Die Geschichte und Entwicklung der Pfarrkirche St. Peter und des Ortes Königshoven

von Dr. Gerhard Pankalla

Geschichte ist die Beschäftigung mit Vergangenem - Geschichte ist ohne Zweifel auch Erinnerung - das Interesse für Geschichte ist eia Gradmesse für den Stand der Kultur - Geschichte ist die Selbsterkenntnis den Menschen„ Geschichte ist für die Gegenwart bedeutungsvoll, oder wie es Goethe einmal sagte: Eine Chronik schreibt nur der, dem die Gegenwart wichtig ist.

Geschichte ist aber auch sehen lernen.
 

Gesehen haben sehr früh die Menschen hier in der Landschaft, die später den NamenKönigshoven trug, folgendes:

Die Anhöhe, die früher - bevor die Kohlebagger kamen und bevor die Erft deswegen eine andere Richtung nehmen musste - links von Erfttal als ein Hügelkopf in das Tal hineinragte, diese Anhöhe muss schon in sehr früher Zeit der erftländischen Geschichte die Menschen angelockt haben: Von dieser Anhöhe ging ein magischer Zwang aus - man konnte die Gegend beherrschen, die Nähe der Erft und das schnelle Wasser des Erlenbaches, der fruchtbare Boden ließen eine Ansiedlung schon früh als vorteilhaft erscheinen.

Dass in der jüngeren Steinzeit (3000 v. Chr.) diese Gegend sahen be­siedelt war, ist möglich, aber nicht nachweisbar. Funde von Steinbeilen in der Erde müssen nicht unbedingt Beweis für eine Besiedlung in jener frühen Zeit sein.

Früher vermuteten die Königshovener dass der Name ihres Ortes auf Höfe hinweist, die Eigentum eines Königs gewesen sein könnten. Das ist keineswegs abwegig. Sicher gibt eine aus der Vorzeit stammende Sage den Grund dafür. Zur Zeit der Merowinger war der urbare Grundbesitz dieser Gegend Erb- und Krengut der fränkischen Dynastie, Wenn 
Lacomblet von "unzählbaren Königshäfen und -hufen" dieser Landschaft spricht (Kaiser Ludwig besaß noch 1343 die Gerichtsbarkeit in dem benachbarten Merken)! so darf man gewiss annehmen, dass auch hier ein solcher "Königshof" lag und dass der heutige Ortsname darauf zurückzuführen ist.

Die Wissenschaft nimmt als sicher an, dass die alten Orte Kaster, Morken und Königshoven auf fränkische Gründungen zurückgehen. Bestimmt trifft dies für Königshoven zu, das sich sicherlich aus einem fränkischen Königshof entwickelte. Reste der fränkischen Siedlungen werden deshalb so selten angetroffen, weil sie, unter den heutigen Dörfern liegend, besonders auch materialbedingt weitgehend untergegangen sind. Aber eine vor knapp 40 Jahren am Westrand der Grube Frimmersdorf unterhalb des früheren Morkener Friedhofes ausgegrabene spätfränkische Brunnenanlage deutet auf eine in unmittelbarer Nähe gelegene und der gleichen Epoche zugehörige Siedlung hin. - Alle diese Funde und Forschungen der Archäologie machen auf eine bedeutsame Weise klar, wie diese ganze weite Landschaft beiderseits der Erft seit jeher zu den Kerngebieten menschlicher Besiedlung zählte Ihr Boden birgt allenthalben ein so vielseitiges Kulturerbe, dass aus ihm die gesamte Frühzeit der Landschaft und ihrer Menschen abgelesen werden kann. Darüber hinaus vermag die Wissenschaft aus diesem Rüstzeug der Forschung eine Vielzahl noch ungeklärter, wichtiger Fragen der allgemeinen Vor- und Frühgeschichte zu beantworten. Das setzt aber voraus, dass bei dieser völligen Umgestaltung der uralten Kulturlandschaft der Wissenschaftler neben den Wirtschaftler und Techniker tritt, um diese Hinterlassenschaft vergangener Geschlechter zuvor zu sichten und zu sichern. Nicht zuletzt in der Wertung dieses großen geschichtlichen Erbes wird sich daher erweisen, ob die Umgestaltung des Erftlandes zur Braunkohlelandschaft und dann in ihrer Rekultivierung einmal vor der Geschichte dieses Raumes wird bestehen können.

