Pfarrgeschichte St. Mariä Himmelfahrt

von Bernhard Weitz

Als Pilger soll ich mich vor die Pflicht gestellt, (ich hatte es ja schon geahnt), mich umzudrehen und die Vergangenheit zu betrachten. Es sollte keine Chronik werden, obwohl ich die Pfarrchronik benutzte, „nur“ eine Rückschau.
Als die „Pfarre“ wurde, war es nicht die „Stunde Null“. Durch die isolierte Lage von Unterbach und das schon funktionierende „Rektorat“ mit Kirche und Pfarrhaus war schon eine Basis gegeben. Dazu kam Vennhausen „südlich-diesseits des Waldes“, mit der Zustimmung der Pfarre Gerresheim. Im Herbst 1882 begannen die Verhandlungen, das preußische Kultusministerium gab grünes Licht, aber das Finanzministerium sah rot, die Pfarre mußte finanziell besser abgesichert werden
Endlich Pfarre

Am 09.09.1897 war es soweit; Unterbach war Pfarre! Am 20.03.1898 wurde Wilhelm Josef Unterkeller als erster Pfarrer eingeführt. Man höre und staune: Bereits am 13.05.1898 fand die Wahl einer „Gemeinde-Vertretung der katholischen Pfarrgemeinde zu Unterbach“ (GV) für zwei Jahre statt. Wer wahlberechtigt war, ist nicht überliefert, auch nicht die Aufgabenstellung. Bereits am 10.06.1898 fand die erste Sitzung statt. Aus dem Protokollbuch geht hervor, daß die GV die Kirchenvorstandbeschlüsse billigte und den Rendanten entlastete. Sie wünschte aber auch, z.B. deutsche Sakramentslieder zur Prozession.

Neue Vereine in Unterbach

Diese Zeit fanden auch die Gründungen vieler kirchlicher Vereine statt, 1896 die „Jünglingskongregation“ und die „Jungfrauenkongregation“, 1897 der „Cäcilienverein“, 1899 der „Pfarrverein“, 1901 der „Mütterverein“ und 1904 die „Sterbekasse“.
Die Kirche erhielt 1899 eine Turmuhr, 1900 und 1903 wurde die Kirche ausgemalt. Der Pfarrer legte ein tolles Tempo vor. Es war eine Zeit des Aufbruches einer neuen Pfarre. Die Eintragungen in der Pfarrchronik sind dürftig und nachträglich geschrieben.
80 Männer gründeten am 30.10.1898 „den Pfarrverein zum Heiligen Josef“. Immer neue Mitglieder meldeten sich. Der Versammlungsort wechselte monatlich in den Unterbacher Kneipen.
1899 ging die erste Wallfahrt nach Neviges. Das Protokollbuch, das uns Frau Haas dankenswerterweise zur Verfügung stellte, berichtet, daß ein Priester unserer Pfarre in Rom die Weihe empfing, leider fehlt sein Name beim Eintrag.
1902 stand die Lehrstellenfrage im Raum, 1904 „Nuditäten und Kunst“, so neu sind solche Themen also wohl nicht. 1905 wurde der Pfarrverein aufgelöst und der „Katholische Arbeiterverein“ (AV) gegründet.
Die GV setzte 1907 das Küstergehalt auf 365,- Mark fest, pro Jahr!

Der 2. Pfarrer

Am 24.03.1907 wurde der zweite Pfarrer Philipp Beyhoff in die Pfarre eingeführt. Eine stattliche Schar Reiter holte ihn am Gerresheimer Bahnhof ab. Beyhoff bediente die Chronik intensiver. Der aus Essen-Borbeck stammende Pastor war ein sozial engagierter Mann, der zupackte. Mit Kirchenvorstands (KV) - Mitgliedern besuchte er noch 1907 alle Familien der Pfarre, die zur Hälfte aus seßhafter Landbevölkerung bestand, zur Hälfte in auswärtigen Fabriken arbeitete. In allen kirchlichen Vereinen war der Pastor Präses. Bald entdeckte er, daß er alles selbst machen mußte. Seinen Mitarbeitern bescheinigte er guten Willen, aber wenig Fähigkeiten Er brachte die Mitgliederzahlen der Vereine in seiner Zeit beachtlich in die Höhe, z.B. den „Mütterverein“ von 43 auf über 100, die „Jünglingskongregation“ von 12 auf 100, der „Volksverein“ wuchs von 50 auf 120, der „Arbeiterverein“ von 60 auf 150 Mitgliedern.
Ein wirkungsvolles Vertrauensmännersystem baute er auf. Jeder Vertrauensmann war für einen kleinen Bezirk in der Pfarre zuständig. Eine Sterbekasse wird genannt. Sogar eine „Zentral-Krankengeld-Zuschußkasse“ wurde gegründet. 13 Waggons Kohlen bestellte Beyhoff für den gemeinsamen Kohleneinkauf und entlasstete so durch den fehlenden Zwischenhandel die Haushalte der Gemeindemitglieder. Für die Jünglinge gründete er eine „Turn- und Sportabteilung“ mit Sportplatz eine Musikabteilung kam dazu. Für die Jungfrauenkongregation entstand ein Chor, den der Pastor selber leitete, und Koch- und Haushaltungskurse, für die Frauen die monatliche Mütterberatungsstunde.
Alle kirchlichen Vereine erhielten Fahnen, (bezahlt aus Spenden), die symbolhaft die Mitglieder repräsentierten. Der Bezug der Standeszeitungen blühte auf, ebenso der Chor, der auf drei Mitglieder geschrumpft war, ein Knabenchor kam hinzu. Die Standesgemeinschafts-Kommunion fand jetzt monatlich statt, der Kommunionsempfang vervielfachte sich.

