Unsere Kirche St. Bruno

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Am 31. Oktober 2017 jährt sich die Einsegnung der neuerbauten Stommelerbuscher Kapelle durch den Stommelner Pfarrer Gerhard Sieben zum 150. Mal. Für den Ort ist es ein wichtiges Datum seiner Gründungsgeschichte. Als die Kapelle gebaut wurde, war dieser erst wenige Jahre alt. 1846 hatte man damit begonnen, den ehemaligen Busch, der sich zwischen der Stommelner Bruchstraße und dem Chorbusch ausbreitete, zu roden; er war gemeinsamer Besitz (Allmende) der alten Stommelner Familien gewesen, die sich mit Brenn- und Bauholz versorgen konnten. Bereits 1849 war der ehemalige Busch weitgehend verschwunden und in eine mit Getreide und Kartoffeln bepflanzte Ackerflur verwandelt. Statt der provisorischen Hütten der Rodearbeiter entstanden im gleichen Jahr die ersten festen Wohnhäuser. Im Sommer 1849 wurden die beiden ersten Kinder in Stommelerbusch geboren: Peter Josef Sack und Helena Hausen. 1850 lebten 40, vier Jahre später 155 Personen im Ort.


Neben den kleinen Häuschen der Kleinbauern, die ent­lang der Hahnenstraße errichtet wurden, ent­standen auch einige große Einzelhöfe mit ausgedehnter Ackerfläche: der Lär­chenhof, der Sophienhof und der Gertrudenhof, der vom damaligen Kölner Ober­bürgermei­ster Hermann Joseph Stupp errichtet wurde. Zu Ehren seiner Frau Gertrud Jansen nannte er ihn Gertru­den­hof. 1871, so erfahren wir, wohnten 261 Menschen in Stommelerbusch, „von denen 78 Pferde, 254 Stück Hornvieh und 550 Schafe gehalten werden“.


Ein Problem für die durchweg katholischen Einwohner war der Schulbesuch der Kinder und der sonntägliche Kirchgang nach Stommeln. Eine Stunde lang war man zu Fuß unterwegs über holprige Feldwege, die bei feuchter Witterung verschlammten. Um dem Abhilfe zu schaffen, ergriffen die Besitzer der vier großen Höfe die Initiative, allen voran der Kölner Oberbürgermeister Stupp, der zwar in Köln wohnte, aber doch manches Wochenende in Stommelerbusch verbrachte. 1865 wurde nach einer Ortsversammlung ein Baukomitee gegründet und bald darauf ein zwei Morgen großes Baugrundstück für 400 Reichstaler erworben, auf dem eine Kapelle mit Schulraum und Wohnung für einen geistlichen Rektor gebaut werden sollte. Die Witwe Johann Paul Lemper (Mechtil­dis Sinsteden) vom Kleinen Kreuzhof in Stommeln stiftete die beachtliche Summe von 3.000 Reichstalern, um den Bau zu finanzieren. Die Grundstückseigentümer in der Stommelerbuscher Feldflur – die meisten lebten in Stommeln – ließen die ihnen zustehende Jagdpacht dem Neubau zukommen, und die unverheirateten Geschwister Anna Maria und Margaretha Esser schenkten der Gemeinde Stommeln neun Morgen Land, die einen jährlichen Pachtgewinn von 100 Talern einbrachten und zweckgebunden für die Unterhaltung der Schule in Stommelerbusch verwendet werden sollten.
Im Juli 1866 wurde mit den Bauarbeiten be­gonnen. Bereits im Oktober 1867 waren sie abgeschlossen. In der hinteren Hälfte der Kapelle wurden eine Wohnung für den Geistli­chen sowie ein behelfsmäßiger Schulsaal einge­richtet. Man fand auch einen jungen Geistlichen, der hier einzog, um Gottesdienste zu feiern und die Kinder des Ortes zu unterrichten: Wilhelm Josef Satzfei, geboren am 21. Fe­bruar 1843 in Düren; er war erst 24 Jahre alt, ein junger Mann voller Pionier­geist, der sich zufriedengab mit dem spärlichen jährlichen Einkommen von 250 Reichstalern. Am 31. Oktober 1867, an dem die Kapelle eingesegnet wurde, trat er seine Stelle als erster Schulvikar in Stommelerbusch an. Durch den Seiteneingang betraten die Gottesdienstbesucher den vorderen Teil der Kapelle, der für den Gottesdienst bestimmt war; der Eingang an der Straße führte in die Wohnung des Vikars und in den provisorischen Schulsaal.