1249 wird Königshoven als Kunyncshouen zum ersten Mal in einer Urkunde genannt. Da verkauft Peter von Königshoven, Marsil Galgils Sohn, 30 Morgen Allodialland (von germ.-mlat.allodium - im mittelalterlichen Recht lehnsfreier, dem Lehensträger persönlich gehörender Grund und Boden) und eine Hofstatt für 24 Mark Aachener Denaro dem Kloster Reichen­stein in der Eifel. Um die Zeit des Entstehen* des Ortes zu bestimmen, könnte auch die wissenschaftliche Untersuchung über das Alter der Kirchen in der Kölner Erzdiözese halfen; denn die ältesten Kirchen aus den Zeiten der Merowinger und Karolinger haben als Pfarrpatron St. Petrus, so wie hier in Königshoven. Dieses Petruspatrozinium kann auf eine alte Gründung hindeuten; da jedoch das Patronatsrecht 1271 an den Erzbischof von Köln fiel# könnte auch von dort her das Petruspatrozinium an die Kirche gekommen sein.

Natürlich entstand Königshoven nicht erst in der Mitte des 13. Jahr-hunderts. Die Römer nutzten die günstige Laure; viele Funde aus römischer Zeit, die jetzt beim Abbaggern des Redens durch die Rheinische Braunkohle- AG gemacht wurden, sind Beweis dafür: römische Ziegel, Tonkrüge und Scherben von Krügen, auch Reste von villae rusticae (Gutshöfen) fand man auf den Lößböden des linken Erftufers.

Auch die Franken, die nach dem Untergang des römischen Reiches an der Erft siedelten, haben sich dann dort, allerdings mehr im Tal angesiedelt. Bei der Landesaufteilung nahm der Landesfürst den größten Teil der frucht­baren Gemarkung für sich als Kueongut Königshufe. Den Namen Königshof führte noch bis in die neuere Zeit ein Hof; 1720 wurde berichtet, dass aus Baumaterial dieses Hofes das Kloster in Königshoven erbaut wurde. Sehr wahrscheinlich wird der Königshof an der Pannengasse gelegen haben [1]).
 

Bis Anfang des 14. Jahrhunderts bestand Königshoven aus vier Ort­schaften: Kunyncshouen, Houvermoirke, Elrehouen, Borke.   1311 verkauften die Besitzer des Landes - es waren acht Ritter - die drei erstgenannten der vier Orte dem Grafen Gerhard von Jülich mit der Gerichtsbarkeit und der Mühlen­gerechtsame. 1314 erwarb Graf Gerhard schließlich auch noch den letzten der vier Orte, und damit war Königshoven völlig an Jülich gekommen.