Das Vereinshaus

1908 wurde die „Gesellschaft Kath. Vereinshaus e.V.“ gegründet, deren Vorsitzender der Pfarrer war. Leider stellte sich später heraus, daß die Satzung nicht sorgfältig genug formuliert war, was später langwierige Auseinandersetzungen und Prozesse zur Folge hatte. Das Vereinshaus wurde nach dem Plan von Professor Kleesattel (Düsseldorf), einem bekannten Kirchenbaumeister, in fünf (!) Monaten von meist Unterbacher Handwerkern vollendet. Schwierigkeiten gab es mit den drei ansässigen Wirten wegen der Schankkonzession, die zuerst nur für Vereinsmitglieder galt, später aber auf alle Mitglieder der kirchlichen Vereine ausgedehnt wurde. Bis es soweit war, spendierte der Pastor ein 1 Hektoliter-Faß zur Überbrückung (der Trockenheit!). Die im Vereinshaus liegenden vier Wohnungen dienten der Finanzierung, auch der Küster wohnte dort und bewirtschaftete das Lokal, was seine finanzielle Basis stärkte. Bühne, Rollwand, Kegelbahn und Billard waren im Hause, Sportplätze und Spielvorrichtungen ergänzten das Pfarrzentrum, Caritasfürsorgestelle, Kinderberatungsstelle und 1912 eine tausendbändige Volksbibliothek ergänzten das Angebot.

Raubüberfall im Pfarrhaus

Spektakulär war der Raubüberfall im Pfarrhaus 1908, bei dem zur Bezahlung von Handwerkerrechnungen bereitliegende 6.000,- Mark geraubt wurden und die Haushälterin „eingeschüchtert“ wurde. Bis auf 800,- Mark kam das Geld zurück, den Rest spendeten meist die Lieferanten.
Ende 1909 beschloß die GV die Umstellung von Petrolium auf elektrischen Strom zur Beleuchtung. Der Kirchbau erwies sich als unpraktisch, wie die Chronik berichtet, aber an Neubau neben dem Vereinshaus und an ein Kloster konnte man bereits 1907 denken, doch die finanzielle Wirklichkeit war anders, man mußte sich einrichten.
1910 besuchte der Pastor das Heilige Land. Eine Delegation holte ihn auf dem Rückweg schon in Köln ab, an der Ortsgrenze Unterbachs wurde er mit Böllerschüssen empfangen und im Ort brachte man ihm einen Fackelzug dar. Anschließend war ein Empfang im Saal. Später bedankte sich der Pfarrer mit einem Lichtbildervortrag über seine Reise.

Feste feiern

Die Versammlungen des AV hatten meist zuerst eine Ansprache des Pastors, zwei Vorträge, sozialbildenden oder religiösen Inhalts, Gesang und immer irgendein „Hoch“ auf den Kaiser, den Papst oder... den Pastor. Die Themen waren meist akut, interessant und bildend. Der Verein versuchte, seinen Mitgliedern auf vielerlei Art zu helfen, z.B. mit einer Krankengeldzuschußkasse (!)‚ einer Sterbekasse, u.a..
Viele Feste wurden gefeiert, Weihnachten, Kaisers Geburtstag. Fastnacht, Pastors Namenstag (ein wichtiges Fest) und das Stiftungsfest. Auch bei diesen Festen gab es Ansprachen, Gesang von Chören und von allen Anwesenden, wobei neue, wohl selbstverfasste Texte, auf bekannten Melodien gesungen wurden, Theaterspiele und Deklamationen. Konzerte und Theater kosteten 25 Pfennig Eintritt, wobei Mitglieder freien Eintritt hatten. Jeder Tanz kostete für alle 10 Pfennig. denn gegen „geordnetes Tanzen unter Aufsicht“ hatte man „keine Bedenken“. Eine Viermann Kapelle spielte auf...

Kirchensteuer

Die Jahre bis 1916 waren ausgefüllt mit besserer Kirchenausstattung und Ausmalung. Ein neuer Friedhofsplan entstand, Wege wurden verbreitert, Alleen gepflanzt, Gebühren angehoben. 1907 wurde die erste Kirchensteuer erhoben, zuerst 35% (!), später 40% der Steuer. Die Kirchensteuer wurde vierteljährlich eingesammelt. Vorher gab es eine monatliche Hauskollekte, die nun wegfiel. Der Klingelsbeutel wurde abgeschafft, nur noch der Teller ging rum. Die Kollekte am ersten Sonntag im Monat stand dem Pfarrer für Bedürfnisse ausserhalb des Etats zur Verfügung. Die Kirchensitzplätze wurden vermietet, blieben sie frei, konnte sich jeder nach einer viertel Stunde oder zu Beginn der Predigt draufsetzen.
Vieles wurde in den Jahren geleistet zur Verbesserung der Lage der Bewohner Unterbachs, wie Straßenschilder und Hausnummern, das Kaiser- später Kriegerdenkmal entstand 1913 suchte man einen „Kirchenschweizer“ für die Ordnung in der Kirche.

Der große Einschnitt

Der Erste Weltkrieg wer ein großer Einschnitt ins Pfarrleben. 1914 wurden sofort 200 Mann eingezogen. Der Küster wurde gemäß Reichsversicherungsordnung versichert Gemäß GV übernimmt 1916 die Frau des Küsters bei gleichen Bezügen das Amt ihres eingezogenen Mannes.
Das neunte Stiftungsfest am 27.09.1914 wurde zu einer vaterländischen Gedenkfeier umfunktioniert. Sämtliche im Felde stehende Mitglieder kirchlicher Vereine erhielten „Liebesgaben-Pakete“ und am 18.11.1914 beschloß man, alle Kriegsteilnehmer in einer „Kriegsversicherung“ auf Kosten des AV, der damals 136 Mitglieder zählte, zu versichern. 1915 werden Frauen erstmals in der Versammlung erwähnt. Die Frau des einberufenen Kassierers übernimmt dessen Amt. Von 150 Mitgliedern stehen 100 im Feld, 6 sind gefallen. 1916 ist die Rede im Protokollbuch von Friedenssehnsucht, Lebensmittelknappheit und Teuerung. 16 sind gefallen oder gestorben. Frauen vertreten jetzt die „Vertrauensmänner“.

