

Die Nachricht hat sehr komische Gefühle in mir ausgelöst, vor allem, weil ich hier in Haifa ja feststecke. Nicht dass es nicht schön ist bei den beiden wohnen zu dürfen, aber es geht nicht voran. Wie lange werde ich noch brauchen, um ans Ziel zu kommen? – Ich glaube, ich möchte endlich wieder unterwegs sein. Hoffentlich klappt es am Sonntag, dass ich es bis zum See Genezareth schaffe.

 

Morgen werde ich mir Haifa anschauen. Hier gibt es ja den Bahai-Tempel, eine deutsche Kolonie, die Altstadt und das Mittelmeer. Vielleicht packe ich mir ja auch meine Badesachen ein…

 

Als mich Amnon gestern abholte, hat er mich noch an einen wunderschönen Punkt in der Stadt gebracht, von wo aus man einen wunderbaren Blick auf Stadt und Meer hat. Dort steht übrigens auch eine Säule mit einer Marienfigur – Stella Maris genannt, Meerstern, einer der Titel Mariens. Ich schicke ein Bild davon mit.

Maria als temperamentvolle junge Frau
Maria als temperamentvolle junge Frau

Was für ein Sch.... Tag! - 12. Mai 2022

Ich schreibe aus Haifa und bin ziemlich geladen…

 

Aber der Reihe nach: Ich hatte eine gute Nacht und bin morgens von den Schwestern noch zum Frühstück eingeladen worden. Das war eines auf srilankische Art und ich fand es sehr lecker. Natürlich waren sie auch an meiner Pilgerreise interessiert. Besonders intensiv fragten sie nach meinen Erlebnissen in der Türkei, wobei sie natürlich die biblischen Orte am meisten interessierten.

 

Mein Interesse galt ihren Aufgaben hier und sie erzählten von der seelsorglichen Betreuung der Flüchtlinge hier, und wie sie versuchten, ihnen Heimat zu geben. Ich war sehr beeindruckt.

 

Ach ja, gestern Abend hat sich auch  noch etwas Interessantes ergeben: Beate rief an und sagte, dass sie in Haifa Bekannte hätte, von denen sie glaubte, dass sie mich gern für eine Nacht bei  sich aufnehmen würden. Begeistert sagte ich zu und in einer Stunde werde ich hier Amnon treffen, der hoffentlich zu einem versöhnlichen Tagesausklang seinen Teil beitragen wird.

 

Um 9.30h verabschiedete ich mich von den Schwestern, machte noch ein Foto von der Kindergartengruppe und ging zum Bahnhof, um  von dort aus mit der Bahn nach Haifa zu fahren.

 

Um kurz vor 12 war ich  da und fand auch schnell den Agenten von Salamis, der mir, so dachte ich, bei der Zollabfertigung meines Rades behilflich sein würde. Aber das war schon die erste Pleite. Das einzige, was sie machten, war der Ausdruck von 2 Blättern, mit denen sie mich zum Zoll schickten. Außerdem präsentierten sie mir eine Rechnung in Höhe von fast 800 Schekel. (1 Euro = 3,5 SCHEKEL) Dort, am Eingang gab es scharfe Sicherheitsvorkehrungen. Mein Taschenmesser musste ich am Eingang zurücklassen…

 

In der Eingangshalle überreichte ich meine Papiere und bekam 5 Minuten später die unfreundliche Auskunft, dass ich mir einen Zollagenten suchen müsse, der die Angelegenheit für mich erledigte. Dazu gaben sie mir ein Dokument auf hebräisch, mit dem ich aber nichts anfangen konnte. Nach viel Fragerei hatte ich endlich ein solches Büro gefunden.

Jetzt waren jede Menge Formulare auszufüllen, u.a. nach dem Wert des Rades.  Dafür hätte  ich auf jeden Fall Mehrwertsteuer zu bezahlen, die ich aber bei der Ausreise zurückbekäme…

 

Ins gesamt bezahlte ich dort  noch etwa 250 Euro (incl Steuer) und als diese Prozedur endlich abgeschlossen war, war es 10 nach drei…. – Das bedeutete, dass die Zollmitarbeiter im Hafen Feierabend hätten. Morgen sei Feiertag und Samstag Sabbat (=arbeitsfrei) ich soll am Sonntag kommen und bekäme mein Rad dann ausgehändigt.

Ihr könnt euch vorstellen, wie bedient ich war. Am Sonntag wollte ich  schon am See Genezareth sein und finde dann hoffentlich einen Bus, der mich zurück nach Haifa bringt und dann (hoffentlich) mit dem Rad zurück.

Wenn ich das nur geahnt hätte, hätte ich das Rad auf Zypern zurückgelassen und auf dem Weg nach Deutschland zurück im Flugzeug (ohne Batterie) mitgenommen.

 

Aber jetzt war alles zu spät- ich musste in den sauren Apfel beißen…

 

Ein Gutes hatte mein Besuch im Zollamt aber auch: Ich fand nur Leute, die stocksauer waren. Ein Schweizer wollte sein Motorrad aus dem Zoll holen und war völlig entnervt. Ein Stuttgarter wollte seinen Bruder in Haifa besuchen und war mit dem Auto gekommen, das er in Piräus (Griechenland) verschiffen ließ. Er war soweit, dass er sein Auto am Liebsten im Hafenbecken versenken wollte, weil er nicht dran kam. Im Auto waren nämlich alle Sachen, die er und seine Familie für den Urlaub in Israel brauchten…

 

Er erklärte sich aber bereit, meine Batterie im Auto mit nach Hause zu nehmen, so  dass ich sie nachher noch gebrauchen kann.

 

Ein LKW-Fahrer saß da, dem sie, nachdem alle Zollformalitäten erledigt waren, seinen LKW wegen einer Sicherheitsüberprüfung auseinander nahmen.

 

Wenn einer in Deutschland über Bürokratie klagt, dann muss er erst mal nach Israel kommen…

 

Noch etwas fiel mir auf.  Es sind hier sehr viele Soldatinnen und Soldaten auf den Straßen zu sehen. Nicht, dass sie dort feste Posten hätten, sondern viele sind einfach auch nur mit einem dicken Rucksack unterwegs und die meisten davon haben ein Maschinengewehr am Trageriemen umhängen. Zunächst ist das wirklich sehr befremdlich und angsteinflößend, aber es drückt auch wohl  die gefühlte Sicherheitslage hier aus und Israel ist eine sehr wehrhafte Demokratie – bei aller Fragwürdigkeit von Einzelmaßnahmen. Das Verhältnis von männlichen und weiblichen Soldaten war ziemlich ausgeglichen. Es gibt hier auch eine Wehrpflicht für Männer und Frauen. Und das Militär ist ein stark akzeptierter Teil der Gesellschaft.

Geschätzt tragen hier etwa 5 Prozent der Männer eine Kippa und weitere fünf Prozent bringen durch besondere Kleidung ihre Zugehörigkeit zu einer orthodoxen Gruppe im Judentum zum Ausdruck – die Orthodoxen Juden sind oft ein großes Problem, wenn es um die Aussöhnung zwischen Israelis und Palästinensern geht. Und wieder spielen Religionen keine rühmliche Rolle in der Befriedung dieser Gesellschaft.

 

Noch ein Wort zum Zoll: Auf dem Rückweg in die Stadt musste ich mir noch eine Garnitur Kleidung kaufen. Meine meisten Klamotten stecken noch in den Satteltaschen am Fahrrad. Ich dachte ja, heute hätte ich alles wieder.

Gleich in einer halben Stunde treffe ich Amnon. Ich freue mich auf ihn und das Gespräch mit ihm. Danke, Beate!

Isratel! - 12. Mai 2022

Das Ziel meiner Pilgerfahrt kommt immer näher: Ich grüße Euch aus Tel Aviv! Schon beeindruckend, wie man mit modernen Verkehrsmitteln Entfernungen überbrücken kann. Knapp eine Stunde brauchte das Flugzeug von Larnaka bis zum Ben Gurion Flughafen. Ben Gurion war übrigens der 1. Staatspräsident Israels und hat zusammen mit Konrad Adenauer den Grundstein zur Versöhnung zwischen Deutschland und Israel gelegt. – Danke.

 

Wenn man allerdings die Zeit hinzurechnet, die man braucht, bis das Flugzeug abhebt, dann geht es doch  nicht ganz so schnell. Gestern sagte man mir, dass ich  drei Stunden vor Abflug am Flughafen zu sein hätte, weil die Flüge nach Israel besonderen Sicherheitsvorkehrungen unterliegen. Um 8.00h also frühstückte ich im Hotel und um 8.30h brachte mich der Bus dorthin.

 

Als erstes wurde ich von einer Sicherheitsbeamtin befragt, was ich in Israel wolle. Ich erzählte von meiner Pilgerreise und es war ein nettes Gespräch, aber ich bin davon überzeugt, dass ich ganz genau abgecheckt wurde. Dann wurde mein Gepäck ganz genau unter die Lupe genommen. An eine so genaue Kontrolle konnte ich mich bisher noch bei keiner Flugreise erinnern. Als es zu Gate ging, wurden sogar meine Schuhe kontrolliert, ob ich nicht vielleicht in den Sohlen Sprengstoff mitbringen würde. Israel fühlt sich zu Recht immer noch sehr bedroht.

 

Dann musste ich online ein Einreiseformular ausfüllen, was auch schon einige Zeit in Anspruch nahm. Ich glaube, alles in allem war ich bestimmt zwei Stunden damit beschäftigt. Außerdem musste ich im Vorfeld einen 2. PCR-Test im Flughafen von Tel Aviv buchen. Jetzt dachte ich, übertreiben sie aber ein wenig. Am Vortag hatte ich in Larnaka einen gemacht, ich bin viermal geimpft und dann nochmal testen? -  Naja, ich hatte mich zu fügen.

 

Gleichzeitig fühlte ich schon seit dem Aufwachen eine große Müdigkeit – und das, obwohl ich für meine Verhältnisse gut geschlafen hatte. Vielleicht machen sich ja gerade in solchen „Ruhezeiten“ die körperlichen Anstrengungen der letzten Wochen bemerkbar. Mal sehen, wie es weitergeht.

Auf Wiedersehen, Zypern!
Auf Wiedersehen, Zypern!

Im Vorfeld hatte ich mit den Franziskanern in Tel Aviv Kontakt aufgenommen und um Unterkunft gebeten. Heute morgen kam dann die Zusage, dass ich in einem kleinen Zimmer neben einem von Ordensschwestern geführten Kindergarten übernachten könne.

 

Vom Flughafen aus fuhr ich mit dem Zug dorthin und fand nach einigem Suchen endlich das Haus und wurde freundlich aufgenommen. Auch Israel hatte in Zeiten der Völkerwanderung 2015 viele Flüchtlinge aus Schwarzafrika und aus Äthiopien und Eritrea aufgenommen und die Schwestern kümmern sich in erster Linie um die Kleinkinder dieser Menschen. Deren Möglichkeiten entsprechend war das Viertel ziemlich heruntergekommen und  man warnte mich, nach Einbruch der Dunkelheit nicht allein auf die Straße zu gehen. Viele der Geflüchteten finden hier, wenn überhaupt nur schlecht bezahlte Hilfsarbeiten, von denen man kaum leben kann und viele der Schwarzafrikaner schienen, meinem Eindruck nach auf der Straße zu leben.

 

Auch auf Zypern fielen mir viele Afrikaner auf. Zum Beispiel war sicher die Hälfte des Hotelpersonals in „meinem“ Hotel in Limassol afrikanischer Herkunft. Und auch gestern im Hotel in Larnaka sah ich, wie der Inhaber einem von ihnen Geld gab für geleistete Arbeit und als ich heute  morgen auf den Bus wartete, gingen zwei von ihnen hinein… Wahrscheinlich billige Arbeitskräfte…

 

Jedenfalls ist es gut, dass sich die Schwestern um die Kinder der Geflüchteten kümmern. Die Einrichtung ist übrigens von Spendern aus den USA finanziert.

 

Ja, und jetzt bin ich in Israel. Julie, meine „Kollegin“, die ich am Samstag in Larnaka getroffen hatte, hat übrigens schon Jerusalem erreicht. Sie  ist direkt von Tel Aviv die 50 Km in die Heilige Stadt gewandert.

 

Bei mir war es aber stimmungsmäßig komisch. Es kam gar keine rechte Freude auf, so kurz vor dem Ziel zu sein. Ein Grund dafür war sicher meine Müdigkeit, ein anderer könnte sein, dass es mir doch noch zu unwirklich zu sein scheint, jetzt im Zielland zu sein, nach fast 6 Wochen auf der Straße…

 

In einem Wallfahrtspsalm der Bibel heißt es: „Wie freute ich mich, als man mir sagte: Zum Haus des Herrn wollen wir pilgern…. Ja, diese Zeilen konnte ich schon ein wenig genießen, aber das ist hoffentlich noch steigerungsfähig.

 

Aber mein Weg geht ja auch nicht direkt dorthin. Ich nehme ja einen „Umweg“ durch das Leben Jesu: Nazareth, wo er  groß geworden ist, den See Genezareth mit Kapernaum, wo er als erwachsener Mann gelebt und gewirkt hat, und erst dann nach Jerusalem, wo er starb und auferstand. Auf diese Stationen freue ich mich sehr.

 

Aber zunächst muss morgen noch etwas erledigt werden: Ich muss mein Fahrrad aus dem Hafen von Haifa herausbekommen. Heute habe ich mit dem Agenten von Salamis in Haifa Kontakt aufgenommen und morgen früh werde ich mit dem Zug dorthin fahren und hoffentlich Erfolg haben.

 

Ich erzähle  euch morgen Abend mehr!

Guten Tag, Israel!
Guten Tag, Israel!

Ein Arbeitstag - 10. Mai 2022

Mein Engel vom Zoll
Mein Engel vom Zoll

Ich schreibe diese Zeilen wieder aus Larnaka, wohin ich heute Nachmittag zurückgefahren bin.

 

Vorher war aber noch eine Menge Arbeit zu tun. Gegen 9.00 Uhr war ich das erste Mal bei der Salamis Shipping Company, die den Transport meines Rades übernehmen wird. Dort gab man mir relativ nichtssagend, aber wie ich jetzt denke, vielmeinend ein Formular mit, dass ich vom Zollamt ausfüllen lassen sollte. Also: wieder zum Zollamt. Dort stellte sich folgendes Problem heraus: EU-Bürger brauchen zwar keine Ausnahmegenehmigung, wenn sie über den türkischen Teil ein- aber über den griechischen Teil Zyperns ausreisen wollen. Mit Fahrzeugen sei das aber nicht so – die bräuchten eine… Gott sei Dank hat das Zollamt vor den Schaltern einige Springer eingesetzt, die helfen, wenn problematische Situationen da sind. Und ich war so ein Problem – bzw. mein Fahrrad.

 

Zunächst, sagte mein „Engel“, sollte ich einen Brief schreiben, in dem ich begründen sollte, weshalb ich in den Genuss einer Ausnahme kommen sollte.

 

Mit dem gingen wir dann zum stellvertretenden Leiter des Zollamtes, der allerdings erst nach einer halben Stunde zu sprechen war. Er schein gutwillig zu sein, wollte aber die Entscheidung einem Untergebenen überlassen – der auch wieder auf sich warten ließ. Er ließ sich dann die Situation kurz erklären und reagierte abweisend: Mein Wunsch sei illegal und ihm könne nicht stattgegeben werden. – Bumms! Das saß! Was jetzt?

 

Mein „Engel“ aber gab nicht auf, ging noch einmal  zu seinem Chef – und dann ging es plötzlich. Ich hatte die Genehmigung!  Dann musste noch das Exportformular ausgefüllt werden und damit ging es zu Salamis zurück. Deren Stempel fehlte noch und dann ging es mit Rad und Gepäck zum Zollhafen, wo beides nun auf die Verschiffung wartet.

Das einzige Foto von heute ist das mit meinem Engel. Ohne den wäre ich aufgeschmissen gewesen – zum wievielten Mal  auf meiner Pilgerreise was das nun schon so….

 

Das meiste von meinem Gepäck geht per Schiff nach Haifa. In meinen Rucksack packte ich die Sachen, die ich bis Donnerstag benötige.

 

Dann sollte es nach Larnaka zurückgehen. Man kann nämlich nur mit einem negativen PCR-Test nach Israel einreisen und die Möglichkeit dazu gab es am Flughafen. Gerade kam übrigens die Mitteilung, dass er negativ sei. – Wie positiv!

 

Gegen 18.00h kam ich ziemlich erschöpft am Hotel an und werde außer diesem Bericht auch heute wohl nicht mehr viel machen. Das ganze Hin und Her war anstrengend genug…

 

Aber eines ist mir noch wichtig. Heute Morgen hörte ich nach dem Wachwerden im Deutschlandfunk die Nachrichten. Eine Meldung war die, dass schon 2026 die Erderwärmung um 1,5 Grad angestiegen sein könnte. In dem Zusammenhang kamen mir meine Gedanken zu den Sorgen in den Sinn. Sie sind aber auf keinen Fall so gemeint, dass man um solche Meldungen nichts geben soll im Sinne von „Irgendwie wird es schon gut gehen!“ Ich meine vielmehr, dass man sich von solchen Meldungen nicht in Panik versetzen lassen soll, sondern ganz nüchtern und überlegt Konsequenzen daraus zieht: Zum Beispiel Stromanbieter wechseln, Elektroauto kaufen, weniger heiß duschen, Wohnungstemperatur absenken, die  richtige Partei wählen usw. Angst ist ein schlechter Ratgeber und das Evangelium sagt, dass Gott größer ist – auch als  unsere Angst und dass sie bei ihm gut aufgehoben ist. Und so können wir nüchtern und überlegt die Schritte gehen, die zu gehen sind.

 

In diesem Sinne!

Plopp! - 9. Mai 2022

Heute war er also da: Der entscheidende Tag. Und, um es vorwegzunehmen: alle Probleme lösten sich in Nichts auf – schon wieder.

 

Aber erst einmal hatte ich nicht gut geschlafen. Gegen 5.30h schon bin ich wach geworden und konnte nicht wieder einschlafen.

 

Nach dem Frühstück setzte ich mich aufs Rad und fuhr zum Zollamt, in dem auch die Einwanderungsbehörde sitzt, die für mein Problem zuständig ist. Aber was für ein Problem?  Eine Ausnahmeregelung für Menschen, die über den türkischen Teil einreisen und den greichischen Teil ausreisen wollen, müssen nur Menschen beantragen, die nicht EU-Bürger sind. – Plopp. Das Problem hatte sich in Nichts aufgelöst. Als Nächstes fuhr ich zu der Spedition, die mein Rad per Schiff nach Haifa bringen sollte. Auch das kein Problem. Morgen früh fahr ich hin, erledige die Formalitäten für den Transport und lasse mein Rad da. Ich bräuchte es nicht einmal zu verpacken… - Plopp!

Die Orthodoxe Bischofskirche von Limassol
Die Orthodoxe Bischofskirche von Limassol

Es gibt Lösungen, die warten auf Probleme – wieder einmal bestätigte sich dieser Satz. Aber man kann es auch noch anders sehen: Manchmal blasen wir (ich) Probleme soweit auf, dass sie nur schwer lösbar sind. Und dann machen wir uns diese großen Sorgen.

 

Wenn ich nüchtern darüber nachdenke, dann sind mindestens 95 Prozent der Sorgen, die wir uns machen, nicht berechtigt. „Wer von euch kann mit seinen Sorgen seiner Lebenslänge eine einzige Elle hinzufügen?“, fragt Jesus im Matthäus-Evangelium. (Mt. 7,27) - Keiner! Aber diese Sorgen kosten uns (mich!) Schlaf, nehmen mir Lebensenergie. „Wer ständig über seinen Sorgen brütet, dem schlüpfen sie auch aus! – weiß der Volksmund. Und noch ein „blöder“ Spruch: Am Ende seines Weges mag der Optimist vielleicht unrecht haben – aber bis dahin hat er es leichter…“

Schreiben und Sagen kann man das gut und schnell…

 

Und wenn man das weiterdenkt, ergeben sich auch noch weitere Perspektiven. Wenn das nämlich schon im „normalen“ Leben gilt, dann wäre es doch logischer, dass dies auch für die größte Krise gilt, denen wir Menschen entgegengehen: Den Tod! Damit will ich nicht sagen, dass das Weiterleben nach dem Tod zwingend ist, aber unsere Lebenserfahrung sagt uns, dass dies wahrscheinlicher ist, als dass „dann das Licht ausgeht“. „Et is, wie et is“, sagt der Kölsche „ un et kütt (kommt) wie et kütt, un et hätt noch immer joot jejange!“ – Warum sollte das nicht auch in Zukunft so sein?

Nachdem ich diese Lektion wieder einmal zum Lernen angeboten bekommen habe, fuhr ich  zum Hotel zurück und machte einen Mittagsschlaf – ich war ja noch im Minus. Dann buchte ich für Mittwoch um 11.50h den Flug nach Tel Aviv und fuhr anschließend in die Stadt um mir sie ein wenig anzusehen.

Christus als Weltenherrscher in der Kuppel
Christus als Weltenherrscher in der Kuppel

Als erstes schaute ich mir – ganz der Pilger – die orthodoxe Bischofskirche an. Die stellte sogar die Lazarus-Kirche in Larnaka in den Schatten. Ich hatte schon mal geschrieben, dass die orthodoxen Kirchen den Himmel darstellen sollen und dessen „Bewohner“ bildlich in Form von Ikonen.  Ich betrat die Kirche – und hatte wirklich das Gefühl in einer anderen Welt zu sein. Alle Wände waren mit Ikonen ausgemalt und an vielen Orten standen auch Gestelle mit großen Ikonen auf Holz gemalt. Und trotzdem wirkte der Raum nicht überladen. Ich weiß nicht, ob die Fotos meinen Eindruck wiedergeben können… Ich setzte mich und genoss lange diesen Raum. Dagegen sind unsere Kirchen – frei nach Konrad Beikircher – „nackte Gebetsbunker“.