 Eigentlich bestehen die beiden Dörfer Königshoven und Morken aus fünf, rechnet manden schon früh wüst gewordenen Schreckshof hinzu, sogar aus sechsSiedlungen, die hier auf engstem Raum vereint waren. Es gibt eine Karte aus der Zeit um 1800, die diese Siedlungen widerspiegelt. Wenn man statt "das unterste Dorf" = Kunyncshouen liest, statt "Alhoven" Elrehoven, statt "am End" - Berke, statt "der Berg" - Hovermoirke und schließlich statt "Morken" - Niedermoirk so hat man das ursprüngliche Siedlungsbild vor Augen, wie es aus den frühen Urkunden des 14. Jahrhunderts spricht. In jener Zeit existierte noch keine Dorfgemeinde Königshoven in ihrem späteren Umfang. Ihren Platz nahm eine Mehrheit von einzelnen Ortschaften ein, von denen jede ausdrücklich als "villa", d. h. als Dorf für sich bezeich­net wurde. Unter Kunyncshouen versteht eine Urkunde von 1311 lediglich jenen Dorfteil, der in der Karte von 1800 "das unterste Dorf" heißt. Deutlich von ihm geschieden war das ebenfalls "unten", d. h. in der Aue an rechten Ufer des Königshovener Baches gelegene, aber einen halben Kilometer von Kunyncshoven nach Osten abnickende Alhoven, das Elrehoven den 14. Jahrhunderts. Die beiden anderen "villae" dagegen, die später mit Kunyncshoven und Alheven das Dorf Königshoven bildeten, hatten ihren Standort am linken, nördlichen Hochufer des Dorfbächleins Berke sowohl wie Hovermoirke, d. h. die in der Karte von 1800 mit "Am End" und "Der Berg" bezeichneten Ortsteile, thronten, jedes für sich auf einem Talsporn gelegen, hoch über der "Markall", - das ist der unschöne Name für den Unterlauf des kleinen Dorfwassers, der der Erft zustrebte; das war das Bächlein, das aus dem Zusammenfluss von "Web-" und "Kirschbaum - Suth" entstand und bis zur Höhe des früheren Schreckshofs die "Schrecks Suth" (Such oder Soth - nieder­deutsche Bezeichnung für Gosse) genannt wurde. Aus dem Namen Novermoirke - Obermorken spricht der Gegensatz der. topographischen Lage, aber zugleich auch die ehemalige enge Verbindung mit der in der Erftniederung gelegene, rund 500 m entfernten "Villa Merke inferior" - Untermorken. Das letzte äußere Zeichen der. Verbindung zwischen diesen beiden Ortschaften war der von Ober- über Untermorken in die Erftwiesen führende "Viehweg"; auf ihm trieben die Bewohner der Bergsiedlung ihre Pferde und Rinder hinunter zum Fluss.
 

Obwohl die Pfarrkirche, die am Ende des 13. Jahrhunderts für die vier abseits des Erfttales gelegenen "villae" zuständig war, auf "Dem Berg"„ also in Obermorken stand, hat nicht dieses, sondern Kunyncshoven der Gemeinde den Namen gegeben. Wann dieser Name die anderen Ortsbezeichnungen verdrängt hat, weiß man nicht. Noch 1338, als Erzbischof Walram von Köln die Königshovener Kirche der Domkämmerei unterstellte, wird die Siedlung Korken und nicht Königshoven genannt. Das Wort "Königshoven" für die vier Dörfer wird sich wohl in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts durchgesetzt haben. Jedenfalls begegnen wir den anderen Ortsbezeichnungen seit dieser Zeit nicht mehr.

Noch bis in die spätere Zeit gab es in Königshoven mehrere Rittergüter.. Am häufigsten ist das Gut der Familie von Holz genannt, diese Familie besaß das Besitztum bis 1731. Die Namen anderer Familien, die in Königshoven Güter und Rittersitze besaßen, waren von Brachel, von Blittersdorf, von Virmondt und Nundt. Die Familie von Blitteredorf wusste wegen Verschuldung 1750 dem deutschen Orden einen Rittersitz in Königshoven übergeben. Die noch übrigen Ländereien wurden 1788 parzellenweise verkauft.

Bedeutende deutsche Adelsfamilien werden in der Geschichte von Königshoven genannt: das im späteren Kreis Bergheim bekannte Geschlecht Raitz von Frentz - ein Rudolf Raitz von Frentz kaufte 1623 ein Lehen; auch das west­fälische Geschlecht derer von Droste-Vischering kam durch Erbschaft in den Besitz eines Lehens in Königshoven. Dieses Gut wurde später in mehrere Grundstücke aufgeteilt und verkauft. Die Hofstatt dieses Gutes lag im sog. Hundsgarten, sie wurde dann später durch ein Fräulein Winter der Königshovener Pfarr­kirche vermacht; auf testamentarischen Wunsch der Geschenkgeberin hatte dann die Kirche hier ein Kloster errichtet, in dem Celittinnen Kranke pflegten und eine Nähschule einrichteten. Dieses Kloster wurde 1903 geschaffen.