Gemütlich war die Wohnung des Schulvikars nicht, sondern zugig, feucht und kalt und im Winter kaum beheizbar. Ein Zimmer lag im Erdgeschoss, neben dem Schulraum; vier weitere – mit Ausnahme des „Studierzimmers“ sehr kleine – Räume befanden sich auf dem 1. Stock über einer eingezogenen hölzernen Geschossdecke, die die Kirchenfenster teilte, sodass die unteren Fensterdrittel den Räumen im Erdgeschoss Licht spendeten und die bis zur Zimmerdecke reichenden oberen Fensterteile denen auf dem 1. Stock. Eine auch nur einigermaßen hinreichende Dämmung nach außen oder zwischen den Geschossen und zum Kirchenraum hin gab es nicht. Der Vikar konnte noch so viel Holz in seinem Ofen verbrennen, hinreichend warm bekam er es nicht, und von überall her drang im Winter die feuchte Kälte durch Kleider und wollene Decken. Heute würde man die Räume für unbewohnbar erklären.
Schul­vikar Satzfey machte sich unverdrossen an die Arbeit. Er war noch jung, und die Stommelerbuscher bauten auf ihn für die kommenden Jahre. Aber ihm waren nur eineinhalb Jahre des Wirkens in Stommelerbusch vergönnt. Im Frühjahr 1869 er­krankte er schwer, konnte seinen Dienst nicht mehr versehen und starb am 10. Juni 1869 im ju­gendlichen Alter von 26 Jah­ren. Auf dem Stom­melner Friedhof gab man ihm einen ehrenvollen Be­gräbnisplatz rechts vom Kirchturm. Zum Glück fand er in Schulvikar Franz Kerzmann einen Nachfolger, der allen Widrigkeiten trotzte und bis weit in die 1880er Jahre blieb.


1873 wurde die Stommelerbuscher Kapelle in ihrer Eigenständigkeit gegenüber der Mutterpfarrei Stommeln gestärkt und zum Rektorat mit eigenem Budgetrecht erhoben, 1940 schließlich zur Rekto­ratspfarrei. Heute gehört Stommelerbusch – mit Stommeln und Sinnersdorf – zum Seelsorgebereich „Am Chorbusch“.