Der 3. Pfarrer

1917 wechselten die Pfarrer, als dritter Pfarrer wurde Friedrich Ludwig Zentis am 09.04.1917 eingeführt.
Wegen der schlechten Ernährungslage wurde eine „Kriegskinderküche“ eingerichtet, die jedoch bald wieder wegen Lebensmittelmangels schließen musste, die aber in der kurzen Zeit 7.400 Essens-Portionen ausgab. Von Kohlenmangel ist die Rede. Laut polizeilicher Aufforderung mussten gegen Bezahlung eine kleine Glocke und die Orgelprospektpfeifen abgeliefert werden. Um den Soldaten eine Wurst schicken zu können, musste man ein Schwein zum Schlachten von der Behörde freibekommen. Noch Anfang 1918 wurde der „Franzikus-Xaverius-Verein“ (Missionsverein) eingeführt, 170 Mitglieder schlossen sich an. Der Pfarrer erhält eine Teuerungszulage von 300 Mark, der Meßwein-Etat wird von 50 auf 150 Mark angehoben. Mitte Oktober bis Mitte November 1918 raffte eine Grippeepedemie 13 meist jugendliche Unterbacher dahin. Die Revolution November 1918 ging in Unterbach ziemlich harmlos über die Bühne.

Die Nachkriegsjahre oder die wilden 20er

Am 29.03.1920 meldet die Chronik den ersten Kirchenaustritt am 8./9.01.1920 den ersten Einbruch in die Kirche, am 19./20.04.1920 den zweiten, wobei man sogar den Tabernakel knacken wollte, was aber mißlang. im Herbst war das Pfarrhaus dran, die Beute bestand aus vier Handtüchern und einer Schürze.
Eine Volksmission sollte die Pfarre wieder religiös stärken. Zwei Rücktritte erfolgten, eine „wilde Ehe“ wurde geordnet. Bei den Elternbeiratswahlen wurde die Katholische Liste einstimmig gewählt. Wieder wurde am 21./22.07.1921 die Kirche erbrochen. Ein Teppich, ein Altartuch und ein Kommuniontuch waren die Beute. Im gleichen Jahr wurde der Turm repariert, der Chorbogen saniert und bemalt und, neue Orgelprospektpfeifen eingebaut Eine neue Glocke wurde für 10.000,- Mark gekauft (die beschlagnahmte Glocke hatte 720 Mark erbracht).
März 1922 wurden bei einem weiteren Einbruch alle Paramente aus der Kirche gestohlen. Die „guten Stücke“ hatte der Pastor ahnungsvoll auf seinem Speicher vorher in Sicherheit gebracht. So waren damals die Zeiten.
Bei der Wahl 1923 stimmten 97% der Katholiken für die Bekenntnisschulen. Im gleichen Jahr wurden 40 Taufen gespendet, 16 Ehen geschlossen und 4 Unterbacher beerdigt.

Der 4. Pfarrer

Im nächsten Jahr war wieder Pfarrerwechsel. Wilhelm Ströter wurde am 23.11.1924 eingeführt. Bei der Kirchenvorstandswahl 1925 wurden (wohl erstmals) drei Damen gewählt! 25 Jahre „Mütterverein“ wurden in einer „Frauenwoche“ festlich begangen, wobei sich durchschnittlich pro Abend 100 Frauen beteiligten.

Wieder ein Wechsel, der 5. Pfarrer

Schon 1927 war der nächste Pfarrerwechsel, Friedrich Oepen hieß der neue Pastor. Er sah nur die Hälfte der Gemeinde als religiös an.
30 Neubauten wurden 1929 gezählt. Die Zahl der Taufen fiel, die der Ehen stieg. Die im Reichstag behandelte Frage der Abtreibung spielte auch in Unterbach eine Rolle. Von 400 Frauen, waren 200 im „Mütterverein“, wovon kaum 25% zur monatlichen Standeskommunion kamen. 2/3 der Kinder sah man sonntags in der Messe. Der Kirchenchor zählte 30 Mitglieder mit Damen. Die katholische Sportbewegung „DJK“ (Deutsche Jugendkraft) entwickelte sich gut. Die Arbeit der „Jünglings- und Jungfrauenkongregationen“ wuchsen mit Hilfe der Lehrerinnen und Lehrer, die sich sehr engagierten.

Die 30er

Zum Ende des Jahrzehnts gab es in Unterbach 1.678 Katholiken in 430 Familien, 280 Protestanten und 50 Sonstige. Von den katholischen Familien bezogen nur 98 die katholische Tageszeitung „Tageblatt“, 200 die „Mütterzeitung“, 205 die „Kirchenzeitung“, 70 die „Christliche Familie“, 25 die „Stadt Gottes“ und 100 „Weltmission“.
1930 wurden die Fastenpredigten von Sonntag mittag auf Freitagabend verlegt. Viele Unterbacher, auch Mädchen, mußten schon vor sechs Uhr morgens aus dem Haus gehen, oder mit dem Fahrrad losfahren, um zur Arbeit zu kommen. Sie sollten wohl am Sonntag etwas Ruhe finden. Im März war wieder eine Mission, vorher eine Kindermission fällig. Die Unterbacher wollten alle religiös sein, nur durfte die Religion nicht soviel von ihnen verlangen, so schätzte man sie ein. An der Schlußkommunion nahmen 950 teil, die Osterkommunion empfingen 73%. Ende Mai kam der Bischof. Reiter holten ihn in Vennhausen ab, alle (!) Vereine des Ortes kamen zum Empfang. 69 Kinder und 5 konvertiten wurden gefirmt. Im gleichen Jahr wurde ein neuer Hochaltar errichtet. Ein Viertel der Erwerbstätigen war bereits arbeitslos. Erstmals (?) gab es ein Etatdefizit von 1.500 Mark, die Not wuchs.
In den letzten Jahren 1929-1931 wurden wieder 25 neue Häuser gebaut Der Kirchenbesuch betrug 1931 43%, der der Schulkinder 75%. Das Ewige Gebet wurde gut besucht, in der Nacht waren selten unter 20 Personen zur Anbetung in der Kirche. Bei der Osterkommumon waren 62% mit Christus unterwegs. 1931 brachte viel „Knatsch“ und einen langen Prozess wegen des Vereinshauses.