Es gab schon fast 400 Jahre vor dieser Zeit ein Kloster in Königshoven: bis 1375 bestand eine Klause der Zisterzienserinnen. Südlich der Pfarrkirche stand das Klostergebäude und war wahrscheinlich an die Kirche angebaut. Im 19. Jahrhundert waren noch Fundamente des Gebäudes vorhanden. Ansonsten ist wenig Tiber das Kloster bekannt. 1560 wird berichtet - so erzählt F. W. Noll in seiner "Heimatkunde des Kreises Bergheim", er hat diese Kenntnis über Königshoven von Hauptlehrer Robens aus dessen Königshovener Schulchronik -, dass im Kloster nur drei "Jufferen" mehr vorhanden sind, "die Priorin Gertrud Rasselt, die Kellnersche Mettelen von Straelen und Tringen von Düren", und dass diese ein "zankhaftiges und haderisches Leben" führten, auch "schier alles, was im Closter furhanden gewesen, verbracht und abhändig gemacht" hätten. Den Wunsche der Priorin, "es möge den (jülichschen) Hofe gefallen, so ein unchristlich und unnatürlich Leben ab­zuschaffen", entsprach im selben Jahr 1560 Herzog Wilhelm von Jülich: Er hob das Kloster auf, die Klause war baufällig geworden, und alle Schwestern - außer einer 70-jährigen waren gestorben; er schenkte die Besitzungen des Klosters den Mönchskloster in Grevenbroich.

Die Geschichte des Erftlandes und damit auch Königshovens und von Kaster und Bedburg wird seit dem Mittelalter bis in die Neuzeit mitbestimmt durch die Lage dieses Gebietes als einem Grenzgebiet: Kölner Erzbischöfe und die Herzöge von Jülich traten sich in vielfältigen Auseinandersetzungen als Gegner gegen­über. Dazu kamen Reformationswirren, die politische Macht der nahen Stadt Köln, der truchsessische Krieg, französische, spanische, hessische Truppen verwüsteten durch die Jahrhunderte dieses wertvolle Land, Häuser und Kirchen wurden zer­stört. Seit frühester Zeit wechselte in diesen Jahrhunderten die Art des Bauens - Holz, Fachwerk, Ziegel, Stein, schon in karolingischer und ottonischer Zeit frühe Steinbauten.

Wie geschichtsträchtig dieses Land um Königshoven immer schon war, kam in unserem Jahrhundert ans Tageslicht durch die Funde bei den Baggerarbeiten der Braunkohlenwerke. Unter dem Namen "das fränkische Fürstengrab von Marken" wurde in der Gemarkung von Königshoven im Juni 1955 vom Rheinischen Landesmuseum Bonn dieses Fürstengrab freigelegt; die Fundstelle lag auf dem "Kirchberg" von Morken am westlichen Rand des Erfttales, wo einmal die frühromanische Morkener Kirche stand, die 1897 abgebrochen wurde, also zwischen dem damaligen Lauf der Erft und der Kirchenanhöhe von Königshoven. Das Grab gehört zu einem größeren fränkischen Friedhof und bestand aus einer in die Erde eingelassenen Holzkammer, in der der Tote, der wahrscheinlich dem Geschlecht der von Hochstaden angehörte, in einem Sarg mit reichen Beigaben versehen bestattet war. Dieses Fürstengrab, das wertvolle Aufschlüsse über die Siedlungsgeschichte des Erftraumes geben konnte, datiert die Wissenschaft in die zweite Hälfte des 6. Jahrhunderts. Nach fachgerechter Auswertung gehört dieser Fund wohl zu den kostbarsten Beständen des Rheinischen Landesmuseums in Bonn. Die Wohnstätte des in dem Fürstengrab von Morken Bestatteten muss am Fuße des "Kirchberges" gewesen sein. Es ist wahr­scheinlich, dass von ihr aus im 10. Jahrhundert die gegenüber in der Niederung des Erfttales gelegene Burg Husterknupp, der Stammsitz der Grafen von Hochstaden, gegründet wurde. Über dem fränkischen Friedhof wurde eine Martinskirche errichtet.