Im äußeren Mauer­werk ist der neoromanische, vierachsige Saalbau aus Feld­brandziegeln von 1867 im Wesentlichen erhalten; die Fenster, Lisenen und Rund­bogenfriese gliedern ihn. Der jetzige Dachrei­ter über dem Chor an der Ostseite entstand erst bei ei­ner vollständigen Renovierung des Daches in den Jahren 1951 bis 1954; ursprünglich befand sich über dem Westgiebel ein Glockentürmchen mit Glockenstube und spitzem Pyramidendach. In seiner Nachbarschaft ragte früher der Kamin der Wohnung des Vikars bzw. Rektors hoch.
Der Innenraum der Kirche präsentiert sich heute in der Gestalt, die er nach den gründlichen Reno­vierungs- und Umbaumaßnahmen in den 1960er Jah­ren erhalten hat. Neue Anbauten mit Sakristei, Bücherei und Wohnung für den Pfarrer entstanden, sodass der gesamte Innenraum der Kapelle nun als Gottesdienstraum dienen konnte. Der geostete, fünfseitige Chorabschluss ist in­nen gerundet. Flankiert von zwei farbigen Chorfenstern, steht hier der künstlerisch wertvolle, vom Kölner Bildhauer J. Bong 1869 geschaffene Hochaltar mit schönen Holzschnitzereien: rechts die Geburt, links die Dornenkrönung Christi. In den gotisierenden Altaraufbauten steht im Zentrum eine farbig gefasste Holzskulptur des auferstandenen Christus, an seiner Seite links der Mönchsheilige Bruno der Kartäuser, rechts der hl. Erzbischof Bruno von Köln. Diese beiden Heiligen sind auch auf den beiden Chor­fenstern dargestellt, die nach Entwürfen aus dem Jahre 1912 ver­mutlich 1913 eingebaut wurden.
Dass neben der Kapelle ein eigenes Schulgebäude entstehen sollte, war von Anfang an geplant, der anfängliche Schulraum in der Kapelle also nur als vorübergehendes Provisorium gedacht. Dass dieser Plan bereits 1878 realisiert wurde, war eine Folge des „Kulturkampfes“ des preußischen Staates gegen die katholische Kirche. Der Staat, der die Machtstellung der Kirche beschneiden wollte, ging massiv gegen Geistliche und Bischöfe vor. Der Kölner Erzbischof Paul Melchers wurde verhaftet und im Kölner Klingelpütz inhaftiert; vielen Geistlichen ging es ähnlich, z. B. dem Stommelner Vikar und Pfarrverwalter Johann Wilhelm Havermann, der zeitgleich mit seinem Bischof im Klingelpütz einsaß. Der Staat duldete u. a. auch nicht mehr die bisherige Schulaufsicht der Ortspfarrer, und die unmittelbare personelle und räumliche Verbindung der Schule mit der Kirche in Stommelerbusch war ihm erst recht ein Dorn im Auge. Dem Schulvikar Kerzmann wurde im Mai 1874 der Schulunterricht untersagt, sodass er wegen des dadurch verringerten Einkommens auch finanziell in Not geriet. Für den Ort war es eine Katastrophe. Lehramtskandidaten kamen sporadisch nach Stommelerbusch, mussten den Unterricht aber in ein baufälliges, leerstehendes Fachwerkgebäude verlegen, das für Schulzwecke völlig ungeeignet war. Die Situation war so katastrophal, dass die Königliche Regierung in Köln schließlich nach einem Jahr doch einwilligte, den Unterricht zurück in den Schulraum in der Kapelle zu verlegen. Unterrichten durfte Vikar Kerzmann hier aber nicht.


Der Bildungsnotstand war unübersehbar, sodass die Gemeinde Stommeln sich beeilte, hinter der Kapelle auf dem bereits vorhandenen Baugrundstück ein Schulgebäude zu errichten, um Abhilfe zu schaffen. 1878 konnte die neue Schule bezogen werden, in der bis in die 1960er Jahre die Stommelerbuscher Kinder unterrichtet wurden. Der bereits 1877 angestellte Peter Josef Assenmacher war wohl der erste Stommelerbuscher Lehrer, der in dem neuen Gebäude unterrichtet hat. Von 1880 bis 1889 folgte ihm Wilhelm Werheid. Der letzte Stommelerbuscher Lehrer lebt bis heute in dem Gebäude: Hermann Platzbecker.


Das 150. Jubiläum der Stommelerbuscher Kirche erinnert nicht nur an historisches Gemäuer. Eng damit verbunden sind die schwierigen Lebensumstände unserer Vorfahren. Die Kapelle zeugt von deren Entschlossenheit, zusammenzurücken und gemeinsam sich auftürmende Schwierigkeiten zu meistern; und sie erinnert an die Tatkraft von hier wirkenden Geistlichen und Lehrern. Ohne die kleine Kirche wäre Stommelerbusch nur eine Ansammlung von Häusern; durch sie erhält der Ort eine Mitte und wird zu einem Dorf, in dem man nicht nur schläft, sondern zusammenhält.