Ein wenig skeptisch habe ich das neue Buch von Karl Josef Kassing aufgeschlagen - sein elftes!
Und dann habe ich es nicht mehr zugeklappt, sondern es in einem Zug zu Ende gelesen. Auf
ungewöhnliche Weise erzählt der jetzt 84jährige Autor von den Begegnungen mit seiner demenzkranken
Frau.
Bei seinen über viele Jahre fast täglichen Besuchen im Altenheim hat er sich Notizen gemacht:
"Ich verarbeitete das Erlebte, indem ich es aufschrieb. Und die Idee, es zu einem Buch zu machen,
wuchs mit der SammlungQ, schreibt Kassing. Im Lesen dieser mal traurigen, mal lustigen, oft
skurrilen Begebenheiten und Gespräche kann ich unmittelbar teilhaben am Erlebten. Kassing erzählt
zunächst vom Beginn der Beziehung, von gemeinsamen Reisen, Wanderungen, vom Alltag und nimmt dann
die Lesenden mit auf dem Weg in die Demenz, der schließlich für die Gattin ins Altenheim
führt.
Einfühlsam und zugleich respektvoll lässt der Verfasser seine Frau zu Wort kommen. "Das Buch
lässt teilnehmen an einer Innenwelt, die trotz zunehmender Begrenztheit durch ihren Reichtum
überrascht," heißt es treffend auf der Rückseite des Buches, denn das war auch meine
Lese-Erfahrung. Nicht zuletzt hat mich ein Wort aus der Todesanzeige berührt: "Mehr dankbar als
traurig." Seine Frau Renate starb im März dieses Jahres, zwei Tage bevor das Besuchsverbot in Kraft
trat. Karl Josef Kassing wohnt in unserer Pfarrgemeinde. Seit seiner Jugend ist er
schriftstellerisch tätig. Neben differenzierten, kritischen Auseinandersetzungen mit theologischen
Fragen verfasst er Gedichte, Gebete, Erzählungen – Ernsthaftes, Heiteres … Der ehemalige Lehrer hat
daraus mehrfach bei Lesungen vorgetragen. Seine Bücher sind im Buchhandel erhältlich oder können in
unserer Bücherei ausgeliehen werden.
Ingrid Rasch
Karl Josef Kassing,
1+1 = Wir - Liebevolle Erinnerungen an einen langen Abschied,
147 Seiten, 13,90 €,
Fohrmann Verlag Köln 2020,
ISBN 978-3-9818152-7-6