Diese Hochstadenburg war die älteste der Herrensitze der von Hochstaden; es war eine befestigte Anlage, die vom 10. bis 12. Jahrhundert hier bei Königs­hoven existierte. Ein Rundhügel von nur geringer Höhe, bestanden von mehreren Bäumen, nicht recht geheuer für die Dorfjungen von Morken - so sah es hier zwischen Morken und Königshoven aua, bis in den zwanziger Jahren unsere@ Jahr­hundertes hier die Industrie ihren Einzug hielt. Hier wallte einmal eine Burg gestanden haben. In den Fehden zwischen den Grafen von Jülich und den Kölner Erzbischöfen sei sie belagert und seien ihre Bewohner ausgehungert worden. Man fand noch vor der Mitte unseres Jahrhunderts Burggräben und. im Boden ver-. bergen@ Mauerreste - dies schien die im Volksmund überlieferte Sage zu bestä­tigen. - Von den Historikern wurde vor. etwa 150 Jahren erstmalig die Vermutung geäußert, dass es sich bei diesem verschwundenen "Schloss" um die Burganlage eines der bedeutendsten Kölner Kirchenfürsten, Konrad von Hochstaden (1238 - 1261), unter dem mit dem Bau des Kölner Domes begonnen wurde, handele. Dieser Konrad war damals des Reiches, ja fast Europas mächtigster Fürst - er salbte drei Könige und sich selbst die Hände mit schwerem Gold. Zwar waren die urkundlichen Belege Tiber diese Hochstadenburg zu spärlich, war die hieraus abzuleitende Lagebestimmung zu ungenau, um allein mit diesen Unterlagen den exakten Beweis führen zu können. Diese Aufgabe verblieb der Bodenforschung. Die erste Grabung des Jahres 1934 gab der Ansicht der Historiker nur wenig zuverlässigen Halt. Erst bei der 1949 begonnenen eingehenden Untersuchung den Geländes am Husterknupp ermöglichten beim Vordringen der Braunkohlengrube eine letzte Möglichkeit der Erforschung: der vorgefundene und sorgfältig untersuchte Zerstörungshorizont (Schicht der Zerstörungsreste) erbrachte den eindeutigen Beweis für eine ältere, frühmittelalterliche Burganlage. Dieser besondere Burgentyp wird wissenschaftlich als "Motte" bezeichnet. Diese Motten waren keineswegs s Burgen im heute gültigen Sinne, eher befestigte Plätze. Sie bilden eigentlich in der Entwicklung der Schutz- und Wehranlagen das Zwischenglied zwischen einer prähistorischen Anlage und der mittelalterlichen Wasserburg, für die in unmittelbarer Nähe in Bedburg und im untergegangenen Harff in deren ältesten Teilen bedeutende Beispiele vor­handen sind. Diese Motten hatten nicht wie die voraufgegangenen Stammesburgen die Aufgabe, in Notfällen Zuflucht zu gewähren, sie waren vielmehr befestigte Sitze kleiner Dynastien, Familienburgen und als solche ständig besetzt. Zu ihrer Anlage dürften gerade auch im Königshovener Gebiet die Normanneneinfälle zwingend beigetragen haben. Ihr Aussehen ist uns aus dem Teppich von Bayeux überliefert, auf dem die Eroberung einer solchen Motte dargestellt ist. Die Entstehung dieser Metten wird auch mit der unruhigen Zeit, die mit dem Verfall den Karolingischen Reichen, unter den Nachfolgern Karla des Großen in West­europa einsetzte, in Verbindung gebracht. Charakteristisch ist ihre Lage in Flusstälern und in sumpfigen Niederungsgebieten. Im Rheinland trifft man sie entlang der Täler der Erft, vier Ruhr und ihren Zuflüssen an. In diesem Zusammen- hang ist interessant, dass schon 1891 Leonard Korth in seinem Büchlein "Volks-thümliches aus der Erftniederung" auf diese Motte hinweist. Er sagt dort (5.43), "der Burgweg geht von der Linde aus gegen Osten in das Erftthal hinab zum Husterknupp, zu dem Hügel, auf den einst die Stammburg der Herren von Hostaden sich erhoben hat", In einer Fußnote fügt er hinzu: "Die Zeugnisse dafür, dass auf dem Husterknupp die von Erzbischof Konrad 'in locomunitiori' gegründete neue Burg Hostaden sich erhob$ sind bereits zusammengestellt von Freiherrn K. v .Spies-Büllesheim in einer Lebensskizze des Grafen Johann Wilhelm von Mirbach (Programm der Rheinischen Ritterakademie Bedburg  1850), S.6 f.„ vermehrt bei H. Cardauns "Konrad von Hostaden" (Köln 1880), 5.62 Anm. 2, wiederholt bei Giersberg "Dekanat Grevenbroich", S. 94, Arm. 4.