Die katholische Katharoinenkirche
Die katholische Katharoinenkirche

Als zweites besuchte ich die katholische Katharinenkirche. Auch die war ikonografisch ausgemalt, wenn auch lange nicht so stark wie die Bischofskirche – aber immerhin: sehr gelungen.

 

Der Küster war in der Kirche aktiv und so fragte ich ihn nach einem Stempel für meinen Pilgerpass. Er erfüllte mir diese Bitte. Und erzählte zugleich, dass er auf einer Gruppe polnischer Pilger wartete, die zu Fuß (!) von Polen nach Jerusalem unterwegs waren. Aber offensichtlich verspäteten sie sich, so dass ich sie nicht getroffen habe. Dann fuhr ich in die Altstadt: Im Vergleich zu den Außenbezirken, die durch Hochhäuser und 6-7geschossige Hotelbauten geprägt sind, war sie eher eine Kleinstadt mit 2-3geschossigen Häusern und die noch mit Naturstein gemauert – Was ist schöner?

Fischerboote im Hafen
Fischerboote im Hafen

In der Nähe meines Hotels steht das „Crown Plaza – Hotel“  fast direkt am Strand. Da, wo der Zugang aufs Hotelgelände möglich war, stand in englischer, griechischer und russischer (!) Sprache, dass der Zutritt nur Hotelgästen gestattet sei. Und ich erinnerte mich, dass Zypern vor einigen Jahren in der EU heftiger Kritik ausgesetzt war, als es reichen Nicht EU-Bürgern die zypriotische Staatsangehörigkeit anbot, wenn sie wenigstens zwei Millionen Euro im Land investierten. Viele Reiche haben davon Gebrauch gemacht und Zypern hat davon wirtschaftlich sehr profitiert. Und diese Personen haben seitdem völlige Bewegungsfreiheit in der Gesamt-EU.

 

Seinen Charakter als Ort am Meer hat Limassol durch den Tourismus wohl verloren, andererseits bringen die Touristen viel Geld ins Land. Wer kann da schon „Nein“ sagen…

 

In der Altstadt konnte man diese Ursprünglichkeit noch erahnen und auch im Hafengebiet war ein Hafenbecken für Fischerboote reserviert, während in einem anderen die (Protz) Yachten der Reichen lagen. Das sind schon Kontraste.

Ich kaufte dann noch Lebensmittel, erkundigte mich für Mittwoch nach einer Busverbindung zum Flughafen in Larnaka und war gegen 18.00 h wieder im Hotel.

 

Dieser Tag hat mir gezeigt, dass die Türen nach Jerusalem für mich offen stehen. Mein Plan ist, zunächst in Haifa auf mein Fahrrad zu warten und dann über Nazareth an den See Genezareth hinunterzufahren, dort die biblischen Orte zu besuchen und dann durch das Jordantal und Jericho in Bethlehem und dann in Jerusalem anzukommen.

 

Ich bin sehr gespannt!

Die Protzyachten der Reichen
Die Protzyachten der Reichen

Eingeklemmt - 8. Mai 2022

Guten Abend!

 

Ich melde mich aus Limassol, etwa 70 Km westlich von Larnaka. Morgen ist ein entscheidender Tag. Ich benötige vom Zoll hier die Ausnahmegenehmigung, um per Flugzeug über Larnaka nach Israel ausreisen zu können und ich muss klären, ob und unter welchen Umständen mein Fahrrad über den Seeweg Haifa erreichen kann. Vom morgigen Tag hängt also viel ab.

 

Aber das ist morgen… Heute, am Sonntag wollte ich eigentlich zuerst mit dem Bus nach hierhinfahren. Gestern hatte ich – ehrlich gesagt – keine Lust, mich auf den (Rad)Weg hierher zu machen und hatte mir auch schon Busverbindungen rausgesucht. Aber heute morgen dachte ich mir, dass dies heute meine letzte Etappe hier auf Zypern wäre und die Frage tauchte auf, was ich denn den ganzen Tag hier machen solle. Und so fiel die Entscheidung, nach hier her zu radeln.

Mahnmal in Larnaka für getötete Kinder in der Ukraine
Mahnmal in Larnaka für getötete Kinder in der Ukraine

Heute ist ja Sonntag, und damit Zeit für den Gottesdienst. Gestern hatte ich gesehen, dass er schon um 6.30h in der Lazarus-Kirche begann. Das war mir aber doch ein wenig früh und so traf ich um kurz vor neun an der Kirche ein. Der orthodoxe Gottesdienst nennt sich „himmlische Liturgie“ und dauert etwa 3,5 Stunden. Das ist aber lange, werden Sie, genau wie ich sagen und das sagen auch die orthodoxen Gläubigen – und kommen und gehen, wann sie wollen. In der Kirche war immer Bewegung. Neue Leute kamen in die Kirche, küssten die ausgestellten Ikonen und gingen dann auf ihren Platz. Eine Frau war damit beschäftigt, das Schutzglas das vor den Ikonen war, zu desinfizieren (Corona).

 

Wenn ich es richtig verstanden habe, sind die Menschen in der Kirche auch nicht Teil dieser himmlischen Liturgie. Die wird von den Popen vollzogen. Stellvertreter der Gemeinde sind die Mitglieder des Chores, denn die Liturgie wird fast ausschließlich gesungen.

Die Getreideernte ist in vollem Gange
Die Getreideernte ist in vollem Gange

Bisher hatte ich es nur erlebt, das  zwei Männer im Wechsel den Gesang übernahmen, aber hier waren es heute ins gesamt sechs, die auch mehrstimmig sangen. Ich verstand zwar kein Wort, aber gesanglich war es hervorragend, und manchmal lief mir etwas Gänsehaut den Rücken herunter.

 

Die Wandlung spielt sich – unsichtbar aber hörbar für die Menschen in der Kirche – hinter der Ikonostase ab, was das Geheimnisvolle betont und nach einiger Zeit kam der Pope nach vorn, um die Kommunion auszuteilen.

 

Längst nicht alle in der Kirche gingen zur Kommunion und viele nahmen sich „nur“ gesegnetes Brot, das an mehreren Orten in der Kirche verteilt wurde. Diesen Brauch hatte ich auch schon in Taize kennengelernt, die ihn von der Ostkirche übernommen haben. Wer aus irgendeinem Grunde nicht zur Kommunion gehen will oder kann, oder darf, ist über dieses Zeichen doch noch Teil der Gemeinschaft. Aus Unsicherheit über die orthodoxe Form der Kommunionspendung beschränkte ich mich auch auf das „gesegnete Brot“.

 

Am Ende des Gottesdienstes gab es noch eine kurze Prozession außen um die Kirche herum. Angeführt wurde sie von den Popen und von Männern, die die Hauptikonen der Kirche trugen. Am Ende des Umgangs stellten sie sich damit vor den Kircheneingang und bildeten mit den Ikonen eine Art Dach, unter denen die Menschen wieder in die Kirche hineingingen. Ein schönes Zeichen von Segen…

Strandpromenade - herrlich zu fahren
Strandpromenade - herrlich zu fahren

Es war jetzt etwa 10.00 Uhr. Ich suchte mir draußen ein schattiges Plätzchen und brachte meinen Nikotinspiegel wieder auf Normalstand. Dann setzte ich mich aufs Rad und los ging es Richtung Limassol.

 

Die Straße führte über lange Strecken direkt am Meer entlang, war daher überwiegend flach und gut zu fahren. Gleichzeitig konnte ich dabei sehen, dass Zypern mehr und mehr zu einer Urlaubsinsel wird. Fast überall entstanden neue Hotels und Ferienwohnungen. Alle berühmten Hotelnamen waren vertreten, einschließlich des Robinson-Clubs. Hoffentlich ereilt die Insel nicht das selbe Schicksal wie Spa oder Scheveningen, wo ganze Uferpromenaden mit hohen Gebäuden vollgebaut sind und man das Meer nur noch erahnen kann.

 

Manchmal gab es auch Abstecher vom Meer. Einmal führte mein Weg um eine große Raffinerie herum und dann wieder durch landwirtschaftlich genutzte Flächen, auf denen gerade das Getreide geerntet wurde. Zum Schluss wurde es auch noch hügelig aber gegen 14.30 Uhr hatte ich dann Limassol erreicht.

 

Ich bezog mein Zimmer und merkte dann auch, dass die Strecke mir gut „in die Knochen“ gegangen war. Zuerst gab es einen Kaffee, dann die Dusche und zum Schluss einen Mittagsschlaf.

Bettenburgen am Strand
Bettenburgen am Strand

Anschließend setzte ich mich ans Meer. Einige Frachtschiffe hatten dort Anker geworfen und warteten darauf, im Hafen entladen zu werden. Drei Kreuzfahrtschiffe ankerten auch vor der Küste und hatte ihre „Fracht“ wohl auf Besichtigungsreise durch die Stadt geschickt. Ich aber saß am Ufer und schaute in die Richtung, in der ich Israel vermutete.

 

Irgendwie kam das Gefühl auf, eingeklemmt zu sein, nicht richtig vorwärts zu kommen. Denn selbst, wenn ich morgen alle gewünschten Ergebnisse bekomme, werde ich wohl nicht vor Mittwoch Richtung Tel Aviv fliegen – Herr, schenke mir Geduld! – Aber ein bisschen plötzlich…

 

Morgen um diese Zeit weiß ich zumindest ein wenig mehr.

--- da hinten muss Israel sein...
--- da hinten muss Israel sein...

Warten Lösungen auf Probleme... - 5. und 6. Mai

Ich schreibe heute aus Larnaka, dem griechisch-zyprischen Teil der Insel. Diese Ortsangabe hat Konsequenzen, wie ihr weiter  unten sehen werdet.


Aber zunächst ist ja noch der letzte Tag in der Türkei an der Reihe, der eigentlich auch noch nicht der Letzte sein sollte. Der Tag begann mit einer faustdicken Überraschung: Als ich gegen 9.30 Uhr losfahren wollte, sprach mich in Mann mit bestem Ruhrpott-Akzent an. Er stellte sich als Türke vor, der als Kind mt seinen Eltern nach Duisburg gezogen war und jetzt -wie ich – gerade in Rente gegangen ist. Es sollte wohl eine Reise zu seinen Wurzeln sein und wir kamen darüber und über meine Wallfahrt ins Gespräch.


In Duisburg wohnt er in Walsum. Als  ich sagte, dass meine Frau in Eppinghoven (Dinslaken) geboren sei, sagte er, dass das nur ein paar Km von seiner Wohnung entfernt sei. Die Welt ist doch klein…

Zitronenplantagen am Weg
Zitronenplantagen am Weg

Weil ich aber eigentlich vorhatte, an diesem Tag bis Tarsus zu fahren, vertiefte ich das Gespräch nicht, sondern machte mich nach einer halben Stunde auf den Weg. Die ersten Kilometer führten abseits der Nationalstraße entlang. Große Obstplantagen, vorwiegend Zitronen und Mirabellenbäume säumten den Weg. Das war sehr angenehm zu fahren. Als ich die Nationalstraße wieder erreicht hatte, machte sich hinter mir leichtes Donnergrollen bemerkbar. Ein Gewitter war im Anzug. Bei einer Pause setzte dann auch leichter Regen ein, der aber schnell zunahm. Ich entschloss mich, das Ende abzuwarten – aber das kam nicht. Die Gewitterwolken versuchten wohl ins Taurus-Gebirge aufzusteigen, scheiterten dabei aber immer wieder und warfen ihre Last in Form von Feuchtigkeit ab.


Die erste Hälfte des Weges nach Mersin war geschafft und irgendwann entschloss ich mich, trotz Regen weiterzufahren. Meine Funktionskleidung hielt einigermaßen dicht, aber in den Schuhen hatte ich das Wasser stehen. So ging es dann weiter bis Mersin. Dort fuhr ich zum Hafen, um Tickets fürdie Fähre nach Zypern zu kaufen. Man verweis mich auf eine Agentur auf der anderen Straßenseite. Für die Fähre am Samstag gab es aber keine Karten mehr, aber heute Abend – da wäre noch Platz. Nach kurzem Überlegen entschied ich mich dafür, auch wenn das bedeutete, nicht mehr nach Tarsus, in die Geburtsstadt des Paulus zu kommen.


Dafür entdeckte ich aber in einer Nebenstraße eine Kirche – noch dazu eine katholische, die zugleich der Dom des Bistums Mersin war. Das sind bei mir wirkliich Heimatgefühle, die aufkommen, wenn ich eine „unserer“ Kirchen betrete. Zuerst geb es ein Dankgebet fürdie bisherige Wallfahrt und dann sagte mir der Aufsicht führende Mann, das heute Abend um 18.00Uhr eine Messe sei. Ja, die hatte ich schon lange nicht mehr mitgefeiert und an der Zollabfertigung für die Fähre sollten wir erst um 19.30 Uhr sein.

Der Hafen von Mersin
Der Hafen von Mersin

Es war noch eine Stunde Zeit und ich setzte mich ans Meer. Dort sprachen mich drei junge Kurden an, die für ein paar Tage nach Mersin gekommen waren. Sie beklagten sich über ihre Situation als Minderheit in der Türkei, und dass sie allein weil sie Kurden sind, ganz allgemein unter Terrorismusverdacht ständen. Ja, die politische Situation in der Türkei wird immer problematischer. Jetzt kommen neben den politischen Spannungen auch noch große wirtschaftliche  Schwierigkeiten hinzu.


Daneben aber beeindruckte mich nun schon zum xten Male, wie problemlos Menschen auf mich zukommen und ins  Gespräch kommen wollen. Ich glaube, das würde  bei uns nicht so schnell vorkommen. Hier geht doch jeder zuerst seiner oder ihrer Wege…


Dann ging es in die Kirche. Die Pfarrei dort wird  von vier Kapuzinern betreut, die heute alle am Altarstanden. Mit mir waren auch vier Gottesdienstbesucher gekommen: Im Spiel „Altar gegen Gemeinde“ waren also zwei „gleichstarke Mannschaften“ am Start.


Die Messe wurde in türkische gehalten. Die Bibellesungen konnte ich per Internet auf deutsch mitlesen und die anderen Teile versteht man, ohne sie zu verstehen – Heimat eben…


Anschließend kam einer der Priester auf mich zu. Ich stellte mich als Pilger vor,und bat u einen Stempel in meinen Pilgerpass und um den Pilgersegen. Beides bekam ich sehr herzlich.

Messe im Dom von Mersin
Messe im Dom von Mersin

Und dann ging es aufs Schiff. Es war ein eigenartiges Gefühl, die Türkei zu verlassen. Mir gingen noch viele Begegnungen durch den Kopf: Dir freundlichen Zöllner in Ipsalla, Ayson, der mich in seinem Kleinlaster ein paar Kilometermitgenommen hatte, Ismael in Troja, die Kirchengemeinde in Izmir, Ephesus, die beiden Mechaniker in Nazilli, die meine Batterie wieder in Gang bekommen haben, Pamukkale mit der Wallfahrt zum Heiligen Philippus, die zwei Erholungstage am See von Egirdir, Kilistra mit seinen Höhlen, Silifke mit der Heiligen Thekla, Murat und meine Fahrradreparatur usw usw. Ich kam mir schon sehr gesegnet vor – von „den Türken“.


Andererseits freute ich mich, dass nun Jerusalem ein ganzes Stück nähergekommen ist und ich nahm mir vor, dass in der dortigen Grabenkirche viele Kerzen für diese Menschen brennen werden.


Dass ich in dieser Nacht nicht viel Schlaf bekommen würde, war mir klar – so klar wie der Nachthimmel über uns. Und weil es auf dem Meer ja praktisch kein künstliches Licht gibt, konnte man ohne Ende Sterne sehen. Weißt du, wieviel Sternlein stehen? – Ich nicht!


Noch dazu konnte man am Horizont stundenlang Wetterleuchten beobachten und ich war lange genug allein oben an Deck, um über beides zu staunen.

Abschied von der Türkei
Abschied von der Türkei

Gegen 8.00 Uhr morgens erreichten wir dann den Hafen von Famagusta. Ein Mitreisender machte ich auf die Altstadt aufmerksam. Dort war eine Kirchenruine nach der anderen zusehen. Ich dachte zuerst, dass sei die Folge des erst wenige Jahre zurückliegenden Versuchs der Türkei, Zypern zu besetzen, das wären Relikte aus osmanischer Zeit und ihren Kämpfen und richtig, direkt neben einer ehemaligen Kirche war ein Minarett zu sehen, das auch schon einige Jahre auf dem Buckel hat.  – Geschichte wird von den Siegern geschrieben…


Aber mit den Folgen der türkischen Invasion – in diese Kämpfe waren mit Griechenland und der Türkei auch zwei NATO-Staaten gegeneinander in Stellung gegangen – sollte ich mich heute noch intensiv auseinandersetzen müssen.
Zunächst aber ging ich in Famagusta frühstücken und machte ich dann in Richtung Larnaka auf den Weg, das nur etwa 45 Km entfernt war. Schon nach einigen Kilometern stieß ich auf eine Grenze und jetzt erinnerte ich  mich: Zypern ist seit dieser Zeit in einen griechisch-zyprischen und türkischen Bereich geteilt und zwischen den beiden Landesteilen bilden UNO-Blauhelme eine Pufferzone. Es ist also ein sogenannter „frozen conflict“, der noch auf seine Befriedung wartet.

 

Ohne viel Mühe erreichte ich mein Ziel und stellte bei der Zimmersuche fest, dass ich wieder in Europa war. Das konnte man allein schon an den Zimmerpreisen ablesen….


Zypern sollte für mich ja nur Durchgangsstation sein. Ich musste versuchen, mein Fahrrad irgendwie nach Haifa zu bekommen und ich wollte entweder auf einer Frachtfähre einen Platz ergattern oder vom Flughafen Larnaka aus hinterherfliegen.

 

So rief ich also das Frachtunternehmen, das die Fährlinie betreibt an und erzählte mein Anliegen.


Ja, ein Ebike zu transportieren wäre keine Schwierigkeit. Ich atmete hörbar auf, schien mir das doch das größte Problem zu sein. Aber es kam noch dicker: „Wie sind Sie denn nach Zy pern eingereist?“ – „Über Mersin und Famagusta.“ – Pause. – „Dann müssen Sie zuerst zum Zoll gehen, und um Genehmigung nachsuchen, dass sie Zypern auf einem anderen Weg verlassen dürfen.“

Der alte Mann und das Meer (mein Schatten auf einem LKW)
Der alte Mann und das Meer (mein Schatten auf einem LKW)

Damit hatte ich nicht gerechnet. An der ersten Tankstelle im griechischen Teil hatte ich mich schon unbeliebt gemacht, als ich fragte, ob ich in türkischen Lira zahlen könnte. Aber das diese Problematik nicht nur eine Stimmung ist, sondern sich auch im Recht widerspiegelt, damit hatte ich nicht gerechnet.


Und weil heute Freitag ist und am Wochenende beim Zoll nicht gearbeitet wird, kann ich erst am Montag versuchen, eine Lösung zu finden. Es wäre auf jeden Fall eine Ausnahmegenehmigung und ob ich die bekomme, steht wohl in den Sternen. Nach der Batterie und der abgebrochenen Kettenführung in Silifke ist dies nun der dritte Punkt, an dem meine Wallfahrt scheitern könnte.


Die Erfahrungen auf meine bisherigen Fahrt sprechen dafür, dass es Lösungen gibt, die auf Probleme warten. Aber ganz sicher bin ich mir nicht, wirklich nicht…


So bleibe ich morgen noch einen Tag hier und schaue mir die Stadt an. Am Sonntag geht es dann nach Limassol, damitich Montag morgen sofort beim Zoll bin….


Ich bin sehr gespannt.  

Die Altstadt von Famagusta
Die Altstadt von Famagusta

Schon wieder so ein Tag - 4. Mai 2022

Langsam geht meine Zeit in der Türkei zu Ende. Morgen schon werde ich durch Mersin fahren und mir das Fährticket für die Überfahrt am Samstag nach Zypern kaufen. Jeder Tag scheint mir, ist auf seine Art sehr beeindruckend und auch mit diesem sollte es nicht anders sein.

 

Zunächst fuhr ich zur Kirche der Heiligen Thekla, etwa 2Km von meinem Hotel entfernt. Sehr steil ging es plötzlich in eine Seitenstraße hoch, so dass ich es nicht mal mit meinem E-Bike schaffte. Mir blieb nichts anderes übrig als zu schieben, was in der Regel noch anstrengender ist als zu fahren. Endlich hatte ich die größte Steigung hinter mir, war wieder zu Atem gekommen und konnte den Rest der Strecke fahren.

 

Der Überlieferung nach wollte Thekla unverheiratet bleiben. Nach Überzeugung der ersten Christen stand ja das Ende der Welt (=die Wiederkunft Christi) kurz bevor und man sollte alle seine Kraft auf die Vorbereitung dieses Tages konzentrieren. Thekla wehrte also jede „Anmache“ ab und versteckte sich sogar vor den Werbeversuchen ihrer Verehrer in einer Höhle in Silifke. Einer von ihnen denunzierte sie schließlich als Christin und so erlitt sie den Märtyrertod. Ihre Glaubensgenossen bauten die Höhle zu einer unterirdischen Kirche aus, ähnlich wie in Kilistra und ein römischer Kaiser setzte im 5.Jahrhundert eine 80x60 m große Basilika darauf. Diese wurde aber später durch ein Erdbeben zerstört.

