Hochchor St. Severin ©SilviaBins
Nicht vergessen werden dürfen die Fenster. Sie sind vergleichbar den heiligen Schriften, denn
"alles Schändliche wird durch sie ferngehalten; die Klarheit und Wärme des Sonnenlichtes der
göttlichen Gnade aber senken sich in die Seelen der Gläubigen" (Franz-Heinrich Beyer).
Die Grundrissform erinnert durch das Querschiff an das Kreuz. Die Gestaltung orientierte sich am
Vorgehen der Römer bei der Bestimmung des Ortes für eine Siedlung. Die Ost-West-Linie, geschnitten
durch eine Nord-Süd-Linie, wurde durch den Lauf der Sonne bestimmt. Die Himmelsrichtungen aber
hatten im Mittelalter ganz bestimmte Bedeutungen. Aus dem Osten kommt das Heil. Der Norden steht
für Unheil und Tod. Der Süden weist auf Zukunft hin. Der Westen steht für Anfechtung durch das
Böse.
Wer die Kirche also betritt, kommt als Sünder, dem Bösen erlegen. Er macht sich auf zum
versprochenen Heil, bedrängt durch Unheil und Tod, aber in der Hoffnung auf Rettung in der
Zukunft.
Der Gang durch die Kirche bis zum Altar symbolisiert also "den Weg von der Glaubensferne zum
Glauben, von der Dunkelheit zum Licht" und, insofern der Altar für das Kreuzesopfer Jesu steht,
auch den Weg nach Jerusalem in seiner Nachfolge.
Bedeutung hatte die Nord-Süd-Linie übrigens bei der Trennung der Geschlechter im Kirchenraum.
Der südliche Teil des Kirchenschiffes wurde den Männern zugedacht, weil sie nach mittelalterlicher
Anschauung gefestigter im Glauben waren, der nördliche Teil den Frauen wegen der unterstellten
Glaubensschwäche.
Auch der Ort, an dem St. Severin steht, ist kein Zufall. "Neue" Religionen nutzen bewusst Orte,
die in der Vergangenheit religiös ausgezeichnet und ausgewiesen waren, als Orte erfahrener
Gottesanwesenheit. Christen bauten sehr häufig auf den Fundamenten heidnischer Tempel ihre Kirche.
Bei St. Severin war ein spätantikes, gar nicht einmal christliches Begräbnisfeld ein derart
"heiliger" Ort.