Die Motte Konrad von Hochstadens am Husterknupp bei Königshoven (die Wissen­schaftler nennen sie heute die Frimmersdorfer Motte) ergab in der Mitte unsres Jahrhunderts durch eine groß angelegte Grabung neue Aufschlüsse für diesen Burgentyp. Der künstlich aufgeschüttete, ursprünglich weit höhere Burghügel trug den aus dem 10. bis 12. Jahrhundert stammenden Burgkern (im 12. Jahrhundert zerstört), den eigentlichen Herrensitz. Fundamentreste waren 1950 nicht mehr vorhanden, so dass es such nicht möglich war., seine genaue Ausdehnung zu bestimmen. Es wird - entsprechend dem Bildteppich von Bayeux - ein mächtiger turmartiger Holzbau gewesen sein, durch Wassergraben und Palisaden geschützt, dazu bestimmt, in der Not eine letzte Zuflucht zu  gewähren. Man darf annehmen, dass Hügel , Geviert, Gräben und Wälle zu einer einheitlichen Anlage zusammengefasst waren„ wobei der Hügel die Hauptburg und das Geviert die Vorburg mit den Wirtschafts- und Wohnräumen für die Untergebenen trug. Die Bauweise dieser ganzen Anlage ist das für die Wissenschaft Erstaunlichste: Es ist die so genannte Stabbauweise oder Reiswerktechnik, wie man in Norwegen sagt; man kannte sie vorher nur aus Skandinavien, Schleswig und England. Damit war die Problematik der Stabbauweise - die nordischen. Stabkirchen setzen diese Technik fort - in ein neues Stadium der Erforschung getreten. In die archäologisch sei dunklen Jahrhunderte zwischen den Ausgang der Antike und der schriftlichen Überlieferung des europäischen Mittelalters brachten diese Funde im Bereiche von Königshoven zum ersten Male Licht. Die starke Grabensicherung des Husterknupp konnte einwandfrei festgestellt werden, und die vorgefundenen schweren Holzreste sind letzte Überbleibsel des Herrenbaues. Man fand bei den Grabungen Keramiken, Bronzereste, Eisengeräte, auch Gefäßteile, vorwiegend der Pingsdorfer Epoche (diese hat ihren Namen von der frühkarolingischen Töpferei in Pingsdorf bei Brühl).
 

Auf dem Husterknupp war also die alte Familienburg der von Hochstaden, während die neue Burg Konrad von Hochstadens drei Stadien von dieser errichtet wurde. Um derer letzte Reste dürfte es sich gehandelt haben, als zwischen 1920 und 1930 im heutigen Grubengelände Überbleibsel einet Baukörpers Zum Vorschein kamen und untergingen. - Die Hochstadenburg - eine Viertelstunde Fußweg entfernt vom Königshovener Hagel - war also die älteste Familienburg der Herren von Hochstaden, dem l0. bis 12. Jahrhundert zugehörig, kein Steinbau, sondern ein Holzbauwerk, sumpfgeschätzt, auf Pfählen errichtet, unter Verwendung von Feldbrandziegeln und Dachschiefer.