Vor der Ruine der Thekla-Basilika
Vor der Ruine der Thekla-Basilika

Zurück zu meinem Besuch: Das Gelände umfasst die Höhlenkirche, die Ruine der Basilika und eine Zisterne und wird von zwei Männern beaufsichtigt. Sie begrüßten mich herzlich und boten mir sogar einen Tee an und so gut es ging, tauschten wir uns aus.

 

Dann besuchte ich die  Untergrundkirche: Sehr schlicht und sehr ausdrucksstark. Komisch, dachte ich, dass das Einfache und Improvisierte das Große und Pompöse bei Weitem überdauert…

 

Ich betete dort meine Pilgerlieder, eine Ikone der Thekla fest im Blick. Dabei erinnerte ich mich, dass diese Frau auch in der feministischen Theologie eine Rolle spielt. Sie wurde ausdrücklich von Paulus mit der Verkündigung des Evangeliums beauftragt. Das wird heute als biblisches Argument für die Weihe von Frauen angesehen.

Der Eingang zur Höhlenkirche
Der Eingang zur Höhlenkirche

Dann ging ich wieder zurück und machte mein Fahrrad startklar. Gestern Abend hatte ich mich noch entschieden, Friedrich Barbarossa, bzw seinen Sterbeort nicht mit meinem Besuch zu beehren. Die genaue Stelle ist schwer zugänglich und an dem Gedenkstein war ich gestern vorbeigefahren, ohne ihn zu entdecken. So wollte ich von hier aus direkt weiter nach Erdemil und unterwegs noch einen Ort besuchen, der in der griechischen Mythologie eine Rolle spielt.

 

In der Nähe der Ortschaft Narlikuyu  liegt das sogenannte Tor zu Himmel und das Tor zur Hölle. Das Himmelstor hat eine elliptische Form und eine Größe von 250 x 110 Metern. Dieses „Tor“ ist dadurch entstanden, dass ein unterirdischer Fluss den Sandstein erodierte. Man kann über eine Art Treppe hineinsteigen.

 

In vorchristlicher Zeit war dies einer der Wege für Zeus auf diese Welt.  Nachdem das Christentum sich durchgesetzt hatte, wurde aus diesem Ort ein Ort der Marienverehrung. Nachdem man etwa 300 von 450 Stufen in die Tiefe gestiegen war, hat man eine Höhle zu einer Kirche ausgebaut.

 

Dass „Höllentor“ ist kleiner, etwa 75x50m, und nicht zugänglich. Nach er griechischen Mythologie hat Zeus hier Typhon, den feuerspuckenden, hundertköpfigen Drachen gefangengesetzt, bis er ihn schließlich unter dem Vulkan Aetna begraben hat.

In der Höhlenkirche
In der Höhlenkirche

So waren meine Pläne. Ich bestieg mein Rad, fuhr los und hörte hinten etwas knacken. Beim genaueren Hinsehen stellte ich fest, dass das Teil, das dafür verantwortlich ist, dass die Gangschaltung die Kette auf das richtige Ritzel transportiert, gebrochen war. Was jetzt? An Fahren war nicht mehr zu denken. Ein Pärchen, das nach mir die Anlage verließ, schaute sich mein Dilemma an. Ich sagte, dass ich einen Fahrradladen finden müsse – er antwortete etwas von Ramadan-Abschluss-Feiertagen und nahm mir damit meinen Wind aus den Segeln…

Murat - mein himmlischer Nothelfer
Murat - mein himmlischer Nothelfer

Aber komischerweise hatte ich trotzdem das unerschütterliche Gefühl, dass wir das Rad wieder hinbekommen. Plötzlich tauchte einer der beiden Geländeaufseher auf, besah sich den Schaden, telefonierte – und etwa 10 Minuten später kam Murat auf seinem Motorrad angeknattert. Er besah sich den Schaden und bedeutete mir mit nach oben zeigendem Daumen, dass da was zu machen sei. Ich solle hinter ihm herkommen. Gut, dass der Weg zu seiner Werkstatt bergab ging. So konnte ich hinter ihm herrollen. Von seiner Werkstatt aus, die viel Ähnlichkeit mir der in Nazilli hatte, wo meine Batterie wieder flott gemacht wurde, fuhr er zu einem Fahrradhändler, um sich das passende Ersatzteil zu besorgen. Das gab es aber nicht und so holte er aus einer Lade ein anderes Teil, probierte es aus und es funktionierte. Während ich ihm bei seiner Arbeit zusah, hatte ich den Eindruck, dass er Spaß daran hatte, mir zu helfen. Eigentlich hatte er diese Woche frei… Man stelle sich das einmal in Deutschland vor: Wenn die Werkstatt zu ist, ist sie zu! Und hier das genaue Gegenteil! Ich war wieder einmal von der Freundlichkeit der Türken überwältigt…

 

Umgerechnet 30 Euro und ein Selfie mit uns beiden wollte er für seine zweieinhalb Stunden Arbeit und das Ersatzteil haben. Ich gab ihm 50 Euro und drückte meinen tiefen Dank nach Türkenart aus: Man legt dann die Hand aufs Herz…

Wir verabschiedeten uns herzlich und ich fuhr los Richtung Erdemil. Zwar scheint die Gangschaltung jetzt nur noch 5 statt 10 Gängen zu haben, aber der Höchste und der tiefste Gang ist dabei. Ich komme gut damit klar.

Mittlerweile war es fast zwei Uhr, ich hatte noch 50 Km vor mir und einen leeren Magen. An einer Tankstelle kaufte ich mir eine Cola und eine Schokolade und verabschiedete mich zugleich von dem Vorhaben, die Tore zum Himmel und zur Hölle zu besichtigen. Aber das war ja jetzt auch nicht mehr so wichtig. Den Himmel hatte ich ja gerade schon kennengelernt….

 

Und nach etwa 20 Km sah ich das Mittelmeer!!!!

 

Die Straße führte ab jetzt praktisch direkt daran vorbei. Aber zunächst fuhr ich an den Strand, setzte mich in den Sand und sah den Leuten beim Baden zu. Weil ja Ferien waren, waren jetzt auch viele Urlauber da. Und ich, ich freute mich! Zuletzt hatte ich es in Izmir gesehen und jetzt, nach der Überwindung des Taurus-Gebirges hatte ich es wieder! I am sailing – home again – cross the sea – sang Rod Steward in mir – to be near you, to be free! Und ich sang mit…

Für heute Abend nahm ich  mir vor, wenigstens eine kurzen Satz ins Wasser zu machen.

Das Mittelmeer

Dann ging es wieder aufs Rad. Es ging auf und ab, keine großen Steigungen und Abfahrten, aber es waren immerhin noch gut 400 Höhenmeter. Aber es ging fast wie von selbst. Hatte Murat das Rad auch wieder leichtgängiger gemacht?

Unterwegs wechselte ich das Lied zu dem deutschen Text von Ofra Hazas Jerusalem Hymne: In deinen Toren werd ich stehen, du freie Stadt Jerusalem. In deinen Toren kann ich atmen, erwacht mein Lied! Diesen Text hatte ich auch schon geschmettert, als ich so problemlos über die griechisch-türkische Grenze gekommen war. Nur da war Jerusalem noch unendlich weit weg  und jetzt scheint es fast zum Greifen nahe…

 

Gegen 17.00 Uhr erreichte ich Erdemil, fand nach einigem Hin und Her ein Hotelzimmer, packte meine Badesachen und nahm mein Bad in der türkischen Riviera. Das Wasser war schon  angenehm warm aber es wehte ein heftiger Wind, der die Wellen mit viel Kraft ans Ufer trieb, so dasss es mich einige Male umwarf, aber egal: Es ist  das Mittelmeer…

 

Ich denke, dass ich morgen bis Tarsus, der Geburtsstadt des Paulus fahren werde. In Mersin, werde ich mir Fährtickets besorgen und während meiner letzten zwei Tage in der Türkei dem Völkerapostel meine Aufwartung machen.

 

Mit ein wenig Wehmut denke ich an den Abschied von diesen wunderbaren Menshen hier. Viele von ihnen nehme ich auf jeden Fall in Gedanken mit und in der Grabeskirche werden Kerzen für sie brennen….

Ist Pilgern nicht schöner als Urlaub?
Ist Pilgern nicht schöner als Urlaub?

Der Stier ist besiegt - 3. Mai 2022

Das war heute noch mal ein Ritt auf dem Drahtesel! Über 75 Km ging es von Mut nach Silifke und nochmal waren mehr als 1050 Höhenmeter zu überwinden.

 

Dabei hatte der Tag gar nicht so gut angefangen. Auch nach dem Frühstück war ich immer noch müde. Der gestrige Tag hat mich ganz fein gefordert. Kurz überlegte ich, ob ich einen Ruhetag anhängen soll, aber dann wäre es schwierig geworden, am Samstag die Fähre nach Zypern zu bekommen. Und so fuhr ich los. Die ersten 10 Km waren sehr angenehm. Auf ihnen ging es 200 m nach unten und ich brauchte kaum zu treten. Aber anschließend ging es in Wellen immer wieder bis auf Höhen von 350 m und die Anstiege hatten es in sich.

 

Außerdem brauchte ich lange, um „in Tritt“ zu kommen und machte entsprechend viele Pausen. Die schönste davon war ein in einer Moschee, die direkt an der Straße lag. – Von außen und erst recht von innen ein Augenschmaus: Farbige Fenster, Fliesen mit schönen, gemalten Ornamenten und eine Gebetsnische, die fast noch schöner war als in der Salahadins-Moschee in Konya. Ich ging hinein und genoss den Raum…

Innenansichten der Moschee
Innenansichten der Moschee

Immer häufiger war jetzt rechts neben der Straße eine imposante Schlucht zu sehen, durch die, wie sich später herausstellte, der Göksu Nehri fließt und in dem - kurz vor Silifke - Kaiser Barbarossa, der der Anführer des 3.Kreuzzugs war,  am 10. Juni 1190 ertrunken ist. Dieses Ereignis bedeutete dann auch praktisch das Ende des Unternehmens. Die meisten Ritter, die mit ihm unterwegs waren, kehrten von hier aus wieder nach Hause zurück. Auf dem Weg bis hierher hatten auch schon viele den Tod gefunden. Manche im Kampf  aber noch mehr durch Krankheiten und Seuchen…

Innenansichten der Moschee
Innenansichten der Moschee

Was treibt Menschen dazu, um angeblich einer „gerechten Sache“ willen in den Kreig zu ziehen? „Deus vult!“ – Gott will es, war der Schlachtruf. Darin sind die Kreuzzügler damals den islamistischen Taliban etc von heute sehr ähnlich. Und  wenn man sich die ultraorthodoxen Kreise der Juden vor Augen führt, die den Tempelberg in Jerusalem mit der Al Akhsa-Moschee am Liebsten wieder in Besitz nehmen würden, dann begründen sie es genau so. Religionen, die sich im Besitz der Wahrheit wähnen, wohnt immer auch ein Gewaltpotenzial inne, das auch oft genug ausbricht. Aber auch Putin überfällt die Ukraine mit der Begründung, dass sie kein Recht zur eigenständigen Existenz hat und Patriarch Kyrill von Moskau heißt diesen Krieg gut….

 

Andererseits waren die größten Verbrecher keine Päpste oder sonstigen Religionsführer, sondern Atheisten: Hitler, Stalin und Mao tse Tung – in dieser Reihenfolge. Ursache ist wohl allgemein ein absoluter Wahrheitsanspruch, dem Menschen zum Opfer fallen…

 

Es wird immer ein Drahtseilakt bleiben, seinen Überzeugungen treu zu sein und die anderen anders sein zu lassen. Das zeichnet freie Gesellschaften aus und es ist immerhin bemerkenswert, dass die Weltgegenden, die christlich geprägt sind oder waren zu den freiesten Gesellschaften weltweit gehören. Ein Argument, dass bei aller berechtigten Kritik am Christentum zumindest bedenkenswert ist…

Innenansichten der Moschee

Ach ja, schon seit einigen Tagen vergesse ich immer wieder von meinen Eindrücken zur muslimischen Prägung der Türkei zu berichten. Am Offensichtlichsten ist das ja bei der Frauenkleidung. Während die Männer durchweg das tragen können, was sie wollen, gibt es für die Frauen ja relativ strenge Kleidungsvorschriften. Je näher an Europa gelegen, z.B. in Izmir, je weniger werden sie befolgt. Dort ist eine jüngere Frau mit Kopftuch fast die Ausnahme. In Konya sind -meinem Eindruck nach – etwa fünf Prozent der Frauen vollverschleiert (Burka) und weitere fünf Prozent tragen nicht mal ein Kopftuch.

 

Schwester Maria Gratia sagte mir aber auch, dass Konya ein sehr konservatives Pflaster ist…

 

In Karaman hingegen sah ich praktisch keine Burka und während fast alle älteren Frauen Kopftuch und lange Mäntel tragen, ist bei den jüngeren Frauen das Verhältnis etwa 50:50.

 

Jetzt sind das alles große Städte und auf dem Land dürfte es sicher noch anders aussehen, aber das entzieht sich meiner Kenntnis. Es scheint aber einiges in Bewegung zu sein. Und auch in Sachen Emanzipation sind interessanterweise die (ehemals) christlich geprägten Kulturen weiter als praktisch alle  anderen, auch wenn diese Fortschritte oft genug gegen die Kirchen durchgesetzt wurden. Aber immerhin: Sie setzten sich durch…

Moschee am Weg
Moschee am Weg

Zurück zu Barbarossa (Rotbart), mit dem ich ja wohl – zumindest, was die Haarfarbe angeht, einiges gemeinsam habe: Eigentlich hatte ich vor, morgen seinen Todesort zu besuchen, aber dann fand ich heraus, dass es unweit von Silifke noch eine Höhlenkirche gibt, in der  sich die Heilige Thekla lange versteckt hielt. Thekla stammte ja wie Timotheus aus Lystra (Kalistra) und beide wurden durch den Apostel Paulus zu Christen. Diese Höhlenkirche soll sehr sehenswert sein und wird für mich die erste Priorität haben. Vielleicht schaffe ich Barbarossa dann auch noch…

 

Mittagspause machte ich heute in einem Restaurant am Weg, wo es leckeres Essen gab und ich länger blieb, als ich eigentlich vorhatte. Ich hatte keinen rechten Drang mehr, weiterzufahren. Als  ich dann wieder auf dem Rad saß, hatte ich den Eindruck, dass da irgendetwas  kaputt sei. Es kam mir so vor, als dass ich  selbst bei Gefällstrecken langsamer wurde… Ich lud mein Gepäck ab, kontrollierte den Lauf der Räder und fand nichts. Also ging es weiter. Des Rätsels Lösung war folgende: Durch die vielen Steigungen hatte sich mein Blick verändert. Für mich sah es so aus, als ob Strecken, die eigentlich eben waren, Gefälle hatten…. In der Wüste hat man ja auch bei schwerem Durst Halluzinationen. Und mein „schwerer Durst“ bestand in meinem Wunsch, diese Etappe endlich hinter mich gebracht zu haben… Als mir das klar war, ging es wieder….

 

Der Göksu Nehru
Der Göksu Nehru

Die Straße führte über den Göksu Nehru- Fluss und am Ende der Brücke standen zwei Tische mit Stühlen im Schatten und luden zur Pause ein. Es war wohl eine Art Gartenwirtschaft. Ein junger Mann kam und fragte, was ich wolle. Ich bestellte eine Cola und er setzte sich zu mir. Über die Übersetzungs-App versuchten wir uns zu verständigen und ich erzählte von meinem Weg. Er gab mir auch ein wenig Sprachunterricht in türkisch, aber ich war zu erschöpft, um etwas zu behalten.

 

Dann kam noch eine Familie mit einer etwa 25 jährigen Tochter und setzten siich zu uns. Und sie sprach mich auf Deutsch an, dass sie sich im Internet beigebracht hatte. Sie studierte in der Türkei Psychiatrie und will nach Ende des Studiums in Deutschland arbeiten, weil in der Türkei Ärzte sehr schlecht bezahlt werden. Düsseldorf sei ihr Traumziel. Wenn sie entsprechende Sprachkenntnisse vorweisen kann und ihre türkischen Abschlüsse bei uns akzeptiert werden wird sie sicher mit Kusshand genommen. Aber bei mir bleibt ein komisches Gefühl zurück. Wir schaffen es nicht, im eigenen Land genügend Ärzte auszubilden und locken deshalb ausländische Ärzte, meist aus ärmeren Ländern mit hohen Gehaltsaussichten an – aber die fehlen ja dann in ihren eigenen Ländern. Das ist ja fast so, wie in früheren Kolonialzeiten: Das was wir brauchen, holen wir uns aus diesen Ländern – heute nur mit „feineren“ Methoden als früher…

 

Das sagte ich ihr natürlich nicht…

Hinter dem Berg könnte das Mittelmeer liegen
Hinter dem Berg könnte das Mittelmeer liegen

Es waren jetzt noch 15 Km bis Silifke. Eine dicke Steigung und eine lange Abfahrt lagen noch vor mir. Und diese Pause hatte Wunder gewirkt: Die Beine waren wieder kräftig und weil die Batterie noch genug Kapazität hatte, schaltete ich auf die mittlere Leistungstufe und „raste“ den Berg hinauf. Oben angekommen versuchte ich, zwischen den Berggipfeln das Mittelmeer zu sehen - leider ohne Erfolg. Dafür sah ich, dass der türkische Staat dabei war, die Straße zu verlegen und sogar durch Tunnel durch den Berg zu führen.

 

Auf der Passhöhe angekommen, konnte ich zumindest sehen, dass sich hinter Silifke eine große Ebene ausbreitet. Das Taurus-Gebirge liegt bald hinter mir. „Taurus“ kommt aus dem lateinischen und bedeutet „Stier“. Und diesen Stier hatte ich bei den Hörnern gepackt und bezwungen. Die Abfahrt in die Stadt war zwar nicht so euphorisch wie gestern, aber zufrieden war ich schon.

 

Wieder war das Zimmerfinden kein Problem. Nur das mit dem Essengehen hat heute nicht geklappt. Die meisten Restaurants haben wegen des Zuckerfestes immer noch geschlossen, aber wenigstens habe ich in einem Supermarkt eine Dose Bier erbeutet.

 

Und das schmeckt hervorragend.

Bis morgen!

Ortsschild von Silifke mit Burg im Hintergrund
Ortsschild von Silifke mit Burg im Hintergrund

Mut tut gut - 2. Mai 2022

Mut tut gut! Dieser Spruch ging mir heute gegen Mittag durch den Kopf, als ich an der Passhöhe auf 1650 Metern über dem Meer angekommen war.

 

Ich erinnere mich noch sehr intensiv an den Tag, als ich in Isparta ankam. Ich war so erschossen, dass ich mich erst einmal 1,5 Stunden aufs Bett gelegt habe, und zu nichts mehr in der Lage war. Jerusalem – das schaffst du nie, habe ich damals gedacht und ich fing an,mir Gedanken zu machen, wie ich mein Los erträglich machen konnte. Die zwei Tage in Egirdir und die anschließende Busfahrt nach Konya waren das Ergebnis und eigentlich sollte auch die Tour heute mit dem Bus absolviert werden. Gut 1000 Höhenmeter schienen mir nicht mehr schaffbar.

Auf der Passhöhe
Auf der Passhöhe

Allerdings meldete sich auch meine Pilgerehre zu Wort. Dies erst recht, als die 120 Km von vorgestern doch relativ problemlos über die Bühne gingen. Also wollte ich es noch mal versuchen, das Taurusgebirge zu bezwingen. Und so saß ich heute morgen um 9.30 Uhr wieder auf dem Rad und fuhr in Richtung Mut, oder besser erst einmal in Richtung Gipfel. Sollte das nicht klappen, wollte ich einfach umdrehen und zurück nach Karaman rollen und dann den Bus nehmen.

 

Alle 5 Km wollte ich eine kleine Erholungspause machen. Aber schon nach 10 Km merkte ich, dass es doch nicht so anstrengend wird, wie gedacht und so lief ich als nächstes nach 23 Km eine Tankstelle an und gönnte mir eine Cola und eine längere Pause. !0 Km waren es da noch bis zum Pass und die sollten es noch in  sich haben. Ich schaltete mein Ebike in Unterstützungsstufe 2 und nahm den Berg mit 12 Km/ in Angriff. Die letzten drei Km sogar in Stufe 3. Es war ein tolles Gefühl, als ich oben war.

Da unten wollte ich hin
Da unten wollte ich hin

Mach dich nicht kleiner, als du bist, dachte ich mir und gratulierte mir dazu, heute morgen wenigstens den Versuch gemacht zu haben.  Und jetzt war ich oben! – Ein herrliches Gefühl!

 

Auch die Fahrt war bislang sehr angenehm gewesen – mit Ausnahme der Steigungen. Gestern Abend hat mit dem Fastenbrechen das Zuckerfest angefangen und somit ist heute in der Türkei gesetzlicher Feiertag. (Wahrscheinlich waren auch deshalb gestern zum Abendgebet so viele Männer in der Moschee). Auf der Nationalstraße war folglich nicht viel Verkehr, LKW fehlten fast vollständig. Außerdem war der Himmel bewölkt und damit die Temperaturen sehr erträglich.