Die Winter zwischen 1930 und 1940 waren recht kalt und schneereicht. Natürlich reizte dies, insbesondere die Jungen, mit Schneebällen zu werfen. Ein Spiel kam bei den Jungen besonders gut an: Einige Jungen konnten so hoch und zielsicher werfen, daß der Schneeball den großen Zeiger der Kirchturmuhr traf; und der Zeiger dann stehen blieb. Meistens geschah dies in der großen Pause des Schulunterrichts. Und da die Lehrer sich nach der Kirchturmuhr richteten, waren die Pausen oft länger als vorgesehen, da es etwas dauerte, bis sie merkten, daß der Zeiger stand. So verkürzten sich zur Freude der Schüler die Schulstunden.

1932 bot man für 20-30 Mädchen Gymnastikkurse an. Am 10.07.1932 feierte Engelbert Brendau, ein Salvatorianerpater, geweiht in Passau, die erste Primiz in unserer Pfarre, der erste Priester aus Unterbach! Einen silber-vergoldeten Kelch schenkte die Gemeinde, gesammelt aus Pfennigen und Groschen. An dieser Stelle sollte nicht verschwiegen werden, daß die Pfarre Unterbach immer spendenfreudig war, und damit alle Anschaffungen, ohne Schulden zu machen, bezahlt wurden.
Die Not wächst

Mit einfachen Mitteln wurde die Kirche renoviert. Der Küster hatte schon 12 Monate kein Gehalt bekommen, für die Putzfrau, die schon 26 Jahre ihren Dienst tat, war kein Lohngeld da. Die Erwerbslosigkeit betrug 75% (!) Zur Abgrenzung der für ganz Unterbach entstandenen „Notgemeinschaft“ wurde auf Kölner Anstoß eine Caritasvereinigung gegründet, der sofort 50 Familien beitraten. Es gab beim Kirchenchor Streit, er bezahlte aus eigener Tasche einen neuen Dirigenten, da die Kirchenkasse leer war. Der Prozess um das Vereinshaus wurde bis in das Jahr 1935 gestreckt. Ein alter Unterbacher, der Missionar Wilhelm Holzschneider, starb am 14.01.1933 in Südafrika.

Ein kleines Mädchen ging während der Sonntagsmesse nach vorne zum Altar, wandte sich an den Herrn Pastor und sagte deutlich: „Herr Pastor, ich habe einen Zahn los.“ Der Herr Pastor darauf: „Geh‘ mal zur Schwester, die hilft Dir.

Der 6. Pfarrer

Beginn der Neuzeit. Wieder war ein Pfarrerwechsel, Ostern 1933 wurde Alois Hitpas Pfarrer. Damit beginnt in der Pfarrchronik das große Loch bis 1946 auch Visitationsvermerke beginnen erst dann wieder. Aus welchem Grund Pfarrer Hitpes keine Eintragungen machte, läßt verschiedene Deutungen zu."

Wenn bei der Morgenmesse kein Messdiener da war, lief die Mutter schnell nach Hause, was nicht weit von der alten Kirche war, weckte ihren Sohn, der dann ungewaschen und verschlafen in der Sakristei erschien, schnell wurde ihm das Meßdienergewand angezogen, und er konnte dienen. Nach der Messe lobte ihn Pfarrer Hitpas „Jung dat haste jot jemat“.

Auch eine Befragung von Zeitzeugen war wenig ergiebig und läßt wenig Raum für Spekulationen über das Pfarrleben. Fast alle Zeitzeugen erwähnten die Sitte von Pastor Hitpas, als Anhalter jede Art von Fahrzeugen zu benutzen und seine Vorliebe für Zigarren. Mit den Nazis fand er wohl einen modus vivendi, der es ihm auch ermöglichte, Gefährdeten zu helfen. Einige Pfarrmitglieder wurden gezwungen oder meinten, aus der Kirche austreten zu müssen. Durch mysteriösen Terror wurde der engagierte katholische Schulleiter aus seinem Amt gedrängt.
Von der Kanzel habe der Pastor offen oder verschlüsselt über das Verhältnis zu den Nazis gesprochen. Die Aussagen gehen da auseinander. Die Not des Krieges brachte unter anderem auch Luftangriffe auf den Ort. Eine Zeitzeugin berichtete, daß Pastor Hitpas bei einem Luftangriff den Anwesenden die Generalabsolution gab.

Ein Meßdiener erinnert sich: In den Jahren von etwa 1932 bis 1954 hatte ich mehre Male die Aufgabe, den Herrn Pastor bei seinen Versehgängen zu begleiten. Beim „Versehgang“ handelt es sich um den Weg des Priesters zu einem Schwerkranken oder Sterbenden, um ihn mit den Sterbesakramenten zu versehen. Der Priester trug dann seine Priesterkleidung und der Meßdiener seine Gewänder, wie sie in der Kirche während der Messe getragen wurden. Außerdem hatte der Meßdiener ein kleines Glöckchen, das er den ganzen Weg über erklingen ließ. Der Herr Pastor und der Meßdiener waren also durch ihre Kleidung nicht zu übersehen und durch das Glöckchen nicht zu überhören. Leute, die ihnen begegneten, knieten ehrfürchtig nieder und bekreuzigten sich. Ganz wenige Menschen taten dies nicht; sie wurden von den übrigen Dorfbewohnem schief angesehen. So ein Versehgang war ja für die Angehörigen des Schwerkranken oder Sterbenden eine traurige Angelegenheit - aber für den Meßdiener sprang meistens eine Freistunde vom Unterricht heraus. Übrigens gab es nie Schwierigkeiten. in der Schule einen Schüler als Meßdiener zu bekommen.

In der Pfarrchronik findet sich noch eine Todesanzeige und ein Kondulenzbrief von Kardinal Frings zu dem Angriff mit mehreren Toten auf das Gut Rothenberg, bei dem auch mein Klassenkamerad Paul Bone, der spätere Organist von Vennhausen, der auch in unserer Kirche häufig in Vertretung Orgel spielte, schwer verletzt wurde wie auch sein Freund Hannes Fehr, der heute in Süddeutschland Pastor ist..