1271 wird zum ersten Mal eine Kirche in Königshoven erwähnt. Im liber valerie um 1300 erscheint sie als Pfarrkirche. Man nimmt an, dass die meisten Landkirchen fränkischer Zeit aus frühen Eigenkirchen, die auf ihrem Boden von den damaligen Grundherren gegründet wurden, entstanden sind. 1338 inkorporierte Erzbischof Walram die Kirche der Domkämmerei zu Köln (Lacomblet, UB III Nr. 328 parochialem ecclesiam de Merke. Unter Morken ist hier. Obermorken = Königshoven zu verstehen). Seit Mitte des 16. Jahrhunderts wurde die Pfarre durch den Herzog von Jülich vergeben. Die erste Pfarrkirche von 1271 wurde im 15. Jahrhundert durch einen zweischiffigen gotischen Bau ersetz, Jahre 1576 die Sakristei errichtet. Als diese Kirche im Laufe der Zeit für die stetig wachsende Gemeinde zu klein wurde, brach man 1896 einen Teil ab und vergrößerte glas Chor nach Osten. Bei diesen Abbrucharbeiten fand man noch die Fundamente der im 13. Jahr-hundert erbauten Kirche. Dann wurde aber auch der Rest der alten Kirche und der alte romanische dreigeschossige Turm abgebrochen, und es entstand 1900 der Backsteinbau; sein Mauerwerk wechselte wie bei der alten Kirche mit Tuffbändern, mit schlanken Türmen an der Nordseite, 36,50 m lang, 15,75 m breit, 10,50 m hoch. Die Maße der alten Kirche waren 28,20 und 11,40 m.

Immer stand das Gotteshaus von Königshoven auf dem Bergvorsprung des westlichen Erftufers.
 

Die letzte Kirche im alten Königshoven mit deren Bau man 1896 begann, wurde von Regierungsbaumeister Julius Bursch entworfen; ihm verdankt das Erftland viele Kirchen, die in ihren neugotischen Form heute denkmals­geschützt sind. Im innern der Kirche wurden die beiden Schiffe durch drei achtseitige Pfeiler getrennt, die auf zweimal abgetrennten reich profilierten Sockeln standen. Sehr merkwürdig war die Stellung des letzten Pfeilers, der nur 1 m von dem Turm abstand. Über dem Türsturz der Sakristei war die Jahreszahl angegeben: Anno Domini 1576. Dieser Stein mit der Jahreszahl ist heute an der neuen Kirche in Königshoven am Eingang zu finden.

Nach Norden war ein Backsteinkapellchen mit hölzernem Giebel und vor­gekragtem Satteldach dem Turm vorgebaut; diese kleine Kapelle und das Heiligenhäuschen, das nordwestlich an die Kirchhofsmauer angelehnt war, waren von großer malerischer Wirkung. Vors dem um 1955 in Bergheim lebenden Kunst­erzieher von. den Hoff gibt es davon eine gute Bleistiftzeichnung.

Die Ausstattung der Kirche aus der Mitte des 18. Jahrhunderts war in Rokokoformen gehalten.
 

Im Nordportal, auf dessen Türsturz in einem Spruchband Anno Domini 1556 stand, befand sich eine Tür des 15. Jahrhundertes aus kräftigen eichenen Bohlen mit gotischen Eisenbeschlägen, die Bänder in Lilienstengel auslaufend, dazwischen drei Hufeisen aufgenagelt. Von diesen Hufeisen erzählt eine Sage: In dem Kloster neben der Kirche lebte einmal eine reiche und vornehme Äbtissin, die ein Reitpferd besaß. In ihrer eigenwilligen Art kam ihr einmal die Idee, diesen Pferd, das ihr so ans Herz gewachsen war, sollte auch an ihrer künftigen Beerdigung teilnehmen. Als nun die Äbtissin gestorben war und man sich ihres Wunsches erinnerte, ließ man beim Opfergang um den Altar das Pferd mitziehen. Vorher wurden ihm unter die Aufn ganz lose Hufeisen aus purem Gold geschlagen. Diese sollten seine Opfergabe sein. Als man dem Tier jedoch die kostbaren Opfergaben abnehmen wollte, hatte es bereits ein Hufeisen verloren. Es wurde nachher nicht wieder gefunden. Zur Erinnerung an dies Ereignis wurden drei kleine Hufeisen aus Eisen nachgebildet und später an die Kirchtür genagelt.
 