 

Und ich war oben und genoss meinen Erfolg und die Aussicht! Dann folgte eine ca 4 Km lange Abfahrt. Ich ließ mein Rad bis ca 40 Km/h frei rollen und ab dann bremste ich langsam ab. Dann folgten etwa 5Km auf und ab und dann ging es richtig los: Es folgte eine 33 Km lange tolle Abfahrt, auf der ich oft mein Rad abbremsen musste. Ich kam in eine richtige Euphorie rein: Herr Müller, sagt der Arzt zum Patienten: Sie sind übern Berg – jetzt geht’s bergab! Und wie…

Rasante Anfahrt

Auf einem Parkplatz am Straßenrand machte ich Pause. Der Blick ging zurück zum Berg, wo ich herkam und voraus ins Tal, wo ich hinwollte. Es war ein regelrechter innerer Jubel! Und in dieser Stimmung betete ich meine Pilgerlieder. Beim Jerusalemlied von Ofra Haza bestand bei mir kein Zweifel mehr: Jerusalem – ich komme!

 

Und ich dachte an viele Freunde und Bekannte, die mir vor meiner Pilgertour sagten: Das finde ich aber mutig. Ich empfand mich aber gar nicht als mutig, sondern vielmehr als neugierig auf das, was auf mich zukommt. Ja,und ich bin stolz auf diese Neugierde und darauf, wie weit ich jetzt schon gekommen bin.

Die Hauptmoschee von Mut
Die Hauptmoschee von Mut

Wieder ließ ich mein Rad rollen bis auf den tiefsten Punkt, 220m über dem Meer. Dann ging es noch einmal 130 m hoch und ich war in Mut angekommen. Allerdings muss ich ehrlich sagen, dass mir die letzte Steigung doch noch einiges abverlangte.

 

Schnell fand ich ein Hotel, kochte mir einen Pott Kaffee und stieg unter die Dusche. – Herrlich!

 

Danach machte ich mich auf den Weg und besuchte die beiden Sehenswürdigkeiten der Stadt: Die Hauptmoschee – schon fast 800 Jahre alt und die Burg, die in ihrem Kern noch aus byzantinischer Zeit stammt und sehr gut erhalten ist. Von der Burg aus hatte ich einen schönen Blick über die Stadt und entdeckte auch an einem Berghang die türkische Flagge,  die dort auf den Boden gemalt (oder Ähnliches) ist. Angeblich soll sie 2 Hektar groß sein.

Die 2 Hektar große türkische Nationalflagge

Beim Rundgang merkte ich aber auch, dass nicht mehr viel Kraft in den Beinen war. Ich setzte mich in den Stadtpark, ruhte ein wenig aus und ging dann langsam zum Hotel zurück. Und noch immer klingt die Freude in mir nach: Du hast es geschafft!

 

Morgen liegen noch einmal 1000 Höhenmeter vor mir. Mein Ziel ist Silifke, die Stadt, in der Kaiser Friedrich Barbarossa beim dritten Kreuzzug ertrunken ist. Mal sehen, wie es mir ergeht…

Die Burg von Mut

Binbir Kilese - 01. Mai 2022

Heute ging es also zu einem zweiten archäologischen „Leckerbissen“ in der Umgebung von Konya und Karaman: Das Ziel war Binbir Kilese, auf deutsch „1001 Kirchen“, etwa 30 Km von Karaman entfernt. Der Name stammt von britischen Forschern, die das Gelände Ende des 19. Jahrhunderts „entdeckt“ haben. Das, was heute weitgehend Ruinen sind, war damals noch wesentlich besser erhalten. Es wird deshalb vermutet, dass ein starkes Erdbeben nach 1890 dafür verantwortlich ist.

 

Wenn man von Karaman kommt, fällt in Madensehri direkt am Dorfeingang eine große Kirchenruine ins Auge, die aber nur einen Vorgeschmack liefert, auf das, was einen im etwa 10 Km entfernten Degle erwartet. Dort ist ein riesiges Gelände mit Kirchenruinen, ehemaligen Klosteranlagen und sonstigen Gebäuden zu besichtigen.

Degle war zu byzantinischer Zeit ein sehr bedeutender kirchlicher Ort. Der dort ansässige Bischof war maßgeblich an wichtigen kirchlichen Konzilien beteiligt. Bis etwa ins 9. Jahrhundert, war die Anlage lebendig, dann wurden die Mönche usw von den Muslimen vertrieben und der Ort begann zu verfallen. Eine Kirchenruine konnte ich besuchen, die danach als Moschee umgenutzt worden war.

 

Eigentümlich ist auch noch, dass auch heute noch einige Menschen in Degle wohnen. So liegen direkt neben den ehemaligen Kirchen Wohnhäuser, die z.T. auch aus Steinen der zusammengefallenen Kirchen gebaut wurden. Es war ein sehr eigenartiges Gefühl, da durchzugehen. Die große kirchliche Vergangenheit war fast mit Händen zu greifen, aber sie war eben Vergangenheit. Und der Ort war auch Ausdruck davon, welche materiellen Möglichkeiten, die Kirche schon damals hatte.

Ich erinnere mich noch sehr gut, dass ich im Verlauf meiner ersten Radpilgertour nach Santiago in Burgos die Kathedrale besichtigt habe: Ein pompöser Bau, dessen Innenraum reichlich mit Gold ausgestattet war. Und dies zu Ehren eines armen Wanderpredigers aus Israel. Irgendwann wurde es mir zu viel und ich musste die Kirche verlassen. Einige Tage später sprach ich mit einem Mitpilger darüber und er sagte mir, dass solche Bauten nicht zuerst der Ehre Gottes dienten, sondern zuerst Ausdruck der Macht und des Reichtums der Stadt waren.

 

Ob das hier auch der Fall war? Ich weiß es nicht, meinte aber manchmal, es ahnen zu können.

 

Ich schritt weiter durch das Ruinenfeld und fand eine Kirche, deren Apsis noch stand. In die setzte ich mich hinein und betete meine Pilgerlieder. Ja, dieser Ort atmet Geschichte und führt in die Kirchengeschichte zurück in eine Zeit, in der die Germanen von der Christianisierung noch Jahrhunderte entfernt waren.

Degli und Mandensehri sind sehr beeindruckende Orte, aber Kilistra vorgestern ist mir mehr unter die Haut gegangen. Vielleicht lag es daran, dass der Ort geschichtlich noch weiter in die Frühgeschichte des Christentum zurückreicht, und die quasi unzerstört gebliebenen Höhlen und Kirchen eine bessere Vorstellung von dem ermöglichten, wie es gewesen sein könnte – damals, als Christ sein noch gefährlich war…

 

Wer sich noch weitergehend über Birbin Kilese informieren möchte, findet bei Wikipedia interessante Artikel.

Nach zwei Stunden Aufenthalt fuhren wir zurück. Ich  ging etwas essen und machte dann einen Mittagsschlaf.

Die Siesta beendete ich mit einer Tasse Kaffee und dabei fing ich an, meine bisherigen Berichte zu lesen. Darin bin ich vollkommen versackt. Ich glaube, ich habe mehr als eine Stunde damit zugebracht. Zum einen war ich davon beeindruckt, wieviel ich schon erlebt hatte.

 

Zum anderen merkte ich, wie wichtig es auch für mich ist, diese Berichte zu schreiben. Viele Ortsnamen und Begebenheiten hatte ich fast schon wieder vergessen und beim Lesen kam es mir oft so vor, als würde ich wieder über die  Straßen radeln….

Den Taxifahrer hatte ich bei unserem Abschied noch gefragt, wo denn die schönste Moschee Karamans sei. Er gab mir eine Adresse und nach der Schlaf – und Lesepause setzte ich  mich aufs Rad, um sie zu besichtigen. Aber leider war sie geschlossen. Deshalb gin ich als nächstes in die Moschee die meinem Hotel am Nächsten liegt.

 

Ich wunderte mich schon, wie viele Männer da waren, und es kamen immer mehr.

 

Als ich dann den Imam mit seinem Mantel und seinem Hut sah, wurde mir klar, dass eine Gebetszeit bevorstand. Er schien ein junger Mann von etwa 30 Jahren zu sein und machte einen sehr netten Eindruck. Die Moschee füllte sich immer weiter und bei Beginn des Gebetes mögen etwa 100- längst nicht nur alte – Männer dagewesen sein. Und das an einem Werktag um 17.00 Uhr. Ich saß in einer Ecke der Moschee  und entschied mich zu bleiben.

Der Imam sang die ganze Gebetszeit durch. Die Männer schwiegen und begleiteten das Gebet mit ihrem Körper: Aufstehen- hinknien – die Stirn auf den Boden – usw.

 

Es war schade, dass ich nichts von dem, was gesungen wurde verstehen konnte und so fühlte ich mich ziemlich als Fremdkörper dort. Trotzdem war die fromme Atmosphäre beeindruckend.

 

Anschließend schlenderte ich noch durch den Basar, der lange nicht so groß war wie in Konya, kaufte noch einige Lebensmittel für heute Abend und den Weg morgen und ging ins Hotel. Irgendwie war ich müde…

Morgen geht es nach Mut – etwa 80 Km entfernt. Ich hatte sehr viel Respekt vor dieser Tour, weil es bis auf fast 1700 M hoch geht. Aber dann entdeckte ich auf meinem Navi, dass der Weg bis zu diesem Punkt etwa 35 Km lang ist und die Straße ziemlich gleichmäßig, also im Schnitt mit 3-4% ansteigt. Ich werde es wagen. Ab dann folgt eine rasante Abfahrt, die etwa ebenso lang ist, aber dafür etwa 1400 Meter Höhenunterschied bewältigt. Das muss genial sein und darauf freue ich mich. Außerdem macht die lange Abfahrt deutlich, dass ich mich wieder dem Mittelmeer nähere.

 

Morgen werde ich genauer davon berichten!

Kilometer - 30. April 2022

Knapp 120 Km sind es heute gewesen: Von Konya bis nach Karaman. Ich hatte mir selbst die Möglichkeit eingeräumt, schon nach etwa 50 Km in Cumra zu bleiben, aber ich war schon gegen 12.00 Uhr dort und mir ging es gut.

 

Ich hatte aber auch die besten Voraussetzungen für einen langen Fahrradtag: Die Strecke war sehr eben – ich hab ihr den Titel „türkisches Münsterland“ gegeben, der Himmel war bedeckt, ich hatte leichten Rückenwind und es lief einfach. Die meisten Straßen waren wenig befahrene Nebenstraßen und so war es ein rundes Vergnügen, unterwegs zu sein.

 

Die Landwirte waren sehr aktiv auf ihren Feldern, Entweder machten sie gerade die Aussaat oder  sie kümmerten sich um die Bewässerung ihrer Felder. Dazu muss man wissen, dass der Winter die Hauptniederschlagszeit hier ist, wo 70% der Jahresmenge an Regen fällt. Ich habe auf meiner Fahrt auch erst drei Regenschauer erlebt: einen in Kesan, 50 Km hinter der griechischen Grenze, einen vorgestern Abend in Konya und den dritten, verbunden mit einem leichten Gewitter, gab es heute – eine halbe Stunde, nachdem ich angekommen war. Ansonsten ziehen die  Traktoren auf den Feldern und Feldwegen eine lange Staubwolke hinter sich her.

 

Das Bewässerungssystem ist sehr ausgeklügelt. Es gibt viele Kanäle, die dafür angelegt wurden und immer wieder sieht man auch Grundwasserpumpen auf den Feldern stehen, an die dann Wasserrohre angeschlossen werden können.  Bereiche, die nicht landwirtschaftlich genutzt werden, erinnerten mich an die Steppe in Tansania.

 

Daneben bin ich an vielen Obstplantagen vorbeigefahren. Die Gegend hier eignet sich wohl sehr für den Apfelanbau.

Ob die Bewässerung der Felder nachhaltig ist, weiß ich nicht, - kann es aber nur hoffen…

Grundwasserpumpe für die Bewässerung
Grundwasserpumpe für die Bewässerung

Ich bin durch viele, kleine Dörfer gefahren, in denen mir auffiel, dass nicht wenige Häuser zu verfallen drohen. Auch in der Türkei besteht eine Landflucht. Viele junge Leute ziehen in die Städte, wo mehr Geld zu verdienen ist und die ländlichen Gebiete verlieren den Nachwuchs.

 

Nach ungefähr der Hälfte der Strecke, fuhr ich an einem Bauern vorbei, der mir etwas nachrief. Ich dachte, er grüßt  mich und winkte zurück. Kurz darauf war meine nächste Pause fällig und da sah ich, dass er auf seinem Motorrad näherkam. Er hielt an und sagte etwas auf türkisch. Ich verstand, dass es hier gefährlich sei und schloss auf „wilde Hunde“. Ich bellte fragend und er bestätigte es, und zeigte auf sein Bein: Da hinein hättte ihn wohl einer gebissen… Wilde Hunde – das ist ziemlich das Einzige, vor dem ich auf meiner Pilgertour Angst habe. In ihrem Buch „Auf dem Jerusalemweg“ beschreiben die drei Pilger, dass sie mit Mühe und Not ein Rudel abwehren konnten. Noch phantasieanregender aber auch der Wahrheit entsprechend ist die Tatsache, dass man den Rüden soweit möglich Metallhalsbänder mir Stahldornen umhängt, damit sie sich gegen Wölfe wehren können, die es auch in dieser Gegend gibt.

 

Das alles kam nun in meinen Kopf und ich überlegte, was zu tun sei. Eine Möglichkeit, wäre, zurück zur Nationalstraße zu fahren und darüber weiter nach Karaman. Aber das wäre ein großer Umweg. Die Alternative bestand darin, es zu wagen und als ich sah, dass der Bauer langsam über die Feldwege fuhr, um zu sehen, ob die Luft rein war, wagte ich es. In meiner linken Hand, hielt ich das Hundeabwehrgerät, dass sehr hohe Töne aussendet, die für Hunde extrem unangenehm sind. Aus meiner Lenkertasche holte ich zusätzlich eine Spraydose mit Pfefferspray, die ich  mir für den Fall der Fälle gekauft hatte. Ich fuhr weiter, ständig die Flächen rechts und links der Straße im Blick, um entsprechend vorbereitet zu sein.

 

Aber, wie ihr lesen könnt, lebe ich noch. Es ist nichts passiert.

Wo das Wasser hinkommt, ist Leben!
Wo das Wasser hinkommt, ist Leben!

Ach ja, bestimmt 50 Km bin ich heute parallel zur Hochgeschwindigkeitsstrecke der türkischen Eisenbahn von Damaskus nach Ankara gefahren. Ich habe aber nur einen Zug gesehen. Insgesamt erscheint die Verkehrsinfrastruktur, was z.B. Straßen und Eisenbahnen angeht, sehr großzügig geplant zu sein. Beide können noch erheblich mehr Verkehr aufnehmen.

 

Gegen 16.30 Uhr traf ich dann in Karaman an und fand schnell ein recht gutes Hotel. Es kostet 160 Lira pro Nach, incl Frühstück, also etwa 10 Euro.

 

Auf dem Hotelzimmer angekommen, ließ ich mich erst einmal in den Sessel fallen, kochte mir dann einen Kaffee und ging duschen. Das habe ich im Hotel in Konya nicht gewagt, dafür war selbst mir die Dusche zu dreckig…

 

Dann holte ich mir die neuesten Informationen aus der Bundesliga: „Mein“ 1. FC Köln hat schon wieder gewonnen und es spricht alles dafür, dass „wir“ in der nächsten Saison im internationalen Fußball mitmischen werden!

Zunehmend verfallen die Dörfer
Zunehmend verfallen die Dörfer

Anschließend ging es um die Planungen für den morgigen Tag. Ich fuhr zum Busbahnhof, um mich zu erkundigen, ob von hier vielleicht ein Bus nach Madensehri zu den „Binbir Kilese“ fährt zu den „1001 Kirchen“. Aber das war leider nicht der Fall, und so einigte ich mich mit einem Taxifahrer darauf, dass er mich für 500 Lira hin- und zurückfährt, und vor Ort zwei Stunden auf mich wartet. Okay, das ist immer noch erheblich billiger als in Kilistra.

 

Noch etwas habe ich vergessen: Mittlerweile habe ich Kontakt zu den Franziskanern in Haifa/Israel geknüpft. Ich hoffe, dass sie mir helfen können, meine Probleme mir der Überfahrt von Zypern nach Haifa zu lösen. Nähere Informationen gibt es, wenn ich mehr weiß…

 

Einen schönen Abend und gute Nacht!

 

Die Hochgeschwindigkeitssttrecke der türkischen Eisenbahn
Die Hochgeschwindigkeitssttrecke der türkischen Eisenbahn

Reise in die Vergangenheit - 29. April 2022

Ich habe ausgesprochen gut geschlafen in dieser Nacht. Während ich in den letzten Tagen mehrmals mit wilden Träumen wach wurde, blieben diese jetzt aus und an ihre Stelle traten mehr harmonische Träume.

 

Vielleicht ist das auch ein Anzeichen dafür, dass ich innerlich immer ruhiger werde. Schön wäre es…

Uralte Steintreppe in Kilistra
Uralte Steintreppe in Kilistra

Punkt neun stand das Taxi vor dem Hotel und brachte mich nach Kilistra, etwa 60 Km von Konya entfernt. Kurzzeitig hatte ich ja überlegt, die Strecke mit dem Rad zu fahren, aber spätestens als ich sah, welche Steigungen zu bewältigen waren, war ich überzeugt, die richtige Entscheidung getroffen zu haben.

 

Bei Kilistra soll es sich (die Wissenschaft ist sich aber nicht sicher) um das biblische Lystra handeln, aus dem auch Timotheus und Thekla stammen, beide enge Gefährten des Paulus. An Timotheus sind sogar zwei Briefe in der Bibel überliefert. Alle drei sind dann ja den Märtyrertod gestorben.

 

Es dauerte einige Zeit, bis wir den Ort gefunden hatten, aber was dann folgte, war noch beeindruckender als Pamukkale und Ephesus. Wir stießen auf Höhlen, die sich im Laufe der Jahrtausende in den Sandstein gegraben hatten, und dann von Menschen mit Hammer und Meißel (gab es die da schon?) ausgebaut wurden. Diese Höhlen waren auch Fluchtpunkte für die  Christen während der Verfolgungen in den ersten drei Jahrhunderten. Es wurde für sie vor allem deshalb gefährlich, weil sie es ablehnten, den römischen Kaiser als Gottheit zu verehren. Damit stellten sie einen wesentlichen Teil der römischen Staatsordnung in Frage und das wiederum kostete viele ihr Leben.

Felsenkirche - Außenansicht
Felsenkirche - Außenansicht

Auf den Fotos zeige ich einige dieser Höhlen, z.T. wie gesagt, um sie zu bewohnen, zum anderen Teil wurden sie offensichtlich als Beisetzungsplätze verwendet und eine andere wurde sogar als Kirche ausgebaut – mit Altarapsis, Bänken und Nischen in den Wänden, die entweder ausgemalt waren oder durch Figuren geschmückt wurden. Ich kann kaum ausdrücken, wie tief mich das berührt hat. Ich hatte das Gefühl, aus den Quellen des Glaubens trinken zu können. Näher dran kommt man wohl nur im Heiligen Land selbst…

 

In der Kirche kniete ich mich und betete meine Pilgerlieder. Bei dem aramäischen Vater unser habe ich mir angewöhnt, den deutschen Text an den jeweiligen Stellen des Liedes mitzusprechen. Dabei bemerkte ich, wie der Raum von meiner Stimme her hallte und ich hatte das Gefühl, dass das der Hall der Jahrhunderte war, in denen dieses Gebet hier immer und immer wieder gebetet wurde. Ich habe dann das Vater unser mit meinem Sprachrekorder aufgezeichnet. Wenn es klappt schicke ich die Datei in der Anlage mit.

 

So schaute ich mir nach und nach die ganze Anlage an, voller Staunen über diesen Ort.

Innenansicht
Innenansicht

Wissen muss man noch, das solche Felsen in der weiten Umgebung von Kilistra anzutreffen sind. Sonst wären sie ja nicht als wirkliche Verstecke vor den römischen Verfolgungen  geeignet gewesen.

 

Beim Nachsinnen darüber fiel mir ein, dass ich vor Jahren einmal einen Muslim gehört habe, der sagte: Ihr Westler habt nur etwas, für das ihr leben könnt. Wir aber haben auch etwas, wofür wir sterben können. Ich meine jetzt nicht, dass wir mutig werden sollen in dem Sinne, uns einen Sprengstoffgürtel um den Leib zu binden und mit uns auch viele andere in die Luft zu jagen. Sondern die Frage bleibt: Haben wir etwas Wichtigeres als unser Leben? Viele der ersten Christen (aber auch nicht alle) waren bereit, wenn es sein musste, für ihren Glauben eher zu sterben, als ihn zu verraten.

 

In Rom gab es damals das Sprichwort: „Das Blut der Märtyrer ist der Same für neue Christen.“ Das heißt: Ihre Bereitschaft, notfalls für ihren Glauben zu sterben, muss auf viele andere einen solchen Eindruck gemacht haben, dass sie neugierig wurden auf die Christen und ihren Glauben.

Ich persönlich hatte solch ein Erlebnis in meinem Vater sein. „Meine Kinder sind wichtiger als ich!“ habe ich oft gedacht und es war ein tiefes Gefühl voller Liebe…

 

Vielleicht ist es heute bei uns ein Grund für die Krise des Glaubens, dass er mehr schmückendes Beiwerk als lebensbestimmende Richtschnur ist…

Höhle mit Grabstelle
Höhle mit Grabstelle

Dann entdeckte ich auf meiner Karte, dass etwa einen Km entfernt noch eine Paulus Kirche existiert. Wir fuhren hin und es war genau so eine Höhlenkirche. Tief beeindruckt habe ich diesen Ort verlassen, mit dabei war auch das traurige Gefühl, dass dies alles nun eine Art Museum geworden ist.