Pfarrer Hitpas war wohl einer von der schnellen Truppe, auch in der Messe. Länger als eine 1/2 Stunde dauerte keine Messe, die immer gut besucht war (1?). Eines Tages war er so schnell, daß er die Wandlung vergaß und bei der Kommunionausteilung weitermachte.

In früheren Zeiten, vor allem im 2. Weltkrieg. und auch kurz danach, war die Sonntagsmesse um 10 Uhr immer sehr gut besucht. Manchmal wurde man während der Predigt des Herrn Pastor sehr unsanft aus seinen Gedankengängen herausgerissen. Dann nämlich erklang sekundenlang ein durchdringender Ton von der Orgel. Was war passiert? Unser Küster und Organist war ein wenig eingenickt. so wird berichtet. Und wer den Bau einer Orgel kennt, weiß, daß sie nicht nur mit den Händen, sondern auch mit den Füßen gespielt wird. So waren also dem Organisten ungewollt - wahrscheinlich wegen eines Sekundenschlafes (so würde man heute sagen) - die Füße weggerutscht und hatten ein Pedal getroffen.

Sollen nun im Jubeljahr weitere Erinnerungen an die Jahre folgen, in denen die Kath. Kirchengemeinde St. Mariä Himmelfahrt Unterbach durch schwere Zeiten fortbestanden hat.
Im deutschen Schicksalsjahr 1933, das die Weltkirche als „Jahr des Kreuzes“ beging, ereignete sich bekanntlich die Machtübernahme der Nationalsozialisten durch Hitler, der sich von der „Vorsehung“ zum Führer aller Deutschen berufen wähnte.

Unterbachs kleine Dorfgemeinde gab ihm zur Reichstagswahl vom 12.03.1933 nur 341 von 1057 Stimmen, dem Zentrum 374, und Gottes Fügung schickte uns durch Kölns Erzbischof sogleich den neuen Pfarrer Aloys Hitpas, übrigens Wunschkandidat der Gemeinde:

„Einem hochwürdigen Generalvikariat, betr. Neubesetzung der Pfarrstelle Unterbach... „Es“ dürfte ein Pfarrer erwünscht sein, der die eigenartigen Verhältnisse unserer Pfarrei mehr oder weniger kennt. Es ist deshalb im Kreis der Unterzeichnenden der Wunsch aufgetaucht, aus den Priestern der benachbarten Pfarreien den Kaplan Hitpas aus Hilden als künftigen Pfarrer zu haben, namentlich deshalb, weil er in Hilden ein großes Gesellenhaus mit glücklicher Hand geleitet hat und deshalb ihnen für die nächste Entwicklung geeignet erschien - Die Unterfertigen möchten diesem Wunsch hiermit in aller Ergebenheit Ausdruck geben, ohne irgendwie der Entscheidung der Erzb. Behörde vorgreifen zu wollen, ohne auch sonst irgendwie beeinflußt zu sein....“

Dieser Eingabe des Kirchenvorstandes, der - bemerkenswerter Weise - respektlose Anspruchhaltung oder gar Aufmüpfigkeit fernli egt, wurde entsprochen und „beim feierlichen Einzug des Pfarrer Hitpas in Unterbach“ berichtet die Tagespresse, „freute sich ganz Unterbach, und alle gelobten sich, ihrem neuen Pfarrer treu zur Seite zu stehen“ dieser wolle sein Seelsorgetätigkeit besonders den Kindern, Armen, Kranken und der-Kirche-Entfremdeten widmen.
Beiderseits ergab sich dazu in über 30 Jahren, in denen der glaubensstark und standhafte Pastor seinen Unterbachern sehr verbunden war, vielfaltig Gelegenheit. Als die braunen Machthaber die Kirche überall aus dein öffentlichen Leben zu verdrängen suchten, war und blieb der „Pastor von Unterbach“ eine volksverbundene und unübersehbare Institution, nicht ohne Originalität, besonders aber wegen seines großen Verständnisses für die Menschen, wie sie so sind, seiner Güte und persönlichen Bescheidenheit; sein (flotter) Beichtstuhl war auch von Ortsfremden gerne gesucht.
Als Not und Bedrängnis, besonders durch den Krieg 1939/45 und seine Folgen schrecklich zunahmen, galt es, wie überall, auch in der Pfarre das Überlebens-Notwendige zu „organisieren“. Als Sohn des Ruhrgebietes besaß unser Pastor eine sehr direkte Art, u.a. bei seinen ehemaligen Hildener Gesellen oder überall sonst, „Quellen anzuzapfen“, aus denen Hilfsmittel flossen, um schwere äußere Kirchenschäden, wie an Dächern und Fenstern, instandzusetzen und sogar 1951/52 erste schlichte Kindergartenräume in einem Barackenbau neu zu schaffen. Da die Nöte auch Beten lehrte, kamen die Leute damals noch zahlreich-regelmäßig zur Kirche. Die von jeher Katholische Volksschule, wo der Pfarrer seit 1937 nicht mehr unterrichten durfte, wurde schon 1946 als solche wiederhergestellt, nachdem der Kath. Arbeiterverein Unterbach sich darum beim Oberpräsidenten der Rheinprovinz bemüht hatte, eindrucksvoll begründet:

„...da wir davon überzeugt sind, daß es ohne wirkliches Christentum und ohne religiöse Erziehung der Jugend keinen dauerhaften Aufbau Deutschlands und der Welt gibt...“

