Wie kann das sein? Aufruf an unsere Gemeindeglieder zum Zusammenhalt mit den jüdischen Gemeinden
18. Mai 2021; Martin Matten
Liebe Gemeindeglieder, die Eskalation der Gewalt im Nahen Osten hat in den vergangenen Tagen
auch Synagogen, jüdische Einrichtungen und Mahnmale in unseren Städten erreicht.
Wir sind erschüttert über die Welle der Gewalt in Gaza und Israel, über die Angst und
Verzweiflung, in die sie Menschen auf beiden Seiten stürzt, über die Opfer und das Leid der
Angehörigen. Wir sind erschüttert über die scheinbare Ausweglosigkeit aus diesem Jahrzehnte
währenden Konflikt mit seiner immer wieder aufbrechenden Gewalt.
Besonders sind wir bestürzt darüber, dass diese bittere Situation in unserem Land benutzt
wird, um jüdische Gemeinden mit antisemitischen Gewaltworten und Gewalttaten zu bedrohen und
anzugreifen. Was man an Politik des Staates Israel ablehnt, wird Jüdinnen und Juden hier
angelastet. Hass auf den Staat Israel entlädt sich gegen unsere jüdischen Landsleute. Judenhass
wird getarnt als Kritik am Staat Israel.
Wie kann das sein in unserem Land, dass jüdische Nachbarn und Gemeinden sich fürchten müssen?
Wie kann das sein, dass der Weg in den Gottesdienst in der Bergischen Synagoge in unserer Stadt für
Gemeindeglieder zum Angstweg wird und von der Polizei geschützt werden muss?
Wir rufen unsere Gemeindeglieder in den Evangelischen und Katholischen Kirchengemeinden auf:
Treten Sie mit Herz und Verstand und Mut ein gegen antisemitische Äußerungen und Haltungen, die
Ihnen im eigenen Umfeld begegnen – in der Verwandtschaft, am Arbeitsplatz, ja, auch in der eigenen
Gemeinde.
Widerstehen Sie einfachen Schuldzuweisungen, schwarz-weißen politischen Deutungen und
leichtfertigen Urteilen im Blick auf den Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern. Der
Konflikt zwischen beiden Völkern währt seit Jahrzehnten. Er ist äußerst schwierig und vielschichtig
und hat tiefe Wurzeln in der Geschichte und imjeweiligen Erleben. Unsere eigene deutsche Geschichte
mit der grausamen Verfolgung und Vernichtung der Jüdinnen und Juden hat erheblichen Anteil daran,
dass Israel Zufluchtsort vieler Juden wurde. Informieren Sie sich über die vielschichtigen
Hintergründe des Konflikts, auch wenn das mühsam ist. Machen Sie nicht mit dabei, aus sicherer
Entfernung einseitig Stellung zu beziehen.
Manche Gemeinden engagieren sich in der Arbeit mit Geflüchteten. Sprechen Sie mit
Geflüchteten aus Syrien, aus dem Iran, aus muslimischen Ländern, die aus ihrer Situation und
Erfahrung heraus mit Hass auf den Staat Israel groß geworden sind und diesen mit hierher bringen
als Hass gegen alle Juden. Sprechen Sie mit muslimischen Nachbarn, die von der Geschichte des
Holocaust wenig wissen, - da, wo Sie Kontakt haben. Ducken Sie sich nicht weg vor antisemitischen
Äußerungen, die Sie mitbekommen.
Interessieren Sie sich für das jüdische Leben und den jüdischen Glauben in unserer Stadt. Als
christliche Gemeinden glauben wir an die Treue Gottes zu seinem Volk Israel in aller Welt und auch
im heutigen Staat Israel. Wir wissen uns auch den arabischen und palästinensischen Christen
verbunden, die unter den Spannungen und jetzigen Gewaltausbrüchen leiden. Lassen Sie uns den
bitteren Konflikt in Israel und Gaza und all die Ausweglosigkeit in das Gebet vor Gott bringen und
darin nicht müde werden. Bringen wir den Antisemitismus und den Hass in unserem eigenen Land vor
ihn.
Die Kirchen unterstützen Initiativen in Israel, die sich für Versöhnung und Frieden
einsetzen. Darüber hinaus können wir wenig Einfluss nehmen auf die Geschehnisse dort. Aber wir
können unmittelbar Einfluss nehmen hier in unserer Stadt. Lassen Sie uns, als Gemeinden und als
Einzelne, für Versöhnung eintreten und für diesen Frieden beten.
Ilka Federschmidt, Pfarrerin
Superintendentin
Evangelische Kirche Wuppertal
Dr. Bruno Kurth, Pfarrer
Stadtdechant
Katholische Kirche Wuppertal
Pressemitteilung (17. Mai 2021) Aufruf zum Zusammenhalt mit den jüdischen Gemeinden