 

Wenn ich in Tansania war, wurde ich oft gefragt, ob die Kirche in Europa stirbt. Hier scheint sie schon gestorben…

Wohn-Höhle
Wohn-Höhle

Gegen 13.00 Uhr waren wir wieder in Konya. Ich aß etwas zu Mittag und dann genehmigte ich mir einen Mittagsschlaf – sehr wohltuend.

 

Anschließend streifte ich durch das Basar-Viertel der Stadt. Es macht den Eindruck, dass jede Straße ihr eigenes Warenangebot hat. In der einen gibt es Schuhe, in der anderen Kleidung, in der  dritten Schmuck, in einer anderen alle Arten von Süßigkeiten usw usw

 

Mein eigentliches Ziel war aber ein anderes. In dem Buch „Auf dem Jerusalemweg" erzählen die drei Pilger von ihrem Besuch in der katholischen Paulus-und Theklakirche Konyas. Nach einigem Suchen fand ich sie ganz in der Nähe der Salaadin-Moschee, versteckt in einer Seitenstraße, aber immerhin: Mit zwei Türmen und auf jedem ein Kreuz. Irgendwie kamen Heimatgefühle auf. Die letzte Kirche hatte ich ja in Izmir gesehen. Ich ging hinein und sprach eine Frau mittleren Alters an, die hier offensichtlich Aufsicht führte. Sie stellte sich als Schwester Maria Gratia aus Italien vor, die zusammen mit einer Mitschwester den Kirchenbetrieb aufrecht hielt. Es gäbe nur eine sehr kleine Gemeinde katholischer Christen hier in Konya und sie hätten auch nur alle vier Wochen hier eine Sonntagsmesse. Dazu wechselten sich die Pfarrer aus Izmir, Ankara, Antalya und Tarsus ab. Es war ein sehr herzliches  Gespräch – zwischen Glaubensbruder und -schwester.

 

Außerdem gab sie mir einen Stempel in meinen Pilgerpass – den ersten seit Izmir.

 

Wir verabschiedeten uns herzlich und wünschten uns viel Segen. Ich verließ die Kirche und mich beschlich ein Gefühl der Traurigkeit. Ja, es gibt sie auch: Die Einsamkeit des Pilgers… Ein wenig meinte ich auch, dieses Gefühl bei ihr herausgehört zu haben. Denn sie war jetzt schon seit sechs Wochen allein und wartete sehnsüchtig auf ihre Mitschwester.

 

Paulus- und Thekla-Kirche in Knoya - Innenansicht
Paulus- und Thekla-Kirche in Knoya - Innenansicht

Ich schlenderte durch den Basar zurück zum Hotel, aß unterwegs noch eine türkische Pizza, legte mich ein wenig aufs Bett und spürte der Traurigkeit nach. Bei aller Kritik an ihr ist die Kirche für mich doch auch Heimat. Das spürte ich mit aller Deutlichkeit und wahrscheinlich merkt man das am Deutlichsten, wenn man im Elend ist.

 

Vor Jahren habe ich einmal nach den sprachlichen Wurzeln dieses Wortes gesucht und würde fündig. Elend kommt vom hochmittelalterlichen Wort „Elende“, das bedeutet „aus dem Lande sein“, also so wie ich mich heute Nachmittag fühlte: heimatlos und etwas allein…

Schwester Maria Gratia
Schwester Maria Gratia

Morgen steht wieder eine Radtour an. Über 120 meist ebene Kilometer wird sie mich nach Karaman führen. Von dort aus werde ich wieder einen Ausflug machen: nach Binbir Kilese. Dort ist ein relativ gut erhaltenes Ruinenfeld mit einer Kathedrale und einer großen Klosteranlage aus byzantinischer Zeit zu sehen. Binbir Kilese heißt auf Deutsch: 1001 Kirchen.

 

Einen schönen Abend und eine gute Nacht in die Heimat!

Außenansicht der Kirche

Bus- und Fusswallfahrt - 28. April 2022

Heute bin ich die größte Strecke auf meiner Pilgerreise vorangekommen. Um 9.00 Uhr fuhr  der Bus in Egirdir ab und gegen 12.45 sind wir in Konya angekommen. Erster Haltepunkt war übrigens Yalvac, in dessen Nähe das alte Antiochia in Pisidien liegt.

 

Der Reisebus war sehr komfortabel und so war es eine sehr erholsame Tour. Auf meinem Navi konnte ich sehen, dass es bis auf 1400 Meter hoch ging und das mehrmals. Ich glaube, das wäre mit dem Rad der schwerste Abschnitt meiner Tour geworden. Und so schwankte ich ein wenig zwischen Erleichterung darüber, hier nicht herfahren zu müssen und dem schlechten Gewissen, vor dieser Etappe gekniffen zu haben.

Abschied aus Egirdir
Abschied aus Egirdir

Aber auch mein Zeitplan fängt an zu drücken. Ich möchte wenigstens zwei Wochen in Israel Zeit haben, und so blieb mir auch nichts anderes übrig.

 

Konya ist eine Millionenstadt mitten im Taurus-Gebirge. Das wird u.a. daran deutlich, dass ich vom Busbahnhof noch 12 Km bis ins Stadtzentrum zu radeln hatte. Mit der Lage meines Hotels habe ich Glück gehabt. Es liegt direkt am Basar-Viertel und beherbergt viele beeindruckende Moscheen.

 

Nachdem ich eingecheckt hatte, suchte ich zunächst nach einer Autovermietung, um mir für morgen ein Fahrzeug für den Ausflug nach Kilistra zu besorgen. 3 Km bin ich bis zu Europ-Car gegangen, wo man mir aber sagte, dass wegen des Endes des Ramadan alle Geschäfte, die nicht der Grundversorgung dienen eine Woche lang geschlossen haben. Also gabs kein Auto.

Ankunft in Konya
Ankunft in Konya

Im Hotel fragte ich den Inhaber, ob er vielleicht einen Bekannten hätte, der sich Geld verdienen wolle. Er telefonierte und besorgte mir ein Taxi, aber das sollte 1000 Lira (etwa 70 Euro) kosten. Meine erste Überlegung war Ablehnung – zu teuer. Aber dann dachte ich: Du wirst in deinem Leben nie wieder die Gelegenheit haben, Kilistra zu sehen. Deshalb sagte ich dann doch zu. Morgen früh um 9.00 Uhr geht es los.

 

Dann gab es einen heißen Kaffee und anschließend machte ich mich auf Entdeckungstour durch die Stadt. Als erstes besuchte ich eine Moschee, die ganz in der Nähe lag, und von der ich beim ersten Sehen dachte, dass sie früher auch eine Kirche gewesen sein könnte.

 

Ich ging hinein, kniete mich hin, versuchte zu beten, aber beobachtete mehr die Männer bei ihrem Gebet. Zu Beginn stehen sie und legen die Hände hinter die Ohren und dann folgt ein Wechsel zwischen Stehen, Knien, mit der Stirn den Boden berühren und aufrecht mit nach oben geöffneten Händen zu knien. Zum Abschluss ihres Gebetes streichen sie sich mit ihren Händen über die Wangen, so als ob sie sich mit den empfangenen Gaben waschen wollen – sehr beeindruckend. Frauen dürfen nicht in den Hauptgebetsraum. Für sie ist ein abgeschotteter Bereich in der Moschee „reserviert“. von wo aus sie keinen Sichtkontakt zu den Männern haben.

Ein muslimischer Friedhof
Ein muslimischer Friedhof

Ich versuchte, im Internet etwas über diese  Moschee zu erfahren, scheiterte aber damit und fand stattdessen viel über eine „Sultan Salahadin Moschee“ auf dem gleichnamigen Hügel, etwa 1,5 Km entfernt. Ich machte mich auf den Weg  und kann wirklich nur sagen, dass dies der Höhepunkt des heutigen Tages war. Salahadin war ein Seidschukkenfürst um das Jahr 1200. Die Seidschukken stammen eigentlich aus Kasachstan, sind muslimisch geworden  und haben ihr Reich immer weiter ausgedehnt, bis nach Konya hin. Und seit dieser Zeit ist die Moschee praktisch unverändert geblieben, bis auf zwei Mausoleen, in denen die Fürsten beigesetzt sind. Die Moschee hatte einen großen Vorhof, der von hohen Mauern umgrenzt ist. Allein schon in diesen Bereich einzutreten, bedeutete, die Heiligkeit dieser Anlage zu spüren. Mit Ausnahme eines Brunnens in der Mitte und den beiden Mausoleen war nichts bemerkenswertes in diesem Vorhof, und trotzdem strahlte er eine Ruhe aus, die beeindruckte.

Die Salahadin Moschee
Die Salahadin Moschee

Auch innen war sie, wie übrigens fast alle Moscheen, sehr schlicht gehalten, mit Ausnahme der Treppe, die zum Predigtplatz des Imam beim Freitagsgebet führt und dem Gebetsplatz, einer Nische in der Wand, die immer nach Mekka ausgerichtet ist.

 

Die Predigttreppen war aus Holz, wahnsinnig kunstvoll geschnitzt und der Gebetsplatz war umgeben von hellblauen Kacheln, auf die Koranverse aufgemalt waren. Ansonsten trugen viele Säulen die flache Decke und der Raum war sehr schlicht – und genau das wirkt…

Der Predigtstuhl

Am Eingang steht auf Englisch und Türkisch, dass man mit den Schuhen nicht den Teppich betreten darf. Zu Moses sagt Gott am brennenden Dornbusch: Zieh deine Schuhe aus, denn der Boden, auf dem du stehst, ist heiliger Boden. Für mich heißt das: Lass nichts zwischen dir und diesem heiligen Boden sein – nicht mal deine Schuhsohlen…

 

Hier war ein guter Ort, um meine Pilgergebete zu verrichten.

Die mit Fliesen eingerahmte Gebetsnische
Die mit Fliesen eingerahmte Gebetsnische

Ich blieb lange dort und schlenderte dann noch über  den Hügel, von dem aus man einen schönen Blick, auch über  die moderne Stadt hat. Anschließend machte ich mich auf den Weg zurück ins Hotel unnd kaufte unterwegs noch Lebensmittel für den morgigen Tag ein. Der Ramadan geht zu Ende und das Zuckerfest naht.  In den Auslagen der Geschäfte lagen sehr viele Süßigkeiten. Während ich schreibe, hat der Muezzin sicher schon drei Mal zu Gebeten aufgerufen. Und an einigen Straßenecken werden Böller gezündet. Lange nichts so viel wie bei uns an Silvester, aber immer hin. Es muss wirklich eine besondere Zeit sein…

Der Innenraum der Moschee
Der Innenraum der Moschee

Konya hieß zu neutestamentlichen Zeiten übrigens Ikonium. Im 14. Kapitel der Apostelgeschichte wird berichtet, dass Paulus und Barnabas hier viele zum neuen Glauben bekehrten, dass es aber auf der anderen Seite eine starke Spaltung in der Bevölkerung gabe, so dass die beiden es für klüger hielten, aus der Stadt zu flüchten, z.B. nach Lystra, dem heutigen Kilistra, zu dem ich morgen hinwill.

 

Ich werde euch berichten!

Blick auf das moderne Konya
Blick auf das moderne Konya

 

 

Ein Tag Urlaub - 27. April 2022

Heute war Entspannung angesagt: In aller Seelenruhe die Stadt anschauen, den See genießen und gucken, was kommt.

 

Erst einmal habe ich für meine Verhältnisse sehr lange geschlafen. Erst um 7.30h sagte ich dem neuen Tag „Guten Morgen“, machte mir einen großen Pott Nescafe und setzte mich damit ans Fenster, von wo aus ich einen wunderschönen Blick auf den See habe.

Morgenstunde am See
Morgenstunde am See

Gegen 10.00 Uhr setzte ich mich dann aufs Rad und fuhr ins 2 Km entfernte Städtchen. Unterhalb der Zitadelle war Markt und ich schlenderte darüber. Vielen Sorten Gemüse und Obst wurden angeboten. Dann bestieg ich den Burgberg und nahm mir viel Zeit, die Stadt von oben anzuschauen. Kaum jemand anderes verirrte sich bis dort hin und so hatte ich ein ruhiges Stündchen.

 

Gegen 12.00 Uhr meldete mein Magen Bedürfnisse an  und ich fand ein direkt am See gelegenes Restaurant, wo ich mir ein Fischgericht einverleibte - Sehr lecker.

 

Dann machte sich eine wohlige Mittagsmüdigkeit breit. Ich fuhr ins Hotel zurück und legte mich für 1,5 Stunden hin. – Herrlich!

Markttag in Egidir
Markttag in Egidir

Ich fuhr in die Stadt zurück und schaute mir die Moschee an. In Griechenland beeindruckten mich die Kirche ja durch ihre reiche Bebilderung, bei den Moscheen ist gerade das Gegenteil der Fall. Sie beeindrucken mich durch ihre Schlichtheit, da im Islam ja ein strenges Bilderverbot herrscht.

 

Dafür fehlt in den Moscheen jegliche Bestuhlung. Und  der Raum kann durch seine Weite wirken. Ich kniete mich auf den Teppich und verbrachte lange im Gebet.

 

Jede Religion besteht aus jahrhundertealten Erfahrungen der Menschen mit dem Unsagbaren und will zugleich Wege zu ihm aufzeigen. Mögen die Wege auch unterschiedlich sein und mögen sich auch viele Fehler und Sünden auf diesen Wegen eingeschlichen haben – das Ziel ist allen gemeinsam und das Ziel – Gott – steht nicht in unserer Verfügbarkeit.

Deshalb macht es doch viel Sinn, die anderen Religionen danach zu befragen, wie sie uns bereichern können, und nicht danach, was ihnen fehlt, damit sie so sind wie wir.

Die Zitadelle von Egidir
Die Zitadelle von Egidir

Danach ging es zum Busbahnhof, um nach einer Verbindung nach Konya für morgen zu fragen. Um 9.00 Uhr fährt mein Bus.

 

Anschließend suchte ich mir einen Platz am See, um meine letzten Tage in der Türkei zu planen. Morgen geht es also nach Konya. Auch am darauffolgenden Tag bleibe ich dort, bzw nehme einen Leihwagen, um nach Kalistra zu fahren. Das ist der türkische Name für das biblische Lystra, in dem auch Paulus gewirkt hat. Von der alten Stadt soll aber nicht mehr viel zu sehen sein, dafür gibt es ganz in der Nähe eine Höhlenstadt, in die sich die ersten Christen bei Verfolgungswellen zurückgezogen haben. Ich bin gespannt.

 

Am nächsten Tag sitze ich wieder auf dem Rad und fahre nach Karaman, etwa 100 Km von Konya entfernt. Die ganze Strecke läuft über eine Hochebene mit ganz geringen Steigungen, so dass ich die Strecke wohl (hoffentlich) gut schaffen werde. Auch in Karaman werde ich zwei Mal übernachten und am zweiten Tag eine (Ruinen)stadt der 1000 Kirchen besuchen, ebenfalls auch frühchristlicher Zeit.

 

Anschließend geht es mit dem Bus weiter nach Silifke, das schon wieder nah am Mittelmeer liegt. Dort soll der deutsche Kaiser Friedrich I. (Barbarossa) beim dritten Kreuzzug in einem Fluss ertrunken sein. Von dort geht es in zwei Tagesetappen  nach Mersin, der Hafenstadt, von der aus ich nach Zypern übersetzen werde. Allerdings werde ich vorher noch einen Tagesausflug nach Tarsus machen, der Geburtsstadt von Paulus und ihm dort die Referenz erweisen.

Monumentaler Eingang zur Moschee
Monumentaler Eingang zur Moschee

Eine Woche werde ich dann etwa Zeit haben, um Zypern kennenzulernen und um von dort aus die Überfahrt nach Israel zu planen. Die ist nämlich etwas kompliziert, aber das wäre zu viel des Guten, die Schwierigkeiten und deren mögliche Lösungen hier aufzuzeigen.

 

Zwei Wochen bleiben dann noch für Israel – Jerusalem kommt langsam näher…

Innenhof der Moschee
Innenhof der Moschee

Ach ja, bei den Planungen der Stationen am Weg hilft mir sehr das Buch von Johannes Aschauer: „Auf dem Jerusalemweg“. Er ist 2010 zusammen mit zwei Freunden diesen Weg von Österreich aus gegangen und versucht seitdem mit dem Verein „Jerusalemweg“ (www.jerusalemway.org) die Jerusalemwallfahrt wieder neu zu beleben. Für die vielen Tipps und Hilfestellungen bin ich dem Verein sehr dankbar.

Innenhof der Moschee
Innenhof der Moschee

Anschließend besorgte ich mir am Geldautomaten noch frisches Bares, kaufte Lebensmittel für das morgige Frühstück und fuhr noch mal zur Michaelskirche, bedankte mich dort für die tiefen Erlebnisse gestern, und gönnte mir noch in einem Restaurant ein leckeres Abendessen.

 

Ein schöner, entspannter Tag geht nun zu Ende und ich freue mich darauf, wie es weitergeht…

Innenraum der Moschee
Innenraum der Moschee

Es ist gut in Egidir - 26. April 2022

Was eine gute Nacht doch alles ausmacht. Gestern bin ich gegen 10 schlafen gegangen und habe mit zwei Unterbrechungen bis 6.30 Uhr geschlafen. Allerdings habe ich auch viel geträumt. Immer ging es um innere Diskussionen, welche Wege ich nun gehen soll. Im Traum war es um einiges wirrer als in der Wirklichkeit, aber dieses Thema beschäftigt mich schon sehr intensiv.

 

Nach einem guten Frühstück packte ich meine Sachen zusammen und machte mich gegen 10.30 Uhr auf den Weg. Noch immer fühlte ich mich nicht richtig fit, aber die heutige Tour sollte ja nur knapp 40Km lang sein und ein Blick auf mein Navi sagte mir auch, dass der Weg über die Nationalstraße sogar einen Kilometer kürzer war, als die Fahrradroute, die mir mein Navi vorschlug. Außerdem waren auf ihr nur halb soviel Steigungen zu bewältigen. So fiel meine Entscheidung in Richtung Schonung.

"Ausblick" beim Verlassen von Isparta
"Ausblick" beim Verlassen von Isparta

Die Nationalstraße war auch nicht sehr stark befahren, so dass der Weg heute gut zu machen war. Rod Stewarts „Sailing“ sang mir immer wieder durch den Kopf. Will da was hochkommen?

 

Alle 10 Km machte ich eine längere Pause, und bald schon lag die letzte Steigung vor Egidir vor mir. Für kurze Zeit musste ich die stärkste Unterstützungsstufe meines Ebikes  zur Hilfe rufen, und dann lag die Stadt vor mir, bzw unter mir. Egidir liegt am gleichnamigen See, der der zweitgrößte Süßwassersee der Türkei ist. Und die Stadt verdankt ihre Gründung wohl einer Karawanserei.

 

Der See löste eine wirkliche Entspannung bei mir aus. Es roch richtig nach Urlaub…

 

Und so setzte ich mich zuerst an ein Strandrestaurant, aß etwas zu Mittag und genoss die Atmosphäre. Dann fuhr ich auf die Halbinsel, die etwa 2 Km in den See hineinreicht. Dort suchte ich  mir ein Zimmer und genehmigte mir im Hotel ein „Effe“, leckeres türkisches Bier. Es sollte auch die Aufgabe haben, mir die nötige Bettschwere für den folgenden Mittagsschlaf zu verschaffen.

Egidir liegt "mir zu Füßen"
Egidir liegt "mir zu Füßen"

Ich war überhaupt nicht müde  oder erschöpft und darüber freute ich mich – nach den Erfahrungen von gestern – über alle Maßen. Ein Stündchen dauerte der Schlaf und dann machte ich mich auf den Weg, die Halbinsel zu erkunden. Einerseits ist sie ein typischer Urlaubsort mit vielen Restaurants, Pensionen und Hotels und andererseits hatte ich auf dem Stadtplan gesehen, dass auf ihr auch eine St. Andreas-Kirche stehen sollte, die erste Kirche, die ich nach Izmir zu Gesicht bekam. Leider war sie geschlossen, und der Hotelbesitzer sagte mir, dass sie nur Samstags geöffnet hätte. Schade, ich hätte gern darin gebetet.

 

Dann fuhr ich weiter und kaufte einige Lebensmittel für morgen ein, kam ins Hotel zurück, und überlegte, was ich jetzt machen könne. Da kam mir die Idee: Wenn ich schon nicht in der Kirche beten, dann gehe ich dort hin und bete vor ihr.

 

Ich zog mich etwas wärmer an, weil in Zwischenzeit ein starker Wind eingesetzt hatte und machte mich auf den Weg. Direkt vor der Apsis war ein kleines Stück Wiese und so setzte ich mich darauf und machte die Pilgerlieder auf meinem Smartphone startklar. Zuerst hörte ich Yerushalaim von Ofra Haza. Dieses Lied bringt mir immer wieder mein Ziel vor Augen, aber weniger im Kopf als im Gefühl. Es ist fast so wie die Aktivierung eines Magneten.