Die (Zivil-)Gemeinde Erkrath - erst 1966 zur „Stadt“ erhoben - ließ durch Abstimmung der Eltern ermitteln, daß 96% für die Wiederherstellung der Kath. Volksschule waren. Seit 1946 durfte Pfarrer Hitpas dort wieder Religionsunterricht geben, 8 Wochenstunden (in 5 Klassen). Für den inneren Wiederaufbau der Pfarrgemeinde war und blieb die Berufung von Ordensschwestern bedeutsam. 1947 kamen zuerst Dominikanerinnen von Arenberg, die ihr Kloster „Maria Gnaden“ in einer bescheidenen Mietwohnung einrichteten. Die Kirche zu Unterbach besaß nur ihr Gotteshaus mit dem Pfarrhaus daneben, beides dauernd und dringlich der Instandsetzung sehr bedürftig, ohne ausreichende Mittel dafür, geschweige für sonstigen notwendigen Bedarf.
Erst 1956/57 konnte das neue Pfarrhaus errichtet, das alte fast baufällige renoviert zum Schwesternkloster sowie einer Küsterwohnung umgestaltet und bezogen werden.
Kloster, Kindergarten und Krankensorge wurden nun von unseren Ordensschwestern der „Mägde Mariens“ aus Breslau übernommen.
Inzwischen hatte in Unterbach eine immer regere Bautätigkeit begonnen, mit der die Einwohnerzahl schnell wuchs. Die alte Kirche war flur die Gottesdienstbesucher bald viel zu klein. Bemühungen in Köln um Abhilfe waren jahrelang so zahlreich, vielseitig und nachhaltig fruchtlos.

„Köln“ erhielt Anfang 1959 von einem damals einflußreichen Düsseldorfer briefliche Denkanstöße.: „....Das Kirchlein ist von einer erschreckenden Bescheidenheit, sowohl was die architektonische Gestaltung als auch die Raumverhältnis für die Gemeinde von 3500 Seelen angeht. Der Pfarrer meinte, in Köln denke man nur an Reparaturarbeiten. Ich würde das für einen großen Fehler halten. Will man dem besorgniserregenden Rückgang im Kirchenbesuch nur einigermaßen begegnen, dann muß man wenigstens dafür sorgen, daß die Gläubigen - oder solche, die es wieder werden wollen - die Sonntagsmesse besuchen können. Das ist in Unterbach nicht einmal für einen Bruchteil der Gemeinde der Fall. Ich halte deshalb einen Neubau für dringend notwendig....“

Durch öffentliche Besiedlungspläne, die den Ortsteil Unterbach von Erkrath bis auf 12.500 Bewohner bringen sollten, und nach sehr hohen Kostenschätzungen einer Renovierungs-Erweiterung der Kirche kam der erwünschte Neubau endlich auch für Köln näher in Betracht. Den aber wollte das Erzb. Generalvikariat, wieder einmal bei „eigenartigen Verhältnissen unserer Pfarre“, nicht ohne weiteres angehen.
Da kam im Herbst 1960 als rettender (Erz) Engel Kaplan Herbert Steffens, Kölner Jahrgang 1924, zum Hilfsvikar des nun bereits 66 Jahre alten Pfarrers bestellt, und mit ihm viel neuer Dampf in die Lokomotive des Gemeindezuges in neue Zeiten.

