Alabasterreliefs
Auf zwei kleine Kunstwerke in St. Severin möchte ich Sie aufmerksam machen, an denen man normalerweise achtlos vorübergeht.
Es sind zwei wunderschöne Alabasterreliefs des 16. Jahrhunderts.
Vermutlich waren es Epitaphien (Totengedenktafeln), von denen es einige in unserer Kirche gibt.
Wir finden sie links und rechts vom Eingang in einem schwarzen Marmorrahmen über den
Weihwasserbecken.
Die Themen: die Manna-Lese und das Abendmahl. Es ist eine Entsprechung zwischen dem Alten und
Neuen Bund, also eine typologische Darstellung.
Auf der linken Tafel sehen wir, wie die Israeliten das von Gott dem Mose versprochene "Brot vom
Himmel" auflesen. (Ex. Kap.16) Als die Menschen erstaunt fragten: "Man - hu" (was ist das ?),
antwortete Mose: "Das ist das Brot, das der Herr euch gibt."
Auf diese Weise erfahren sie die Fürsorge Gottes während der langen Wüstenwanderung. Im
Johannes-Evangelium nimmt Jesus Bezug darauf, wenn er sagt: "Ich bin das Brot des Lebens. Eure
Väter haben in der Wüste das Manna gegessen." Auf unserem Alabasterrelief steht Mose am rechten
Bildrand und sieht seinem Volk zu, wie es das reichlich aus den Wolken herabfallende Manna
aufsammelt. Männer schleppen schwere Körbe in ihre Zelte, die man im Hintergrund sieht. Frauen und
Kinder knien am Boden und sammeln eifrig. Es ist eine recht bewegte Darstellung.
Auf der anderen Seite sehen wir die Abendmahlszene. Diese Thematik ist uns bekannter, denn alle
Evangelisten berichten darüber. Das Bild fasst mehrere Phasen des Geschehens zusammen.
Architektonisch interessant ist im Hintergrund die Fußwaschung dargestellt. Sie findet in einer
Säulenhalle statt; von ihr führt eine breite Treppe zum Hauptthema des Reliefs: das Abendmahl.
Der Mittelpunkt des Bildes ist Jesus, dessen Hand auf das Paschalamm weist. Der Kopf des
Jüngers Johannes ruht vor Jesus auf dem Tisch. Die anderen Jünger, die mit kräftigen, lockigen
Barten und sehr ausgeprägten Gesichtern dargestellt sind, scheinen gerade über den Verrat zu
diskutieren, denn sie schauen sich gegenseitig fragend an. Judas, der uns den Rücken zukehrt,
erkennt man an dem Geldsack, den er vor den anderen versteckt.
Ich empfehle Ihnen, diese Reliefs einmal genauer zu betrachten, man entdeckt noch viele sehenswerte Einzelheiten. So z.B. das Osterlämmchen - es hat im Laufe der Jahrhunderte wohl schon viele "Streicheleinheiten" erfahren, denn es erstrahlt viel heller.
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Helga Muths