 

Aber diesmal ging es noch tiefer. Mit Jerusalem ist ja zum einen die Stadt in Israel gemeint, zum anderen ist in der Offenbarung des Johannes, dem letzten Bild der Bibel, vom „himmlischen Jerusalem“ die Rede, zu dem hin wir alle unterwegs sind. Und urplötzlich dachte ich an den Tag, an dem ich (hoffentlich) in diese himmlische Stadt „einfahren“ darf. Dieses Lied soll unbedingt auf meiner Beerdigung gespielt werden. Dieser Gedanke und dieses Gefühl waren so tief und stimmig, dass ich anfing zu weinen, nicht vor Glück oder Traurigkeit, sondern einfach deshalb, weil es mich gepackt hatte.

Die St. Andreas-Kirche (rechts neben der Apsis habe ich gesessen)
Die St. Andreas-Kirche (rechts neben der Apsis habe ich gesessen)

Mit den anderen beiden Liedern sollte es genau so sein. Ja, so wäre es gut und richtig.

 

„We are sailing – home again – cross the sea“ Rod Stewart hat schon recht…. Tief bewegt verließ ich nach einiger Zeit den Kirchplatz und setzte mich ans Meer: We are sailing…

 

Dann ging es zurück ins Hotel und ich spürte eine gute Müdigkeit. Das war ein guter Tag heute, ein wirklich guter Tag. Ich dachte auch noch darüber nach, wie ich die kommenden Tage gestalte. Morgen bleibe ich ja noch hier und besuche die Altstadt von Egidir.

 

Dann werde ich übermorgen mir dem Bus nach Yalvac fahren (ich schone  mich lieber noch ein wenig) und am selben Tag die Ruinen von Antiochia in Pisidien besichtigen, wo Paulus viele Spuren hinterlassen hat. Dann geht es weiter Richtung Konya, ob per Bus oder per Rad weiß ich noch nicht. Ich möchte eigentlich Mitte Mai in Israel eintreffen und muss noch mal genau durchrechnen, wieviel Radtagestouren noch vor mir liegen, und ob ich vielleicht noch die ein oder andere „Abkürzung“ per Bus nehmen muss.

Seeromantik
Seeromantik

Aber erst mal ist wichtig, dass ich nach dem gestrigen Tag wieder die Perspektive habe, wohin ich WILL – und das ist gut so!

 

Liebe Grüße!

Zwielicht beim Blick aus meinem Hotelzimmer

Eselstreiber - 25.04.2022

Als ich gestern Abend meinen Bericht zu Ende geschrieben habe, bin ich in der „Teestube“ noch ein wenig sitzen geblieben und sofort kamen Menschen, die mich ansprachen, und mir einen Tee nach dem anderen ausgaben. Ein Mann, Ismael, konnte auch ziemlich gut deutsch, weil er einige Jahre in Deggendorf an der Donau gewesen ist. Wir verabschiedeten uns, als der Muezzin zum Nachtgebet rief und er in die Moschee wollte.

 

Übrigens habe ich bei Wikipedia nachgelesen, was es mit dem „Ramadan-Trommeln“ auf sich hat. Die Menschen sollen dadurch geweckt werden, damit sie vor dem Sonnenaufgang ihr Morgengebet verrichten und ihr „Sukkuh-Mahl zu sich nehmen. Der strenggläubige Muslim verzichtet nämlich im Ramadan zwischen Sonnenauf- und  - untergang  auf jegliches Essen und Trinken.

 

Die Nacht war wieder nicht sehr gut. Meine Pension lag an einer viel befahrenen Straße, durch die auch nachts die LKWs knallten und entsprechend schlecht habe ich geschlafen. Schon gegen 9.15h saß ich auf dem Rad und fuhr über die Nationalstraße Richtung Isparta. Eigentlich waren erst kurz vor Schluss dieser Etappe einige mittlere Steigungen angesagt, aber trotzdem kam ich nicht recht voran. Darüber ärgerte ich mich. Das kann doch nicht sein, das muss doch schneller gehen…

 

Erst bei der zweiten Pause sah ich mir den Streckenverlauf genauer an: Schon von Beginn an ging es langsam, aber stetig bergan… Und ich dachte an einen Eselstreiber, der auf sein Tier einschlägt, wenn es nicht schnell genug vorangeht. Nur, dass ich wohl beides in einer Person war: Sowohl Esel, als auch Treiber…

 

Einen anderen Krafträuber gab es auch noch. Und das ist die Hitze, die mich jetzt schon seit einigen Tagen begleitet. Die Sonne knallt von einem strahlend blauen und wolkenlosen Himmel auf mich herab. Das ist, glaube ich, auch nicht gerade kräftefördernd. Das war eine erhellende Einsicht und so versuchte ich, dem „Esel“ die Zeit zu lassen, die er brauchte. Und dann ging es besser.

 

Trotzdem hat mich die Tour heute sehr angestrengt. Die erste der beiden größeren Steigungen brachte ich noch einigermaßen gut hinter mich und darauf folgte eine schöne, lange Abfahrt, auch der ich sogar einen LKW überholte, der auf der Gefällstrecke in einem kleinen Gang fuhr, wohl um die Bremsen zu schonen. Die zweite Steigung kam dann kurz vor Isparta. Ich hatte zwei Möglichkeiten: Der Weg über einen Berg mir 300 Höhenmetern war 8 Km kürzer als der über die Nationalstraße, auf der allerdings die Steigung nur über 100 Höhenmeter ging.

 

Nach einigem Hin und Her entschied ich mich für die Nationalstraße, kam gegen 16.00 Uhr hier in Isparta an und fand schnell ein Zimmer. Ich war total erschöpft und lag erst einmal 1,5 Stunden auf dem Bett, bevor ich Duschen ging.

 

Dieses Erlebnis ging mir sehr unter die Haut. Ich habe den Eindruck, jetzt wirklich an meine Grenzen zu kommen.

Wie gehe ich damit um? Heute am späten Nachmittag ging ich noch einmal durch die Stadt und kam auch an einer Moschee vorbei, von der ich mich eingeladen fühlte. Und so bedachte ich im Gebet meine Situation.

 

Morgen geht es nach Egdezir. Die Stadt liegt en einem sehr großen Bergsee und ist nur 38 Km entfernt. Dafür hat die Strecke schon zu Beginn eine sehr dicke Steigung, die ich mit Hilfe der Batterie (höchste Stufe) hoffentlich schaffen kann. In Egdezir werde ich dann einen Ruhetag einlegen und den See genießen und anschließend versuche ich einen Fernbus zu nehmen, der mich 150 Km bis nach Konya bringt. Dadurch werde ich wohl Antiochia in Pisidien, eine Stadt, in der Paulus einiges erlebt hat, verpassen, aber dort soll auch nicht viel zu sehen sein. So könnte ich meinen Weg zum Mittelmeer um einiges abkürzen und (hoffentlich) wieder ein wenig zu Kräften kommen.

 

Mit diesen Gedanken verließ ich die Moschee und ging weiter durch die Stadt. Dann rief mein ältester Sohn Johannes an. Ich setzte mich in ein Cafe und wir sprachen lange miteinander. Ich habe das Gespräch sehr genossen. Danke, mein Sohn!

 

Und jetzt gleich werde ich hoffentlich gut und tief schlafen und morgen früh den neuen Tag frisch in Angriff nehmen.

 

Von heute gibt es (leider) keine Fotos.

 

Liebe Grüße in die Heimat!

Ein schöner Tag - 24. April 2022

Langsam aber sicher geht ein schöner Tag zu Ende. Mein Aufenthalt in Cardac schloss mit einem Tee in der Cafeteria des Hotels. Ein alter Mann bot ihn mir an und über meine Übersetzungs-App konnten wir uns auch leidlich verständigen. Er drückte seine Bewunderung für meine Pilgerfahrt aus und wir verabschiedeten uns herzlich. Der Tee ging natürlich auf ihn. Tee scheint übrigens das Nationalgetränk in der Türkei zu sein. Fast an jeder Straßenecke gibt es  eine Art Kneipe, in die – meist Männer – zum Teetrinken kommen. 2 Lira kostet ein Glas – etwa 15 Cent. Besonders für ältere Männer, wie mich, scheint das ein wichtiger sozialer Treffpunkt zu sein.

 

Ich setzte mich aufs Rad und fuhr los. Heute ging es auf eine 65 Km Tour nach Dinar und die sollte fast ausschließlich über Nebenstraßen gehen. Bis Basmakczi ging es direkt an hoch aufragenden Bergen vorbei und links lag ein großer Salzsee, der auch wirtschaftlich genutzt zu werden schien. Hin und wieder lagen auch dicke Felsbrocken neben der Straße, die sich wohl irgendwann mal aus den Bergen gelöst hatten.  Wer die auf den Kopf bekommt, hat sicher Kopfschmerzen, dachte ich mir mit einem Grinsen.

Felsbrocken am Weg
Felsbrocken am Weg

Auch waren viele Hirten mit kleineren Schaf- oder Ziegenherden unterwegs, denen ich ein „Merhaba“ (Guten Tag) zurief.

 

Die ersten 10 Kilometer jeder Tagestour sind nicht einfach. Ich muss immer wieder zuerst in den richtigen Rhythmus kommen. Danach mache ich meist eine kleine Pause, die ich dieses Mal im Schatten einer großen Pinie verbrachte. Dann läuft es meist besser..

 

Ich kam gut voran. Es gab kaum Steigungen und so verflogen die Kilometer. Nach einem Drittel meiner heutigen Tour wollte ich länger pausieren und fast exakt nach 22 Km lag an der rechten Seite der Straße eine kleine Freizeitanlage, mit Bank und Tisch zum Picknick, einem Aussichtsturm und einem aus Natursteinen errichteten Gebäude, das für mich wie eine kleine Moschee ohne Minarett aussah. Eine Moschee zu besuchen hatte ich mir für heute vorgenommen, weil ja Sonntag war und ich sonst keine Gelegenheit für den Gottesdienst hatte.

 

Aber zunächst war eine Pause dran. Mein elektrisches Pfeifchen und mein Multivitaminsaft, den ich mir als Getränk für die Tour gekauft hatte, kamen zu Einsatz.

 

Dabei las ich das Tagesevangelium, das in unseren Gottesdiensten heute verlesen wurde. Es war das vom ungläubigen Thomas. Ein Realist eben, dachte ich mir, der sich nicht so leicht etwas vormachen lässt. Tot ist tot, und dass Jesus gestorben war, stand ja eindeutig fest. Aber er wurde eines besseren belehrt. Und als im letzten Jahrhundert Europäer Indien erkundeten, waren sie überrascht, dass sie in Kerala Christen fanden, die sich auf den Apostel Thomas beriefen. Soweit hatte es auch ihn aus seiner gewohnten Umgebung getrieben. Was muss da für eine Erfahrung hinterstecken….

Meine Moschee von innen
Meine Moschee von innen

Jetzt ging ich in die „Moschee“, um zu beten. Zu meinen Pilgerliedern habe ich übrigens noch „Sailing“ von Rod Steward hinzugefügt. Ein tolles Lied mit sehr viel Tiefe, das mir auf meiner Pilgerfahrt nach Santiago des Compostella sehr wichtig geworden ist. Und seit einigen Tagen kommt es mir wieder häufiger in den Sinn…

 

Die Moschee stellte sich, als ein Raum heraus, in dem auch schon mal gefeiert wurde du der alles andere als sauber war. Aber egal, für mich war es heute „meine“ Kirche. Und so kniete ich mich hin und hörte meine Pilgerlieder. Aber irgendwie kam ich nicht richtig zur Ruhe. Ich hatte ständig das Gefühl, beobachtet zu werden und gab schließlich auf. Und mein Eindruck hatte nicht getrogen. Eine Familie war mittlerweile eingetroffen und hatte den Aussichtsturm bestiegen.

 

Und ein Wagen der „Jandamery“ mit drei Polizisten an Bord hielt auf mich zu. „Where are you from?“ – „Germany“. „What are you doing here?“ Und dann versuchte ich, meine Pilgerreise zu erklären. Meinen Pass musste ich auch zeigen und sie überprüften ihn.  Sie waren aber wirklich sehr nett und so hatte ich keinen Grund zur Sorge. Für solche Fälle hatte der Verein „Jerusalemway“ einen türkischen Text vorbereitet, der den Sinn der Wallfahrt erklärt. Ich zeigte ihn und alles war klar. Zum Abschied hätte ich noch gern ein Foto von   den freundlichen Polizisten gemacht, aber das erlaubten sie nicht.

 

Ich bestieg noch den Aussichtsturm, machte einige Fotos und nahm mir dann noch Zeit für Rod Stewarts „Sailing“.

Und ich war richtig glücklich: Wie schön doch dieser Ort ist, wie schön die Landschaft ist, durch die ich fahre, wie freundlich die Menschen sind, denen ich begegne – wie schön, dass ich leben darf…

Der Aussichtsturm
Der Aussichtsturm

Dann ging es weiter. Die Straße wurde schlechter, manchmal ging es auch leicht auf und ab, aber das war kein Problem und langsam kam Basmakci in Sicht und damit waren etwa 40 Km des Weges geschafft. Ich freute mich schon auf ein Mittagessen, fand aber keinen Imbiss und so versorgte ich mich in einem Geschäft mit Schokolade und Cola und genehmigte mir als Nachtisch noch ein Eis.

 

Diese Pause war sehr ausführlich und je länger sie dauerte, desto mehr machte sich Mittagsmüdigkeit breit. Zuhause hätte ich mich jetzt sicher in Bett gelegt. Aber das ging nicht und so fuhr  ich wieder los. Jetzt kam der schwerste Teil der Strecke mit einer Steigung auf 1089 Metern über dem Meer und die Straße, die ich fuhr lag in der prallen Sonne und die machte ihre Arbeit gut. In einer Art Terassentreppen führte die Straße bergan und des Öfteren habe ich gedacht, dass ich jetzt oben sei – aber eben nur gedacht…

 

Der Salzsee
Der Salzsee

Ich fand eine Pinie und setzte mich in ihren Schatten. Die Hitze und die Steigung setzten mir mächtig zu. Direkt vor mir war ein Auto geparkt und nach kurzer Zeit sah ich zwei Männer von einem benachbarten Feld auf mich zukommen.

 

Sie sprachen mich an, aber wir konnten uns leider nicht verständlich machen. Einer der Männer hatte eine Tüte mit Inhalt in der Hand und machte mir  mit Händen und Füßen klar, dass darin etwas zu essen sei. Er bot sie mir an, aber ich lehnte ab. Bei einem zweiten Versuch, kurze Zeit später, konnte ich aber nicht mehr widerstehen und nahm sie an. In dem Beutel war Köfte, ein türkisches Fleischgericht in Fladenbrot und eine Art saurer Milch – sehr lecker. So war ich doch noch an mein Mittagessen gekommen und ich staunte schon wieder über soviel türkische Freundlichkeit..

Meine "Moschee"
Meine "Moschee"

Nachdem ich dann endlich die Höhe erreicht hatte, ging es in einer schönen und etwa 5 Km langen Abfahrt nach Dinar hinein. Richtig was zum Genießen.

 

Hier fand ich schnell  ein Zimmer und weil es weder Tisch noch Stuhl hat, sitze ich jetzt in einer Teestube und schreibe meinen Bericht. Morgen geht es nach Isparta, etwa 65 Km von hier entfernt und weil auf den Nebenstrecken Steigungen bis auf 1450 Meter auf mich warten würden, habe ich mich entscheiden, auf der Nationalstraße zu fahren.

 

Vergnügungssteuerpflichtig wird das nicht, im Gegensatz zum heutigen Tag.

Dinar von der Höhe

Entlastet - 23. April 2022

Bevor ich anfange, von heute zu erzählen, muss ich erst einmal den gestrigen Tag noch abschließen. Um kurz vor 20.00 Uhr erreichte mich eine WhatsApp von Dominik, dass die Gruppe  in Kürze in ihrem Hotel eintreffen werde. Schon am Vortag hatte ich die beiden Satteltaschen und den Seesack ausgeleert, um einen Überblick darüber zu bekommen, was ich für meine vor mir liegende Pilgerzeit noch brauche und was nicht. Letzteres machte fast die Hälfte meines Gepäcks aus: Schlafsack, Luftmatratze und Zelt, T-Shirts und Unterwäsche, die ich bisher noch nicht getragen hatte, sowie einige andere Kleinigkeiten wanderten auf einen großen Stapel, der anschließend m Seesack verstaut wurde. Geschätzt kamen so etwa 10 Kilo zusammen, die ich nutzlos mit mir herumschleppte, und die sich besonders an Steigungsstrecken bemerkbar machten. Zu meiner Verteidigung muss ich noch sagen, dass ich die Campingsachen deshalb mitgenommen hatte, weil ich nicht genau abschätzen konnte, ob ich hier in der Türkei regelmäßig in Pensionen oder billigen Hotels unterkommen konnte und die anderen Kleidungsstücke waren „lässliche Sünden“. Dominik hatte sich angeboten, die überflüssigen Kilos (nicht meine auf den Rippen) im Flugzeug mit zurück zu nehmen. Das wird sicher eine große Erleichterung für mich sein, gerade jetzt, wo es ins Gebirge geht.

 

Ich schnallte den Seesack also zum letzten Mal auf meinen Gepäckträger und radelte zum Hotel und sehr schnell lief mir Dominik „über den Weg“. Wir begrüßten uns herzlich und erzählten von unseren Reise- und Pilgererfahrungen. Dominik war mit einer Gruppe der Uni Bern unterwegs. Mit  dem Reisebus hatten sie schon sehr viele unterschiedliche Orte angefahren und besichtigt, so auch in etwa zwei Stunden die Hierapolis. Viel mehr Zeit war auch für Ephesus nicht gewesen.

 

Ich war froh, dass ich an weniger Orten gewesen war, aber dafür mehr Zeit für die Besichtigung und Erwanderung hatte. Er hatte sich schon des Öfteren gedacht, dass er noch einmal zurückkommen müsse und mit mehr Zeit weniger Orte anzufahren. Dann riefen wir meinen Sohn Manuel an, zu  dessen besten Freunden Dominik gehört. Über WhatsApp ist sogar Videotelefonie möglich und ich genoss es sehr, meinen Jüngsten zu sehen. – Was ist das Internet doch für eine geniale Erfindung.

Ein Selfie von Dominik und mir
Ein Selfie von Dominik und mir

Dominik studiert Theologie für Lehramt und Diplom. Sein Studium neigt sich dem Ende zu und er steht vor der Entscheidung, ob er sich für die Schule oder die Gemeindearbeit entscheiden soll. Dazu fragte er mich nach meiner Einschätzung zur Zukunft der christlichen Gemeinden. Wenn ich  ehrlich bin, bin ich in dieser Beziehung auch ziemlich ratlos. So, wie wir sie jetzt, oder in der Vergangenheit kannten, wird es sie wahrscheinlich schon in naher Zukunft nicht mehr geben. Gemeinde ist da sicher ein sehr spannendes Arbeitsfeld, weil keiner - hoffentlich mit Ausnahme Gottes – weiß, wie es weitergehen kann. Vielleicht ist diese Ratlosigkeit ja ein Schlüssel, damit wir bereit sind, nach Gottes Wegen zu suchen.

 

Der junge Samuel wurde in einer Nacht dreimal von Gott gerufen. Aber er meinte, dass sein Lehrmeister ihn zu sich holen wollte. Als dieser dann merkte, wer ins Spiel kommen wollte, sagte er zu Samuel: Wenn du die Stimme wieder hörst, dann antworte: Rede Herr, dein Diener hört. Ein Kaplan in meiner 2. Einsatzgemeinde, sagte einmal, er hätte den Eindruck, dass wir als Kirche nur all zu oft sagen würden: Schweige, Herr, deine Diener reden….

 

Insofern kann diese Krise auch eine riesige Chance werden.

Ballonstart
Ballonstart

Gegen 22.00 Uhr verabschiedeten wir uns und meine überflüssigen Pfunde blieben bei ihm….

In dieser Nacht habe ich ziemlich schlecht geschlafen. Zunächst dauerte es lange, bis ich einschlief, dann gingen gegen 3.00 Uhr die "Ramadan-Trommler, die mich schon in Troja geweckt hatten, wieder durchs Dorf und zuletzt begann der Muezzin seine Arbeit pünktlich um 4.45… Ich stand dann auf, weil ja um 5.45 Uhr der Bus kommen sollte, der mich zu meinem Ballonflug-Startplatz bringen sollte.

Über den weißen Felsen der Hierapolis
Über den weißen Felsen der Hierapolis

Von dem Rundflug hatte ich mir mehr versprochen. In jeder Gondel nahmen 20 Personen Platz, bzw standen und es ging eine Stunde lang über die Hierapolis und Pamukkale hinweg. Es war wohl interessant, aber irgendwie hatte ich es eindrücklicher erwartet. Vielleicht lag es aber  auch an meiner Unausgeschlafenheit. Zum Abschluss bekamen wir noch eine Urkunde, mit der der Flug bestätigt wurde und dann gab es noch einen alkoholfreien Sekt. Naja…

 

Der Bus brachte uns zurück, ich frühstückte und packte dann meine Siebensachen zusammen. Alles, was ich brauchte, passte jetzt in meine beiden Satteltaschen, den Rucksack und die Lenkertasche. Beim Fahren konnte ich merken, dass ich viel weniger Gewicht zu transportieren hatte. – Toll! Danke, Dominik!

 

Meine heutige Tour ging über 75 Km nach Carlak. Bei Höhenmeter 191 begann die Tour, und sie endete auf ca 800 Metern über dem Meer. Eigentlich war die Tour gut zu schaffen, weil kaum Steigungen zu bewältigen waren, aber die 2. Hälfte machte mir doch sehr zu schaffen, zum einen, weil die Sonne wieder knallte und zum anderen weil mein Körper doch sehr müde war.