..erinnern wir uns nun weiter der früheren sechziger Jahre dieses Jahrhunderts, die Zeitspanne der Kennedy, Chruschtschow, Adenauer, erster Weltraumfahrt des Menschen und ersten drohenden Weltunterganges in der Kubakrise, wie der Eiserne Vorhang zwischen den Deutschen niederging, vieles mehr geschah, das unser aller Leben recht und schlecht veränderte.
Papst Johannes XXIII. öffnete die Fenster der Weltkirche mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962/65), damit sie „mit jugendlichem und vertrauensvollen Herzen den richtigen Zugang zur Welt“ finde, und rief dazu auf,„...nicht auf überkommenen Bahnen auszuruhen, stets nach neuen Kontakten zu suchen und immerzu auf der Höhe zu sein für die legitimen Forderungen der Zeit, in der wir zu leben berufen sind, damit Christus auf jede Weise verkündet und erkannt werde.“
Damals hatte die Pfarrgemeinde St. Mariä Himmelfahrt zu Unterbach kaum noch Bahnen oder Lorbeeren, darauf auszuruhen. Hilfsvikar Kaplan Herbert Steffens fand bei seiner Pfarrverwaltung (1960/63) überall dringenden Nachholbedarf, erst einmal Überkommenes wiederzubeleben und Kontakte dafür zu suchen und zu finden, um später vielleicht einmal „auf der Höhe der Zeit“ allen berechtigten Ansprüchen entsprechen zu können.
Neuordnendes Aufräumen der inneren und äußeren Pfarrangelegenheiten war das Gebot der Stunde. Aufbruchssignal am 1. Oktober 1960 die Planungserlaubnis des Erzbistums für ein neues Pfarrzentrum. Die Gemeinde besaß dafür, obwohl sonst arm genug, dank früher Vorsorge der Brüder Wittenbruch (1894), ein gut gelegenes und geeignetes Grundstück. Nun galt es, mit Gottes und des Bistums Hilfe, so viel wie möglich darauf zu machen: eine größere Kirche für 350 Besucher, Pfarrbüro, Bibliothek, Kindergarten, Jugendheim, Wohnungen für Küster und Subsidiar, sowie ca. 24 Erbaurechts-Familienhäuser. Wie sehr das alles so lang schon erträumt und erwünscht, uns auch erfreute und ermutigte, so sehr sah die Gemeinde sich nun auch überfordert, auf einmal gleich „alles neu machen“ zu dürfen.
Unverzüglich mußte unser, leicht unbescheiden anmutendes Bauvorhaben auf die „Bahnen“ gebracht werden, bevor etwa höhere Hilfsbereitschaft nachlassen könnte. Gleichzeitig gab es sofort und für die Zeiten der Verwirklichung der Vorhaben noch manchen Mangel und Bedarf, die sich nicht mehr vertrösten und verschieben ließen. Provisorien mußten her, wie des neuangeworbenen Küster/Organist/Chorleiter‘s Rudolf Herbst (1961/88) erste Familien-Wohnung im Schwesternhaus, natürlich separat, eine mietbare Behelfsorgel für die alte endgültig versagende; ein Holzbau des Bistums an der Vereinsstraße, worin - erstmals - Pfarrbüro (Frau Abels), Jugendraum und Sprechzimmer eingerichtet wurden.
Um für das neue Pfarrzentrum und seine Siedlung gute Ideen zu gewinnen, kam es (1961) zu einem Wettbewerb von vier im Kirchbau bewährten Architekten, deren Bauten z.T. besichtigt worden waren. Alle bemühten sich wohl sehr um modernes Kirchenverständnis, berücksichtigten jedoch die liturgischen Anforderungen nicht genug. Architekt Josef Lehmbrock, der den Wettbewerb gewann, erarbeitete im Zusammenwirken mit der Pfarrgeistlichkeit einen neuen Entwurf und übernahm die Ausführung des Gesamtprojektes. Die Bauidee der Kirche, „Zelt Gottes unter den Menschen“ zu sein, und ihre Raumordnung mit dem Altar in der Mitte des „Volkes Gottes“ kam schon den Vorstellungen der konziliaren Liturgieform weit entgegen.
Mit Gottvertrauen sollte sie eigentlich eine freitragende Betonschale überspannen, äußere Vorsicht des Statikers setzte dann aber doch vier stählerne Stützen hinein.
Die dringend notwendig befundene innere Erneuerung der Gemeinde förderte Kaplan Steffens durch „Belebung der Religiosität“ in Gottesdiensten, Andachten, Prozessionen, Religionsunterricht, Krankenbetreuung, Altenhilfen u.a.m. Caritassammlungen führte er wieder ein, er vermißte aber sehr das frühere Unterbacher Vereinsleben, abgesehen vom allzeit-aktiv-gebliebenen Kirchenchor, und damit die anderswo wieder vorhandenen Infrastrukturen kirchlicher Verbände und Gruppen. Den „Mütterverein“ und einen „Armenseelenverein“ gab es nur noch auf dem Papier, mit liquidationreifen fast leeren Kassen. Für Neugründungen von Standesvereinen wollte man lieber und besser auf Versammlungsräume im Pfarrzentrum warten.
Im Frühjahr 1963, als die Bauplanung und das Genehmigungsverfahren des Kirchengebäudes bewältigt waren und die Vorbereitungen des Baubeginns bald beendet sein sollten, gab Kaplan Steffens dem Erzbischöflischen Gene ralvikariat zu verstehen, er sehe sich nicht mehr in der Lage, die Doppelbela stung als Kaplan in Hilden und Pfarrverwalter von Unterbach zu tragen, da die Arbeit hier ständig zunehme und bald auch mit dem Baubeginn zu rechnen sei; eine wirkliche Erneuerung der Pfarre sei nur dann möglich, wenn ein Pfarrer am Ort wohne und die notwendigen Dinge tue.
Im Sommer wurde pfarramtlich bekannt, daß Pfarrer Aloys Hitpas, nun im 71. Lebensjahr, auf seine Unterbacher Pfarrstelle verzichtet habe und Ende August 1963 in den Ruhestand treten werde.
So endeten die dreißigjährige Ära des Pfarrer Hitpas und auch die drei Jahre Pfarrverwaltung seines Adjutors Kaplan Steffens in Unterbach. Pfr. i.R. Hitpas wurde bis 1965 Subsidiar an St. Engelbert Köln; dann widmete er sich der Krankenseelsorge im St. Josefs-Krankenhaus seiner Heimatstadt Oberhausen, wo er am 2. Juni 1974 starb. Kaplan Steffens wurde im September 1963 Pfarrer an St. Maria in den Benden in Düsseldorf-Wersten.
Und die verwaiste Gemeinde Unterbach ? Sie wartete gespannt auf den, der da als ihr neuer Pfarrer kommen sollte ....

.erinnern wir uns zuletzt daran, wie Sommer 1963 unser Pfarrer Aloys Hitpas nach Köln in den Ruhestand versetzt wurde, damit auch das Adjutorium des tatkräftigen Kaplans Herbert Steffens endete, die Gemeinde verwaist war und erwartungsvoll, wie alles nun weitergehen sollte. Allgemein war 1963 ein Jahr des Umbruchs, in dem die Ära Adenauer endete, dem ermordeten J.F. Kennedy, US-Präsident Johnson folgte, Johannes dem XXIII. Papst Paul VI.....

Nachdem unsere Pfarrstelle freigeworden war, ernannte der Erzbischof sehr bald zum Pfarrer in Unterbach Walter Groneuer, 1915 in Köln geboren, seit 1940 Priester, zuletzt Rektoratspfarrer in Beuel. Seine feierliche Einführung fand, mangels geeigneter Empfangsräume, am 10.11.1963 im Freien statt, auf dem Carl-Sonnenschein-Schulhof. Ein Stimmungsbild später beim Goldenen Priesterjubiläum

"Als er am Martinsabend zu uns kam, da war er nicht zu Pferde und die arme Gemeinde auch nicht hilftbittend zu seinen Füßen, doch wäre das Bild nicht ganz unpassend gewesen.
Was einen guten, erfahrenen, geduldigen und opferbereiten Pfarrer verlangt, das fand er fast alles bei uns vor:
Eine etwas verfallene und ziemlich renovierungsbedürftige Kirche, die im Konzil ,aufgebrochen' war und, gleichsam unterwegs aus der Wüste, noch einen Moses brauchte.
Die Aussicht aufs gelobte Land hatte auch unser neuer Pfarrer damals nicht, dafür sah er umso deutlicher den ganzen Jammer einer Großbaustelle des Herrn. Er aber nahm alles klaglos auf sich, die großen Aufgaben seiner geistlichen Berufung und ein Übermaß an Baulasten"

Pfr. Groneuer machte in seinem Presseinterview gleich deutlich, wie er Gott und den Menschen von Unterbach dienen wollte:

"In erster Linie fühle ich mich als Seelsorger. Das Bauen führe ich durch, weil es eben notwendig ist. Die alte Kirche ist zu klein, da kann man ja bald nicht mehr reingehen; Die neue wird uns eine wertvolle Hilfe sein, vor allem, wenn auch die geplanten Komplexe Jugendheim, Pfarrbücherei, Kindergarten fertig sind.... Die Neuzugezogenen, hauptsächlich aus Düsseldorf, fühlen sich hier in Unterbach noch nicht recht zu Hause Es soll meine Aufgabe sein, dafür zu sorgen, daß sie sich hier besser einleben und in der Gemeinde eine religiöse Heimat finden.... Gern sehen würde ich, wenn sich die alten und neuen Unterbacher in der Gemeinde zusammenfänden.

