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Beten und Zählen kann man am besten in der Muttersprache...

Polnische und portugiesische Christen feiern in St. Paul ihre Gottesdienste; im Pfarrheim daneben sind Gruppen und Kreise an vielen Tagen aktiv, und es gibt für beide Gemeinden ein Büro. Sind ihre Wurzeln des Lebens und Glaubens ausschließlich im Herkunftsland, oder haben sie hier auch neue Wurzeln schlagen können?

Ingrid Rasch (Pfarrbriefredaktion) sprach mit Pater Stefan Ochalski und Isabel Cunha.

Ganz einfach ist es nicht, ein Gespräch zu vereinbaren mit Pater Stefan Ochalski, dem Seelsorger der polnischen Gemeinde; sein Arbeitstag ist sehr ausgefüllt. Aber dann nimmt er sich viel Zeit. Er spricht ausgezeichnet deutsch. Der große kräftige Mann spricht überraschend leise und einfühlsam, ist sehr aufmerksam und zugewandt. Es ist zu spüren, wie sehr ihm seine Gemeinde am Herzen liegt, aber auch, wie sehr ihn die Sorgen um diese Gemeinde belasten.

Sehr schnell wird im Gespräch deutlich, dass es die polnische Gemeinde nicht gibt. Der Seelsorger unterscheidet verschiedene Gruppierungen, bei denen die Inhalte und die Intensität der Ver- wurzelung stark voneinander abweichen. Da gibt es eine große Gruppe von Umsiedlern und Spät- aussiedlern, die seit vielen Jahren hier leben, es gibt Studenten, die im Rahmen von europäischen

Austausch­programmen ein bis zwei Semester hier wohnen, es gibt gut ausgebildete Fachleute verschiedener Branchen, es gibt nicht so gut ausgebildete saisonale Arbeitskräfte in der Landwirtschaft und im Baugewerbe und nicht zuletzt Frauen, die Pflege- und Haus­wirtschaftsdienste leisten. Allen gemeinsam ist, dass sie in ihrer Muttersprache beten und singen wollen.

In der Gruppe der Spätaussiedler gibt es viele, die traditionellen Werten sehr verbunden sind; die Mitwirkung von Laien im Gottesdienst etwa oder das Engagement in Gremien ist ihnen nicht nur fremd, sondern wird als Missachtung traditioneller Werte wahrgenommen. Die Heimat haben sie nach Meinung von Pater Stefan überwiegend aus ökonomischen Gründen verlassen und fühlen sich, trotz der vielen Jahre des Lebens hier, entwurzelt und verunsichert. Sie halten darum stark am Alt- hergebrachten fest und bilden eine geschlossene Gruppe.

Besonders intensiv erlebt er dieses Bedürfnis bei Menschen, die nur eine geringe schulische und/oder berufliche Ausbildung haben und wenig deutsch sprechen. 

 

Er kennt aber auch andere, die sich schnell integriert haben und in gutem Kontakt zu ihren deutschen Gemeinden leben, ab und zu den Gottesdienst in ihrer Muttersprache besuchen. "Beten und zählen kann man am besten in der Muttersprache", davon ist er überzeugt.

Etwa 2000 Menschen kommen jeden Sonntag zu den drei Messfeiern (eine in St. Marien in Kalk und zwei in St. Paul) – eine Zahl, die Pater Stefan nicht so beeindruckend findet wie vermutlich die Mitglieder deutscher Gemeinden. Er fragt sich, welche Werte über den Gottesdienstbesuch hinaus den Menschen wichtig sind, wie weit der Glaube ihr Leben prägt, oder ob der Kirchgang überwiegend eine unhinterfragte Tradition ist. Ein Engagement über den Kirchgang hinaus ist nach seiner Erfahrung eher nicht gegeben; Familie und Beruf werden als Hinderungsgrund genannt. Zum Verständnis der aktuellen Situation macht Pater Stefan darauf aufmerksam, dass es auch in Polen selbst sehr unterschiedliche Formen des Lebens und Glaubens gibt, nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass das Land jahrzehntelang geteilt war. "Was uns verbindet, ist der Glaube, und der ist besonders in der kommunistischen Zeit eine prägende Kraft gewesen, die heute langsam schwindet."

 

 Isabel Cunha, langjährige Vorsitzende des portugiesischsprachigen Pfarrgemeinderates, ist in Deutschland geboren, aber portugiesische Staatsbürgerin. Zur portugiesischsprachigen Gemeinde gehören insgesamt etwa 700 Personen. Sie leben nicht nur in Köln, sondern auch in Bonn, Euskirchen, Neuss, Burscheid und Remscheid. Jeden Sonntag gibt es eine Messe in St. Paul und in Bonn, jeden Samstag einen Gottesdienst in Neuss und an den anderen Orten einmal im Monat. Während im Bergischen Land eher traditionelle Formen der Messfeier gepflegt und althergebrachte Lieder gesungen werden, gibt es in den größeren Städten mehr Aufgeschlossenheit für Neues. Seit 2006 nutzt die Kölner portugiesischsprachige Gemeinde die Kirche St. Paul. "Hier haben die Menschen jetzt Wurzeln geschlagen, wir fühlen uns wohl und möchten nicht mehr weg", betont Isabel Cunha. Stationen zuvor waren St. Johann Baptist, St. Peter, Groß St. Martin – dort über 20 Jahre. Mitgewandert ist durch alle Kirchen die Statue der Fatima-Madonna. Ein wenig gehört sie allen, weil sie gestiftet wurde von den Gemeinde­mitgliedern, und allen ist sie wichtig.

Köln ist für viele ihrer Landsleute das Zuhause, manche jüngere Menschen kennen Portugal nur als Urlaubsland. Dennoch ist es für viele wichtig, in der Muttersprache beten und singen zu können,

 

auch wenn sie oft deutsche Gottesdienste besuchen. Eigene (auch und besonders religiöse) Traditionen werden hochgehalten oder auch neu belebt und stärken das Gefühl der Zusammen­gehörigkeit. In der Weihnachtszeit wird nach jedem Gottesdienst das Jesuskind in der Krippe besonders verehrt. Jeder küsst es, kleine wie große Gottesdienstbesucher und zu Fron­leichnam nimmt die Gemeinde in ihre Landestrachten gekleidet an der Prozession teil. "Von der deutschen Gemeinde haben wir die Agape nach der Osternachtfeier übernommen, da ist eine große Offenheit", freut sich Isabel Cunha. Sie engagiert sich seit ihrer Jugendzeit in der Katechese, d.h. in der Begleitung und Hinführung von Kindern und Jugendlichen zu Erstkommunion und Firmung; und dabei sieht sie deutliche Veränderungen: gingen vor einer Weile noch 140 Kinder in der portugiesischsprachigen Gemeinde zur Katechese, sind es heute noch 60 Kinder. Die anderen möchten das Fest der Erstkommunion und Firmung gemeinsam mit ihren deutschen Klassenkameraden begehen. Das ist nach ihrer Einschätzung eine gute und richtige Entwicklung. Gleichzeitig liegt ihr am Herzen, dass die heimatlichen Wurzeln lebendig bleiben können.

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