Am heutigen Nationalen Kindertag (Feiertag) wurden auch die Ballons beflaggt.
Am heutigen Nationalen Kindertag (Feiertag) wurden auch die Ballons beflaggt.

Hier angekommen ging ich in ein Geschäft, um nach einem Hotel zu fragen. Das hatte der Inhaber eines Nachbargeschäftes gehört, der mich sofort als Deutschen erkannte und mich auf Deutsch ansprach und zu einem Kaffee einlud. Er hatte viele Jahre in Österreich gearbeitet…

 

Er begleitete mich auch zum Hotel - sehr gastfreundlich, diese Türken!

 

Auf meinem Zimmer angekommen, legte ich mich erstmal aufs Bett, um auszuruhen und zur Entspannung hörte ich auf WDR2 die Sportberichterstattung aus der Fußball-Bundesliga. „Mein“ 1.FC Köln hatte wieder gewonnen und ich frotzelte per WhatsApp mit meinen Brüdern, die Schalke- (1:4 verloren) oder Gladbach Fans sind. Der EFFZEE ist doch das Größte.

 

Erst dann ging es unter die Dusche und auf einen Rundgang durch die Stadt, der mit einem Köfte als Abendessen abgeschlossen wurde.

Über Pamukkale
Über Pamukkale

Und jetzt merke ich, dass die Müdigkeit wiederkommt. Hoffentlich kann ich heute besser schlafen. Die Ramadan-Trommler haben sich schon wieder bemerkbar gemacht…

 

Morgen geht es über 65 Km nach Dinar und eine kräftige Steigung auf1046 Meter ist dabei. So hoch war ich bisher noch nie!

 

Herzliche Grüße!

Unterwegs kam ich an vielen Apfelplantagen vorbei
Unterwegs kam ich an vielen Apfelplantagen vorbei

Eigentlich ein ruhiger Tag - 22. April 2022

Heute war der zweite Tag hier in Pamukkale und eigentlich wollte ich zusammen mit Dominiks Gruppe an einer qualifizierten Führung durch die antiken Stätten teilnehmen. Aber heute morgen kam eine WhatsApp, dass sie erst heute Abend gegen 20.00 Uhr hier eintreffen werden. Jetzt ist es hier 18.00h, also 17.00 Uhr bei Euch und ich bin gerade wieder aufgestanden, weil ich nach der Besichtigung hundekaputt hier ankam.

 

Heute  morgen beim Frühstück sah ich Heißluftballons in der Nähe aufsteigen. Oh ja, dachte ich, das muss schön sein und ich erinnerte mich, dass ich gestern auf dem Weg hierher an einer Firma vorbeigefahren bin, die diese veranstaltet.

 

Auf meinem Weg nach Pamukkale hielt ich dort an und fragte nach den Preisen: 110 Euro, war die Antwort. Ich sagte, dass ich noch Bedenkzeit benötige und mich heute nachmittag wieder melden würde. Soll ich, oder soll ich nicht? 110 Euro sind eine Menge Geld, andererseits habe ich schon von Vielen gehört, wie schön Ballonfahren ist. Im Internet erkundete ich, wie teuer eine solche Fahrt bei uns ist. Und als ich erfuhr, dass es bei uns doppelt so teuer ist, stand mein Entschluss fest: Morgen um 5.45h werde ich an der Pension abgeholt und dann geht es in die Lüfte! Ich freu mich!

Die Sinterterassen mit Thermalsee
Die Sinterterassen mit Thermalsee

Weiter ging es nach Pamukkale. Diesmal wollte ich die Hierapolis von Süden, dem zweiten Eingang her erkunden. Zunächst musste ich aufsteigen. Aber nicht über einen normalen Weg, sondern über die Kalk-Sinterterassen. Sie sind wirklich weiß wie Schnee und damit sie von den vielen Touristen nicht mit dem Dreck ihrer Schuhe verschmutzt werden, mussten alle barfuß laufen. In zwei engen künstlichen Rinnen lief das Wasser abwärts. Auf dem Weg wurde ein Teil immer wieder abgeleitet, damit es in ebenfalls künstlich angelegte Teiche floss, in denen es kniehoch stand. Manche Wanderer legten sich hinein, andere wateten hindurch, so wie ich. Dieses strahlende Weiß war wirklich faszinierend anzusehen: Wunderschön und etwas unwirklich zugleich. Der Weg war etwa 500 Meter lang und hatte eine Steigung von ca 10%.

 

Oben angekommen erwartete uns ein Restaurantbereich, wo man essen, trinken oder auch einfach nur im Schatten sitzen konnte. Das tat gut, denn die Sonne schien sehr stark vom Himmel und es war richtig heiß.

Kleine Teiche laden zur Pause ein
Kleine Teiche laden zur Pause ein

Dort oben, auf der Höhe der antiken Stadt, stellte ich fest, dass ich das  meiste von ihr gestern schon gesehen hatte. Also schlug ich den Weg weiter nach oben an und kam bei den Resten eines Apollon-Tempels und dem riesigen Theater vorbei. Ich frage mich immer noch, wie die Menschen damals ohne unsere heutigen Maschinen so etwas hingekriegt haben…

 

Aber mein Ziel heute war ein anderes: Ich wollte zu der Stätte pilgern, an der Philippus sein Martyrium erlitten hat – und das lag weit oberhalb der antiken Stadt. Ich weiß gar nicht, ob ich gestern schon geschrieben hatte, dass es sich bei Philipp nicht um den Apostel handelte, sondern um einen der Vielen, die damals ein Evangelium geschrieben haben, das zum großen Teil aus Spruchweisheiten besteht, die Jesus zugesprochen wurden.

 

Der Apostel Philippus fand im heutigen Bulgarien den Tod, der bei meinem heutigen Philipp aber nicht Tod sondern „Übergang“ genannt wurde. Ist das nicht ein schöner Begriff?....

 

Ich finde es ja immer wieder faszinierend, wie weit es frühere ungebildete Fischer vom See Genezareth in die Welt hinausgetrieben hat und was sie dabei auf die Beine gestellt und auf sich genommen haben. Für meinen persönlichen Glauben ist das sehr wichtig. Die Erfahrung der Auferstehung Jesu muss bei ihnen so mächtig gewesen sein, dass sie buchstäblich „aus dem Häuschen geraten sind“ und nicht mehr dahin zurückkehrten…. Sie sind wirkliche Zeugen für mich!

Die Reste des Apollon-Tempels
Die Reste des Apollon-Tempels

Ein enger Pilgerweg führte immer weiter den Berg hinauf. Schließlich kam ein Schild, auf dem erklärt wurde, dass hier eine neue Hierapolis beginnen würde, die des Philippus. Der Übergang in sie hatte früher eine Brücke mit einem eigenen Stadttor und dahinter war ein Badehaus für die Pilger. In ihm ging es aber nicht darum, sich vom Schmutz des Weges zu befreien, sondern es handelte sich  um eine rituelle Reinigung, damit man innerlich rein an sein Pilgerziel kommt.

 

Könnte das Weihwasserbecken in unseren Kirchen eine ähnliche Bedeutung haben?

 

Ich suchte mir in den Ruinen dieses Badehauses ein schattiges Plätzchen und ruhte mich aus. Zur inneren Reinigung verwendete ich aber kein Wasser, sondern hörte mir über Kopfhörer meine beiden Pilgerlieder an. Und sie begannen wieder, in mir zu klingen!

Pilgerweg zum Heiligen Philippus
Pilgerweg zum Heiligen Philippus

Und es ging noch weiter hoch: Dieses Mal über eine steinerne Treppe. Ich hatte den steilen Weg und die Hitze jetzt schon mächtig in den Knochen und musste einige Male anhalten und Luft schnappen. Aber endlich war ich da – wie ich meinte. Ich hatte die Kirche, die über dem Grab des Heiligen errichtet worden war, erreicht – oder das, was davon übrig geblieben war. Kaum jemand hatte sich hierhin verirrt und so konnte ich diesen Ort sehr gut in mir aufnehmen und klingen lassen.

 

Nach einigen Minuten entdeckte noch eine weitere Treppe, die noch weiter nach oben führte, aber von dem, was dort oben sein sollte, war nichts zu sehen. Ich überlegte, ob ich mir das noch antuen sollte und entschied mich dafür.

 

Oben, etwa 25 Meter über der Grabeskirche  stand die Ruine einer Weiteren. Ein Schild klärte darüber auf, dass diese an dem Ort errichtet wurde, an dem Philippus „hinübergegangen“ ist, also ermordet wurde.

 

Es war noch erkennbar, dass sie eine achteckige Form besaß, wie z.B. der Aachener Dom. Die Zahl 8, informierte das Schild stehe für die Ewigkeit, aber das ist nur halb richtig. Der Hintergrund ist der: In sieben Tagen, erzählt (!) die Bibel, hat Gott die Welt geschaffen und nach jedem Schöpfungstag hieß es: Und siehe: es war sehr gut. Aber die Welt war noch nicht vollendet. Noch herrschte der Tod. Erst in der Auferstehung Jesu wurde die Macht des Todes gebrochen und erst jetzt, am achten Tag, ist die Schöpfung vollendet. Ein, wie ich finde, sehr schönes Beispiel von „theologischer Mathematik“. Übrigens haben auch die meisten alten Taufbecken in den Kirchen deshalb acht Seiten.

Grabeskirche mit Mausoleum
Grabeskirche mit Mausoleum

Gut, dass ich mich noch die letzte Treppe hochgequält hatte. Ohne diese Kirche hätte am heutigen Weg etwas gefehlt.

Übrigens war rund um die Kirche noch an den Grundrissen zu erkennen, dass hier noch Unterkünfte für Pilger bestanden haben, die sich durch die Nähe zum Heiligen hier Heilung oder Antworten auf wesentliche Fragen versprachen.

Dann ging es wieder zurück, diesmal, Gott sei Dank, bergab, zuerst bis auf die Höhe der antiken Stadt, dort angehalten für eine schattige Pause und dann über die Sinterterassen aus der Hierapolis heraus. Dort genehmigte ich mir eine Cola und einen Döner und fuhr zurück. Unterwegs buchte ich noch die Ballonfahrt für morgen und dann legte ich mich aufs Bett. Die Stunde Erholung hatte ich bitter nötig.

Blick ins Mausoleum
Blick ins Mausoleum

Gleich treffe ich (hoffentlich) Dominik und kann ihm einige Kilos meines Gepäcks mitgeben, mit ihm das ein oder andere Bier trinken und erzählen.

 

Morgen, nach der Ballonfahrt, geht es ins Gebirge. Die Tour wird etwa 70 Km lang und steigt auf dieser Strecke 600 Meter an, so dass ich mich morgen auf 800 m über dem Meer befinden werde. Unterwegs gibt es aber kein großartiges Auf und Ab, so dass die durchschnittliche Steigung bei etwa einem Prozent liegen wird.

 

Morgen Abend mehr!

Kirche des Übergangs
Kirche des Übergangs

Pamukkale - 21. April 2022

Es hielt auch noch heute an, das Wunder von Nazilli. Auf dem Weg zum Busbahnhof „sprang“ das Ebike wie gewohnt an. Und auch heute Abend, nachdem ich etwa 40 Km geradelt war, ließ sich die Batterie aufladen und der Test am Fahrrad wurde erfolgreich bestanden. Mal sehen…

 

Heute bin ich mit dem Bus von Nazilli nach Denizli gefahren. Eigentlich wollte ich ja schon gestern der größten Teil des Weges radeln, aber dann kam die Sache mit der Batterie. Morgen trifft Dominik, der Freund meines Sohnes Manuel mit einer Reisegruppe der Uni Bern hier ein. Er will einige Dinge im Flugzeug mit nach Deutschland nehmen, die ich zwar eingepackt habe, aber doch nicht benötige. Außerdem wollen sie auch die antiken Stätten hier in Pamukkale besichtigen, und ich hoffe, mich anschließen zu können und so eine kompetente Führung zu erhalten…

 

Aber noch mal zurück auf Anfang. Der öffentliche Verkehr in der Türkei findet fast ausschließlich durch Busse statt. In jeder Stadt gibt es einen Busbahnhof. Ist sie sehr klein, dann findet man dort nur Busse (meist 20Sitzer) die Orte im näheren Umkreis anfahren.

 

Ist die Stadt größer, dann teilt sich der Bahnhof in zwei Teile. Einen für den Nah-und einen für den Fernverkehr. Die Busse für den Fernverkehr sind richtige Reisebusse, auch mit Gepäckabteilen unter den Sitzen, in die z.B. mein Fahrrad hinein kann. Diese Busse sind auf mehrere 100 Km umfassenden Strecken unterwegs. Meiner heute morgen fuhr von Izmir nach Antalya und war sehr bequem, z.B. hatte er Ledersitze und W-Lan an Bord.

 

Eine Stunde dauerte die Fahrt von Nazilli nach Denizli und von hier aus radelte  ich noch etwa 25 Km bis zu meiner Pension in Karahayit, das zu Pamukkale gehört und nur etwa 1 Km von dem Hotel entfernt liegt, das Dominik mit seiner Gruppe morgen bezieht.

 

Zwei schöne Erlebnisse gab es auf dieser kurzen Fahrt. Zum einen lief mir eine Schildkröte über den Weg. Praktisch, dachte ich, die hat ihr Haus immer dabei, während ich mir immer wieder eine neue Unterkunft suchen muss…

 

Und zum anderen kamen mir zwei Radfahrer entgegen, deren Räder auch mit viel Gepäck beladen waren. Wir hielten an und kamen ins Gespräch. Das Pärchen war Anfang 20 und kam aus Litauen. Sie waren schon seit August des letzten Jahres unterwegs, zelteten meist in freier Natur und wollen sich hier in der Türkei Kapadozoen anschauen. Zwischendurch suchten sie sich Arbeit, um Geld für die nächsten Wochen zu haben. Ich erzählte auch von meinem Ziel Jerusalem und wir kamen sehr schnell sehr intensiv ins Gespräch, wie das bei Geistesverwandten so üblich ist. Schön war diese kurze Begegnung.

 

Dann erreichte ich Pamukkale und genehmigte mir in einem Restaurant eine Köfte und eine Cola. Das war wirklich lecker. Dann suchte ich heraus, wo Dominiks Hotel war  und merkte schnell, dass das für mich einige Preisklassen zu hoch war. In diesem Zusammenhang muss ich mal Google Maps loben. In dem kleinsten Dorf findet man damit Unterkünfte, Restaurants und Geschäfte und auch mir wurde ganz in der Nähe eine Pension empfohlen. Auf dem Weg dorthin sprach mich ein Mann am Straßenrand an: „You need a room?“ „Yes“ antwortete ich und er zeigte mir seine Pension, zwar ein wenig heruntergekommen, aber mit einem, wie es schien, guten Bett – und mehr brauche ich doch nicht. Und mit 250 Lira (17 Euro) für zwei Tage auch sehr günstig.

 

Ich kochte mir einen Kaffee, fuhr dann zu einem Teil der antiken Stätten und besichtigte die Nekropole von Hiereapolis, wie die antike Stätte früher hieß - Heilige Stadt auf deutsch. Hiereapolis war schon in der Antike Kurort, weil sie Thermalquellen besitzt. Die sind noch für etwas Weiteres verantwortlich. Weil sie sehr kalkhaltig sind, sind die Felsen von der Stadt in die Ebene hinunter kalkweiß – sehr beeindruckend anzuschauen und sicher ein zusätzliches Argument, um hier eine „heilige Stadt“ zu erreichten.

 

Die Nekropole ist die „Stadt der Toten“, ein Friedhof also, der aus vielen Häusern bestand, in denen die Verstorbenen beigesetzt wurden, wenn sie sich denn eine solche Luxusunterkunft leisten konnten. Einfachere Leute leisteten sich „nur“ einen Sarkophag, der auch nich „von schlechten Eltern war“ und im Freien stand. In den Häusern waren Steinliegen eingearbeitet, auf die man die Verstorbenen bettete und das Haus war mit einer Steintür verschlossen.

 

Das erinnerte mich an das Evangelium. Jesus war in einer Steinhöhle beigesetzt worden, die dann mit einem Stein verschlossen wurde. Die Frauen gingen nach drei Tagen mit wohlriechenden Kräutern und Salben zum Grab, um ihn noch einmal einzubalsamieren, damit der Verwesungsgeruch nicht übermächtig wurde. „Wer rollt uns den Stein vom Grab weg?“, fragten sie sich. Aber das war schon erledigt und der Engel fragte sie: „Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten?“ Ja, das ist eine gute Frage. Nicht nur in der Kirche versuchen wir  allzuoft das, was von früher übriggeblieben ist, zu konservieren, um es nicht zu verlieren. Dabei sagt der Engel doch: Sucht den Lebenden bei den Lebenden… Spannender Auftrag!

 

Zurück in der Pension, lud ich erfolgreich die Batterie und sah aus dem Fenster: Im Hintergrund türmt sich das Taurus-Gebirge auf und auf seinen höchsten Gipfeln liegt sogar noch Schnee, und da will ich hin? Ich plante die nächsten Tagestouren ins Gebirge hinein. Mehr als 800 Höhenmeter sind eigentlich nie zu bewältigen – und das habe ich bis jetzt schon häufiger geschafft, und das mit mehr Last auf dem Gepäckträger als (hoffentlich) übermorgen.

 

Weiter geht’s!

Gute Nacht!


Das Wunder von Nazilli - 20. April 2022

Was war das für ein Tag! Ich bin gut aus dem Bett gekommen, habe gefrühstückt und dann meine Sachen gepackt. Ich belud mein Rad mit meinen (zu vielen) Habseligkeiten und wollte losfahren, doch die Batterieanzeige zeigte keine Ladung an, auch nicht nach mehrmaligen Versuchen.

 

Oh je, was jetzt? Ohne Batterie kann es nicht weitergehen. Dann ist das Ebike sogar schwerer in Schwung zu bringen, wie ein normales Rad. Ich vermute, das liegt daran, dass man den Motor noch mitbewegen muss. – Schluss, Ende, aus?

 

Wer kann helfen? – Der Hersteller des Fahrrades! Ich fragte an der Rezeption, ob ich nach Deutschland telefonieren könne und rechnete schon mit saftigen Preisen. Aber das sei umsonst, sagte man mir.  In Cloppenburg, dort werden die Kalkhoff-Räder gebaut, hatte man nur die Idee, die Batterie in den „Schlafmodus“ zu versetzen und dann wieder aufzuwecken…

 

Funktionierte aber nicht. Dann habe ich die Werkstatt angerufen, bei der ich das Rad kurz vor der Reise zur Inspektion gegeben hatte – dort ging keiner ans Telefon.

 

Was konnte die Ursache sein? Mein erster Gedanke war, dass vielleicht die Kontakte zwischen Batterie und Motor verdreckt sein könnten. Ich ging zu einem Fahrradgeschäft in der Nachbarschaft des Hotels – aber die konnten mir nicht helfen, gaben mir aber eine Adresse, wo ich Kontaktspray bekommen könne. Nach einigem Suchen fand ich den Laden, bekam auch das Spray, säuberte die Kontakte – aber das war wohl nicht die Ursache. Ich fand einen neuen Radladen – Fehlanzeige, aber die gaben mir den Hinweis auf eine Werkstatt nahe am Busbahnhof. Mittlerweile fühlte ich mich ein  wenig hin- und hergeschoben, obwohl alle sehr nett und bemüht waren. Ich „freundete“ mich schon langsam mit dem Gedanken an, dass meine Pilgerfahrt zu Ende sei.

 

Aber in dieser Werkstatt war ich an der richtigen Adresse! Schwerpunktmäßig reparierten sie Motorräder und -roller, und von außen, machte sie -mit deutschen Augen betrachtet – auch keinen sehr vertrauenserweckenden Eindruck. Es war mehr ein Schuppen, von Fachwerkzeug war nicht viel zu sehen. Aber sie erklärten sich bereit, es zu versuchen – und ich dachte: Das ist die einzige Chance, die du hast.

 

Selbst mit der Übersetzungs-App, die ich einsetzte, konnte ich mich nur unzureichend verständlich machen, und so maßen sie die Batterie durch, versuchten dies und das und es dauerte und dauerte. Ich sagte ihnen, dass ich zum Hotel gehen und in drei Stunden wiederkommen würde. Sie waren einverstanden So ging ich zum Hotel – und suchte schon mal vorsichtshalber nach Flugverbindungen von Izmir nach Köln. Und die gab es reichlich – jedenfalls reichlicher als die Chancen, mein Rad wieder in Schuss zu bekommen.

 

Und ich plante, wie meine Reise zu Ende gehen könnte: Morgen mit dem Bus nach Pamukkake, übermorgen Besichtigung der antiken Stätten (übrigens soll dort der Apostel Philipus begraben sein) und dann mit dem Bus nach Izmir, mein Rad versandfertig machen und zum Flughafen.

 

Gegen 14.30 h war ich wieder da, aber es tat sich nichts. Nur machten mir die beiden Mechaniker Hoffnung, dass es voran ginge. Immer wieder bestellten sie aus einer nahen Teestube, Chai (Tee) für sich und mich, luden mich sogar zu einem Imbiss ein – es gab Reis mit Bohnen und eine Bohnensuppe und ließen sich auch nicht davon abbringen für mich zu zahlen, aber es dauerte und dauerte. Gegen 18.00h begannen sich, ihre Gesichter aufzuhellen. Sie schraubten die Batterie wieder zusammen, setzten sie ins Rad ein – und ES FUNKTIONIERTE!!!