Eingedenk der Mahnung des Psalmisten: "Wenn der Herr das Haus nicht baut/bauen die Bauleute vergebens", zog die Gemeinde am 08.12.1963, dem Fest der Immaculata, nach dem Hochamt zur Kirchbaustelle, um dem schon gut begonnenen Rohbau den Grundstein feierlich einzufugen. Gaudens gaudete in Domino, et exsultabit anima mea in Deo meo!

Nach einem Jahr weiterer Mühe und Arbeit war die Kirche "bezugsfertig". Der Pfarrer würdigte das große Weihnachtsgeschenk von 1964 in der Chronik:

"Weihnachten in einer neuen Kirche! Vor allem die mitternächtliche Christmette ist für alle ein einmaliges Erlebnis. So viele Teilnehmer an einem Gottesdienst hat Unterbach noch nicht gesehen! Die durch das Vatikanische Konzil ermöglichte Liturgie läßt sich im neuen Kirchenraum in einzigartiger Weise gestalten........"

und etwas später:

"Am 25.04.1964 feierten wir zum ersten Mal den Weißen Sonntag in der neuen Kirche, welch eine Wohltat! Jetzt können die Kommunionkinder, Eltern und Angehörige endlich ohne Gedränge die Feier miterleben. Die Gestaltung der Feier fand großen Anklang."

Unsere schöne neue Kirche blieb allerdings - bis auf weiteres - von einer Baustelle umgeben, nur auf Knüppeldämmen erreichbar, und ihre Innenausstattung ließ viel zu wünschen übrig.
Dafür und zur Einrichtung der anderen gemeindlichen Neubauten fehlten nötige "Eigenmittel". Der ins Leben gerufene Kirchbauverein sammelte sie fleißig und mit gutem Erfolg.
Am 01.12.1965 wurde der Kindergarten - für neunzig Kinder in drei Gruppen - feierlich eröffnet; und gegen Endes dieses Jahres konnten Pfr. i. R. Dr. Mohnen als Subsidiar und die Küsterfamilie Herbst schöne Wohnhäuser im Pfarrzentrum beziehen. Das alte Pfarrhaus konnte nun ganz zum Kloster "Maria Gnaden" umgebaut werden.

"Im Jugendheim herrschte in den folgenden Jahren reges Leben. Zahlreiche Gruppen von Mädchen und Jungen bevölkerten die Räume"(Chronik)

Allgemein nahm das Gemeindeleben im und um's Pfarrzentrum erfreulich zu, von einem Pfarrausschuß - seit 1969 Pfarrgemeinderat - mitgetragen. Vielseitiger Einsatz lohnte sich nach-und-nach auch sichtbar:

"Nach günstigem Verkauf des alten Kirchengrundstückes, das Erkrath für seinen Kindergarten haben wollte, konnten wir uns einen weithin sichtbaren Kirchturm leisten, der auch ein gut vernehmbares Geläut bekam (1966/67); dem fehlt allerdings heute immer noch die vierte Glocke.
Der Borromäumsverein verhalf uns zur gut eingerichteten Pfarrbibliothek (1968). Und auch der große Orgelwunsch ging, dank eifrigen Sparens in den Orgelfonds, - mit zwanzig Registern - in Erfüllung (1965/1970). Ein würdiger Tabernakel wurde geschaffen und in der Kirche aufgestellt".

Trotz alledem: Pfr. Groneuer war wirklich kein Baulöwe, sondern vor allem ein Seelsorger, als der er auch allgemein anerkannt und beliebt war. Überzeugend und hilfreich war sein priesterliches Wirken in der Gemeinde, aber auch in der damals beginnenden Oekume-vor-Ort. Er erwartete wohl bald, aller Baulasten ledig, sich im neugeschaffenen Rahmen ganz seinen priesterlichen Aufgaben widmen zu können. Man vernahm gelegentlich einen Stoßseufzer, er sei nicht "wegen all dieser Dinge" Priester geworden. Es zogen nämlich ebensolche Wolken am Unterfeldhauser Horizont auf. Pfarrchronik:

"Inzwischen bahnte sich in Unterbach eine ganz neue Entwicklung an. Die Stadt Erkrath stellte für das Gebiet Unterfeldhaus eine neue umfassende Bauplanung auf für zunächst 12 000 Menschen sollen dort Wohnungen geschaffen werden.........

Schon 1970 erwarb die Pfarrgemeinde ein im Planungszentrum gelegenes, 3.500 qm großes Grundstück, was sich als eine gute Vorsorge erweisen sollte. Wegen reger Bautätigkeit ab 1972/73.

"durfte nun auch die Planung eines neuen Gemeindezentrums nicht länger hinausgezögert werden." (Chronik).

Da kam unser guter Pfr. Groneuer zu der Überzeugung, daß eine so umfassende neue Aufgabe seine Kräfte überfordern werde, und bot dem Erzbischof seinen Rücktritt von der Pfarrstelle in Unterbach an. Kardinal Höffner zeigte dafür Verständnis und berief ihn Anfang 1974 auf die Pfarrstelle St. Konrad zu Bergisch-Gladbach-Hand. Am 27.02.1974 verließ Pfr. Groneuer Unterbach.
Pfr. Walter Groneuer war bis zu seinem Ruhestand 1986 Pfarrer an St. Konrad Bergisch-Gladbach-Hand und starb dort in seinem 83. Lebensjahr am 04.02.1998.

Unsere Pfarrgemeinde bleibt ihm, der so vieles bei uns neugemacht, in Dankbarkeit verbunden.

(Quelle: Kirchturmperspektiven)