Die Glocken der Kirche wurden 1860 neu gegossen. Die größere trug die Inschrift: S. Petrus deiers Kirchen Patron bein ich. Zum Dienst Gottes ruf ich. Die Todte beklage ich. Johannes Bourglet von Gulich ges mich Anno D 1684. - Am Rande in Relief Maria und Johannes, Petrus und Paulus, zwischen beiden Kreu­ze. Die= zweite Glocke von 1418 trug die Inschrift : Anno D. MCCCCXVIII Mensis novembris die decimo ectavo. Maria vocor.
 

In einem statistischen Jahrbuch "Der Kreis Bergheim seine. Verwaltung und seine wirtschaftliche Entwicklung während des Zeitraumes vom Jahre 1898/99 bis 1909", herausgegeben vom damaligen Landrat Otto Graf. Beissel, heißt es, dass die Bürgermeisterei Königshoven 1887 - 88 eine Einwohnerzahl von 2798 hatte, 1897 - 98 waren es 2946 und 1908 3048 Einwohner. Die Grundfläche betrug 1709 ha. Es mag auch noch interessieren, dass es denn weiter heißt: "Der Bürgermeister Velder verwaltet die Bürgermeisterei vom 14. Juli 1898 bis zu seiner Wahl als Bürgermeister von Wipperfürth am 1. Dezember 1905; ihm folgte in der Verwaltung am 24. Februar 1906 der derzeitige Bürgermeister Johann Struben, früher Stadtsekretär in M.-Gladbaoh. Als einziges größeres industrielles Unternehmen in dieser Bürgermeisterei ist die Brauerei von Lüpges zu nennen. In Harff befindet sich das Gräfl. Mirbach' sche Schloss gleichen Namens, ein prachtvoller mit herr­lichem Turm gekrönter Bau und reichhaltiger wohlgeordneter Bibliothek".

Die Geschichte Königshovens in den letzten 150 Jahren entspricht der Geschichte des Kreises Bergheim, der seit 1816 bestand. Da waren Notzeiten durch Kriege, und es gab die Friedenszeit es kam die Industri­alisierung in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts, es kamen die Eisenbahn und die neuen Straßen. Es kam die gewaltige Umwandlung unserer Landschaft durch den Abbau der Braunkohle. Und es kam jener Tag, an dem beschlossen werden musste, dass jener tausende Jahre alte Ort Königshoven wegen dieser Braunkohle umgesiedelt werden musste.

Sein Name Königshoven wird bleiben, auch wenn der Ort heute ein Teil der Stadt Bedburg ist. Was auch geblieben ist, sind. die Kreuze und Kalvarienberge am Rande der Straßen, sie gehören zur Geschichte dieser Landschaft wie die Pappeln und Weiden. Und geblieben ist das Miteinander der Menschen, im Feiern und im Trauern. Auch wenn das alte Dorf in einem neuen Ort wieder erstand.

 

 


[1] 1) Pfannengasse: Hier wurden früher Dachziegel gebacken; der Ton wurde gegraben in der muldenförmigen Vertiefung, wo Spritzenhaus und Vogelstange standen und an der Kirchgasse (nach Berthold Clever "Kö-nigshoven. Kleines heimatkundliches Lesebüchlein hrsg. aus Anlaß der Hundertjahrfeier der kath. Volksschule in Königshoven").