 

Was sie nun gemacht hatten, wusste ich nicht. Sie sagten mir nur, dass ich die Batterie nicht vollkommen leer fahren solle – das hatte ich aber auch nicht gemacht.

 

Für mich war das Ganze ein Wunder – das Wunder von Nazilli! Und plötzlich hatte meine Pilgerreise wieder ein Perspektive…

 

Etwas mehr als umgerechnet 20 Euro wollten sie haben – ich gab ein gutes Trinkgeld dazu und zum Dank dafür wurden mir noch alle Teile, die Öl vertragen konnten, geschmiert.

 

Ein neuer Kunde machte das Foto von mir und meinen beiden Engeln, das ihr weiter unten findet.

Ich habe das schon des Öfteren erlebt, dass aussichtslose Situationen gar nicht aussichtslos sind und mir daraus ein Lebensmotto gemacht: Es gibt Lösungen, die warten auf Probleme!

Meine beiden Engel
Meine beiden Engel

Es hat sich wieder einmal bewahrheitet. In der Bergpredigt spricht Jesus von den täglichen Sorgen: Was macht ihr euch Sorgen um das, was ihr morgen zu essen oder anzuziehen habt. Um all das geht es den Heiden. Euch aber soll es zuerst um das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit gehen. Dann wird euch alles andere dazu gegeben…

 

Ich möchte nicht behaupten, dass es mir zuerst um das Reich Gottes geht, aber das mit der Zugabe von allem anderen erlebe ich immer wieder. Und auch heute habe ich fast alle Menschen, die ich getroffen und angesprochen habe, als sehr sehr hilfsbereit erlebt. Auf „die Türken“ lasse ich so schnell nichts mehr kommen….

 

Morgen werde ich mit dem Bus nach Pamukkake fahren, mir die antiken Stätten anschauen und dann auch Manuels Freund treffen, dem ich nicht benötigte Sachen mitgeben kann.

 

Und dann geht es weiter ins Taurus-Gebirge hinein, vorausgesetzt, meine Batterie hält duch.

Inschallah, sagt der Muslim – Wenn Gott es will…

Änderungen auf dem Weg - 19. April 2022

Ephesus war bisher das Highlight auf meiner Pilgertour. So eine beeindruckende antike Stadt habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht gesehen. Gut, dass ich glaubte, einen Ruhetag nötig zu haben, sonst hätte ich das verpasst.

 

Aber schon heute morgen beim Aufwachen merkte ich, dass ich nicht fit bin. Irgendwie habe ich eine Müdigkeit in meinen Knochen. Mag sein, dass die bisherige Strecke sich bemerkbar macht, mag sein, dass ich etwas ausbrüte. Kurzentschlossen habe ich mir deshalb vorgenommen, in den nächsten Tagen kürzer zu treten. Zunächst nahm ich mir vor, herauszufinden, ob ich mit dem Bus nach Aydin, etwa 50 Km von Selcuk entfernt, kommen kann. Und dann würde ich in den kommenden Tagen bis nach Pamukale, nur etwa 50 Km zu radeln haben. Pamukale ist auch wieder so eine antike Stadt, für die es sich lohnt, einen ganzen Tag einzuplanen. Außerdem könnte ich dort einen Freund meines Sohnes Manuel treffen, der an einer Türkeifahrt der Uni Bern teilnimmt. Dominik kann mich dann nämlich um einige Kilogramm Gepäck erleichtern, dass ich überflüssigerweise mitgenommen habe, und das ich an Steigungsstrecken ganz schön zu merken meine. Wie es dann weitergeht, entscheide ich am 23.4..

 

Am Busbahnhof fand ich einen Bus nach Aydin, in dem auch mein Rad Platz hatte und so war eine Tagestour in weniger als einer Stunde erledigt. Mein Ziel für heute war Nazilli, ein Städtchen, etwa 55 Km von Aydin entfernt. Es gab kaum Steigungen auf der Strecke, weil die Straßen im Tal des Flusses Büyük Menderes verliefen. Aber schon nach etwa 10 Km konnte ich spüren, dass mein Eindruck vom frühen Morgen richtig war. Es lief nicht rund. Irgendwie war ich schlapp.  Ich gönnte mir deshalb relativ viele Pausen.

 

Und noch etwas viel mir auf: Das war heute kein richtiger Pilgertag. Ich kam nicht wirklich in den richtigen Rhythmus hinein und auch meine Pilgerlieder konnten mich nicht richtig beleben…

Treibhäuser
Treibhäuser

Etwa ein Drittel der Strecke ging über die Nationalstraße und etwa ein weiteres Drittel führte über eine Schotterstraße an einem Bewässerungskanal entlang. An seinem Ufer standen viele Treibhäuser und jeder von diesen Betrieben hatte ein großes Bassin, in das er mit Pumpen Wasser aus dem Kanal abzapfen und für seine Pflanzen nutzen konnte. Das Bewässerungssystem der Römer könnte hier wohl Pate gestanden haben. Ich konnte nicht alles erkennen, was dort angebaut wurde, aber ich meine, Erdbeeren gesehen zu haben. Dieser Weg war zum einen sehr interessant und zum anderen war das Wegkommen vom Lärm der Nationalstraße sehr wohltuend.

 

Gegen 15.00 Uhr kam ich hier an. Dank „Google Maps“ fand ich auch schnell ein Hotel und gönnte mir eine lange Ruhepause auf dem Bett, fing dann in die Stadt, um am Geldautomaten Bargeld zu holen und etwas zu essen. Das tat gut.

 

Gerade, als ich zurückkam, habe ich vorsichtshalber eine Paracetamol genommen. Ich bin gespannt, wie die Nacht wird.

Bewässerungskanal am Weg
Bewässerungskanal am Weg

Ephesus - 18. April 2022

Es war eine gute Entscheidung, hier einen zweiten Tag zu bleiben. Zum einen war ich gestern wirklich ziemlich erschöpft und zum anderen lohnt es sich sehr, sich hier die antiken Stätten anzuschauen, und das nicht nur aus historischen oder archäologischen Motiven, sondern auch des Pilgers Herz kommt hier voll auf seine Kosten.

 

Heute morgen bin ich mehr in der Stadt Selzuk geblieben. Zum einen gab es hier die St. Johannes-Kathedrale zu besichtigen, sowie die Zitadelle und zum anderen gibt es, ziemlich direkt daneben eine ehemalige Kirche, die heute Moschee ist und die, wenn ich es richtig verstanden habe, dem Propheten Isa gewidmet ist. Isa ist der arabische Name für Jesus, der wiederum bei den Moslems als Prophet anerkannt wird. Auch Maria, seine Mutter, wird hier als Myriam verehrt…

 

Mit St. Johannes ist hier der Apostel Johannes, der Lieblingsjünger Jesu gemeint Auf ihn bzw auf seine Schüler gehen das Johannes-Evangelium, die Johannes-Briefe und vielleicht auch die „Geheime Offenbarung“, das letzte Buch der Bibel zurück. Mir persönlich ist das Johannes-Evangelium das Liebste, weil es so schwer zu verstehen ist. Jedes Komma ist durchmeditiert…

 

Die Johannes-Basilika war auch die Bischofskirche von Ephesus. Ein gewaltiger Bau, der bei einem Erdbeben zusammengestürzt ist und damit das gleiche Schicksal wie viele andere alte Städte hier erlitten hat. Direkt hinter der Ruine erhebt sich auf der Bergspitze die Zitadelle von Selzuk. Eine sehr wehrhafte Verteidungungsanlage, auf der noch viele Gebäude, einschließlich einer alten Moschee erstaunlich gut erhalten sind. Von da oben hat man einen wunderbaren Blick auf die Stadt und die Umgebung.

 

Als Letztes habe ich mir am Vormittag die Jesus gewidmete Moschee angeschaut. Ich war der einzige Besucher und deshalb konnte ich mich ungestört hinknien, die Kopfhörer in die Ohren stecken und meine beiden Pilgerlieder hören. Ich finde, Moscheen sind sehr spirituelle Orte: Der karge Schmuck und die Weite des Raum schaffen eine sehr meditative Atmosphäre.

 

Nachdem ich sie genossen hatte, fuhr ich zum Hotel zurück, aß ein Käsebrot und legte mich zu einem Mittagsschlaf aufs Bett. Er hat mir sehr gut getan. Anschließend wollte ich zu den Überresten der antiken Stadt fahren, sah aber unterwegs den Hinweis auf den Artemis-Tempel. Dieser gehörte in der Antike zu den sieben Weltwundern und hat wirklich riesige Ausmaße.

 

Im 19. Kapitel der Apostelgeschichte wird berichtet, wie Paulus gegen den Artemis-Kult wettert und er sich damit den Zorn der Silberschmiede zuzog, die von den von ihnen hergestellten und verkauften Devotionalien sehr gut leben konnten und nun ihre Felle wegschwimmen sahen. Nur mit Mühe und Not konnte Paulus ihrer Wut entkommen und verließ danach die Stadt, um nie mehr wiederzukommen. Aber das Christentum hatte schon durch ihn und Apollos, einen seiner Gefährten, sowie den Apostel Johannes Fuß gefasst. Von Johannes ist es ziemlich sicher überliefert, dass er nach den ersten Verfolgungen nach Ephesus ging. Von Maria ist diese Vermutung nicht so sicher. Ein anderer Erzählstrang sagt, dass sie in Jerusalem gestorben sei.

 

Es ging weiter zu den Resten der antiken Stadt. Und ich staunte: Weder in Philippi, noch in Troja, Assos, Pergamon oder Smyrna (Izmir) hatte ich so gut erhaltene Gebäude gesehen und das auf einer so großen Fläche. Eine Prachtstraße führte vom Amphitheater schnustracks zum Hafen. Ephesus lag damals direkt am Meer, heute ist es etwa 10 Km davon entfernt. Sedimentablagerungen und andere Versuche der Landgewinnung haben es zurückgedrängt.

 

Ich war sehr beeindruckt davon, wie viele der antiken Gebäude wenigstens zu Teil noch standen und somit eine Vorstellung von der Größe und Schönheit der Stadt ermöglichten. Ephesus war schon lange vor der Römerzeit eine sehr bedeutende Stadt und schon bei den Griechen hatte sie mehr als 100.000 Einwohner. In der Römerzeit war sie die Hauptstadt der Provinz Asia minor (Kleinasien)und wurde von 200.000 Menschen bewohnt. Schon damals gab es unter den Straßen eine Kanalisation. Die Frischwasserzufuhr aus Bergquellen war sichergestellt. Und auch die Latrinen sind erwähnenswert. Über die Stadt verteilt gab es viele öffentliche Latrinen und man pi… und schi…nicht in ein Loch, sondern in einen Kanal, wo das durchfließende Wasser die Exkremente ins Meer transportierten Wenn man bedenkt, dass bei uns noch bis in die frühe Neuzeit Exkremente einfach auf die Straße geworfen wurden und was dies für gesundheitliche Folgen, incl. Seuchen hatte, dann kann man die Römer für ihre Technik nur bewundern.

 

Zum Schluss noch besichtigte ich die Marienkirche, bzw. das, was von ihr übrig geblieben ist.

 

Sehr nahe gegangen ist mir aber noch etwas anderes. Auf den Wegen, die ich heute gegangen bin, sind wahrscheinlich auch Paulus, Johannes und Maria gegangen… Und so führten mich meine Wege an die Quelle de Glaubens, an die Zeugen dieses Jesus von Nazareth, der – auch durch sie – die Weltgeschichte verändert hat. Fast automatisch kamen diese Gedanken an mich heran und haben mich sehr bewegt.

 

Paulus ging übrigens taktisch wohl sehr geschickt vor. Er ging in die bedeutenden Städte des römischen Reiches und kam dort in aller Regel mit den jüdischen Gemeinden und deren Umfeld in Kontakt. Und er musste auch einiges zu sagen haben. Wie sonst kommen Menschen zum Glauben…

 

In der Marienkirche habe ich an ihr Magnifikat gedacht, in dem sie singt, dass er auf die Niedrigkeit seiner Magd geschaut hat, und dass er die Mächtigen vom Thron stürzt und die Niedrigen erhöht, dass er die Hungernden mit seinen Gaben beschenkt und die Reichen leer ausgehen lässt, usw. Wie konnten wir als Kirche aus Maria nur so eine gehorsame, untertane und letztlich harmlose Frau machen und dieses Bild den anderen Frauen als Vorbild hinstellen?. Eigentlich ist das Magnifikat der Maria viel eher ein Aufruf zur Emanzipation – auch in der Kirche…

 

Und noch etwas fiel mir in ihrer Kirche ein: Es gibt eine Legende von der „Entschlafung Mariens“, die geht in etwa so. Nachdem Maria gestorben war, wurde sie in einer Grabhöhle beigesetzt. Und als ihrer Freunde nach einigen Tagen wieder zum Grab kamen, da war es nicht leer, sondern über und über mit Rosen bewachsen… Wilhelm Willms, ein ehemaliger Priester aus Heinsberg bei Aachen, hat in seinem Sakro-Pop-Musical „Ave Eva“ folgendes daraus gemacht: „Sie hat sich verduftet, die schönste Blume auf dem Feld der Welt. Sie liegt in der Luft und nicht in der Gruft….“ Ja, ich finde, so muss man von Gott sprechen, nur so kann man von Gott sprechen, von dem man eigentlich nicht sprechen kann: In einer poetischen Sprache, die nur andeuten kann, um was es „eigentlich geht“. Das „in der Luft liegen“ denke ich auch oft von meinen Eltern…

 

Schön war es in Ephesus – gut war es in Ephesus!

 

Es ging gegen 17.00 Uhr zurück ins Hotel. Es waren Video-Schalten angesagt nach Deutschland, wo sich die Familie meiner Frau bei uns zuhause traf und meine Geschwister samt Anhang in Mesum bei Münster.

 

Es war schön, sie alle wiederzusehen. Ich habe es genossen.

 

Morgen geht es wieder auf die Straße, Richtung Pamukale. Aber bis dahin sind es noch etwa 3 Tagesetappen und dann geht es in die Berge, ins Taurus-Gebirge. Davor habe ich immer noch mächtigen Respekt…

 

Übrigens: Gestern habe ich die ersten 1000 Kilometer geschafft…


Auf dem Weg nach Ephesus - 17. April 2022

Heute morgen hieß es Abschied nehmen von Izmir und der Pfarrei Notre Dame. Es war schon eigenartig vertraut geworden in diesen drei Tagen. Als Katholik ist man eben auch Teil eines Global Players und man versteht sich, auch wenn man sich nicht versteht, zumindest in der Liturgie. Aber dass man sich auch sonst verstanden hat, konnte ich deutlich spüren und ich bin dankbar für den Austausch mit den Christen dort.

 

Gegen 10.00 Uhr brach ich auf. Ich glaube, mein Navi hat mir einen unmöglichen Weg herausgesucht. Zunächst ging es steil bergauf, so dass mir schnell die Puste ausging. Dann ging es weiter durch Wohngebiete: rechts, links – links rechts… Bis ich es nicht mehr wollte und mir eine Route über Hauptstraßen wählte. Doch schon an der ersten Kreuzung passierte ein Missgeschick: Der Tragegurt meiner Lenkertasche verfing sich in den Speichen und ich lag auf der Straße. Bis auf eine Schramme am Knie und ein leicht angestauchter Daumen ist aber nichts passiert. Sofort hielt ein Pritschenwagen und der Fahrer kümmerte sich um mich. „Nichts passiert!“ versuchte ich ihm klar zu machen. Und er antwortete darauf mit der Einladung, mich neben mein Fahrrad auf die Pritsche zu setzen und so den Berg, der vor mir lag, hochzufahren. Ist das nicht toll?. Oben auf dem Berg angekommen lud ich mein Fahrrad wieder herunter und weil es regnete, suchte ich nach einem Unterstand. Ich fand auch einen und als ich angekommen war, sah ich dass dort eine Gruppe Männer saß. „Chai?“ (Tee) Ich bejahte und setzte mich zu ihnen. Es stellte sich heraus, dass es sich um syrische Flüchtlinge handelte, die hier eine Art Autowaschstation betrieben, aber wegen des Regens keine Arbeit hatten.

 

Und: Segen der Technik: Wir konnten uns unterhalten. Es gibt mittlerweile Übersetzungs-Apps, in die man über Mikro einen deutschen Satz hineinspricht, der kurz darauf auf türkisch erscheint. So erfuhr ich, dass sie Flüchtlinge waren und mit ihrer Lage in der Türkei gar nicht zufrieden waren. So würden türkische Arbeiter für die gleiche Arbeit 100 Lira bekommen, sie aber nur 50… Der Kapitalismus hat Hochkonjunktur. Außerdem sind sie in der momentanen Wirtschaftskrise unerwünschte Konkurrenz für die Türken.

 

Ich erinnerte mich an den ersten Teil meiner Pilgerreise, wo ich in der Nähe von Bari auf offener Wiese einen Slum angetroffen habe, den ich schon so ähnlich in Nairobi gesehen hatte. Die afrikanischen Flüchtlinge arbeiteten für einen Hungerlohn in der Oliven- und Weinernte. Und auch aus Spanien kenne ich ähnliche Bilder.  Sie fragten mich, ob ich sie mit nach Deutschland nehmen könne. Ich verneinte… und erzählte von meinen Reiseplänen.

 

So ging es wohl eine Stunde hin und her und der Regen hatte aufgehört. Wir verabschiedeten uns sehr herzlich, und in mir wuchs der Gedanke, ihnen etwas Gutes zu tun. Weil ich kaum noch türkisches Geld hatte, holte ich einen 50 Euroschein aus der Geldbörse und wollte sie ihnen geben. Sie lehnten das brüsk ab: ich sei ihr Gast gewesen. Und so bin ich von wirkliche armen Säcken beschenkt worden…

Abschied von Izmir
Abschied von Izmir

Ich fuhr weiter und hatte Gott sei Dank die meisten Steigungen hinter mir. Trotzdem dauerte es wohl noch 10 Kilometer, bis ich auch die Vororte Izmirs hinter mich gelassen hatte. Der Weg führte über einsame Straßen auch durch Pinienwälder. Und drei Mal nahmen Hunde die Verfolgung auf. Aber dank meines Hochfrequenz- Hunde-Abwehr-Gerätes konnte ich sie mir problemlos vom Leib halten.

 

An dieser Stelle muss ich endlich mal sagen, dass ich mich offensichtlich bezüglich der türkischen Straßen geirrt habe. Hier waren auch die Nebenstraßen durchweg asphaltiert, auch wenn die Oberfläche sehr rauh war, und man deshalb ständig ein wenig durchgeschüttelt wurde.

 

Der Weg nach Ephesus war etwa 80 Km lang, hatte nicht Unmengen an Steigungen und trotzdem tat ich mich heute sehr schwer. Obwohl der Himmel wolkenverhangen und die Temperaturen angenehm waren, habe ich mich besonders auf dem letzten Drittel quälen müssen, denn es setzte starker Gegenwind ein. So kam ich gegen 17.00 Uhr hier in Selczuk ein.

Die alte Stadt Ephesus
Die alte Stadt Ephesus

Auf der Karte hatte ich gesehen, dass es hier eine protestantische Kirche gab, wo ich um Unterkunft bitten wollte. Aber dort war offensichtlich niemand zuhause und auch ging keiner ans Telefon. Ich fuhr weiter in die Stadt, um eine Pension zu finden. An der Straße lag ein Hotel. Ich hielt an, ging hinein und stutzte: Marmorböden und Biedermeiermöbel: Das war bestimmt drei Nummern zu teuer für mich. Ich sagte das auch dem Eigentümer und der sagte, dass die Übernachtung mit Frühstück 250 Lira kosteten, also etwa 16 Euro. Da hatte ich kein Argument mehr, um „nein“ zu sagen und lebe jetzt im Luxus.

 

Ich duschte und zog mich um, und merkte immer noch meine große Erschöpftheit. Dann beschloss ich, heute nicht mehr zur historischen Stadt Ephesus zu fahren, sondern mir das für morgen aufzuheben und so einen Tag länger zu bleiben. Von der Straße aus, machte die alte Stadt einen sehr gut erhaltenen Eindruck. So schien die Stadtmauer noch ziemlich intakt.

 

Aber nicht nur unter archäologischen Aspekten ist Ephesus interessant. Auch Paulus hat hier eine Gemeinde gegründet. Und der Überlieferung nach ist der Apostel Johannes, der Lieblingsjünger Jesu mit Maria, Jesu Mutter nach der einsetzenden Verfolgung in Jerusalem nach hierhin gezogen und auch hier gestorben.

 

Ich werde mir morgen sehr viel Zeit nehmen….

 

 

Hier wachsen Zitronen und Apfelsinen auf den Bäumen
Hier wachsen Zitronen und Apfelsinen auf den Bäumen

Zwei praktische Anmerkungen noch zum Schluss: Einmal kommen viele Grüße von vielen lieben Menschen bei mir über WhatsApp und Email an. Ich freue mich sehr darüber, bitte aber um Verständnis, dass ich darauf nicht antworten werde. Ich schaffe es einfach nicht…

 

Dann kamen immer wieder Anfragen, ob der oder die auch in die Gruppe aufgenommen werden könnte.

Ja, natürlich geht das. Wenn ihr so jemanden in Eurem Bekanntenkreis habt, dann gebt an ihn/sie den folgenden Link weiter: Damit kann er/sie selbst beitreten.  https://chat.whatsapp.com/Bl8bdUKPeE3A2dz5gNR81U

Hier wachsen Zitronen und Apfelsinen auf den Bäumen
Hier wachsen Zitronen und Apfelsinen auf den Bäumen