I. Rasch:
Alles bleibt anders, lieber Benedikt, wie damals zum Neubeginn hier sprechen wir beide
jetzt miteinander, und es geht um Veränderung, um Abschied.
B. Kremp: Ja, es geht für mich nicht nur um den Abschied von der Gemeinde St. Severin nach
mehr als fünf Jahren, sondern es ist auch ein Abschied nach 20 Jahren in meinem Beruf als
Pastoralreferent, weil ich ab Januar nächsten Jahres ganz als Ehe-, Familien- und Lebensberater
tätig sein werde. Die entsprechende Ausbildung dazu habe ich in den letzten Jahren absolviert und
deshalb hier zuletzt nur noch mit einer halben Stelle gearbeitet – mit der anderen Hälfte in der
Beratungsstelle in Gummersbach. Zuständig war ich hier für die Erstkommunionvorbereitung,
Schulgottesdienste, Familienmessen und vieles mehr.
Das wird noch ein wichtiges Thema sein, aber schauen wir zunächst einmal auf die Zeit hier.
Abschied lädt zu Rückblick ein – was war Dir besonders wichtig in Deiner Arbeit?
Mein Arbeitsfeld war ja - entsprechend dem pastoralen Schwerpunkt in St. Severin
"Kinder, Mütter, Väter" – die Arbeit mit Kinder, Jugendlichen und deren Familien. Wichtig war mir,
dass Kinder und Jugendliche einen Zugang zum Glauben bekommen, dass wir gute Orte für Familien
schaffen, wo der Glaube gemeinsam erfahrbar und lebbar wird. Und mir war wichtig, dass etwas
zusammen entsteht, nicht einer was "vorbetet" und die anderen das dann tun. Meine Rolle habe ich so
verstanden, etwas zu ermöglichen, zusammenzuführen, kreative Prozesse anzuregen. Ein Beispiel dazu:
In einem Jahr haben an Heiligabend 50 Menschen unterschiedlichen Alters den Familiengottesdienst in
St. Maternus mitgestaltet und sich auf ihre Art eingebracht. Das ist eine sehr lebendige Form von
Kirche. Ich habe immer versucht herauszufinden, was allen Beteiligten wichtig ist und dass daraus
etwas Gemeinsames entsteht.
Was erlebst Du als Früchte Deiner Arbeit?
Ich freue mich über die Bereitschaft so vieler Menschen, Aufgaben zu übernehmen,
Verantwortung zu tragen. Das hat aus meiner Sicht auch damit zu tun, wie sie angesprochen werden
und auch mit einer Kultur der Wertschätzung ehrenamtlichen Engagements. Als Frucht sehe ich auch
Dinge, die gemeinsam entstanden sind – da fällt mir die Ausstellung der Kreuze ein, die Firmlinge
gemacht haben oder die Taizé-Abende. An tolle Momente bei den Kommunionkinder-Wochenenden erinnere
ich mich …
Ich bin zufrieden damit, wie hier in St. Severin in den letzten Jahren Gemeinde gelebt und
pastorale Arbeit geleistet wurde. Am Herzen lag mir die Verknüpfung der pastoralen mit der
pädagogischen Arbeit, und da freue ich mich besonders, dass die Einstellung einer pädagogischen
Fachkraft in Kooperation mit dem Caritasverband gelungen ist. Das ist sicher ein Modell für die
Zukunft.
Wenn Kirche gut "funktioniert", dann spricht das viele Menschen direkt an, auch solche, die
nicht oder nicht mehr so sehr verbunden sind. Da habe ich immer wieder positive Rückmeldungen
erlebt, sei es nach Erstkommunionfeiern oder aber auch bei so großen Ereignissen wie der
Lichtinstallation bei der Severinale.
Was wirst Du vermissen?
Die vielen Beziehungen, die entstanden sind, die Fülle und die Lebendigkeit, die ich hier in
der Gemeinde erlebe. Ich habe viele interessante und wertvolle Menschen kennengelernt. Zum Beispiel
hatte jede Gruppe von Kommunionkatecheten/innen ihre eigene Dynamik – nie war es gleich, und
das hat mir sehr gut gefallen. Vermissen werde ich die Kreativität in der Gestaltung von
Familiengottesdiensten, und besonders vermissen werde ich den Kontakt zu den Kindern und
Jugendlichen hier.
Gibt es so etwas wie ein "Vermächtnis"? Gibt es Wünsche?
Ich wünsche mir, dass wir aktiver in den Blick nehmen, wie die Zukunft der Pfarrgemeinde zu
gestalten ist, wenn es deutlich weniger Priester gibt.
Immer noch erlebe ich ein stark priesterzentriertes Gemeindebild. Ich wünsche mir ein
verstärktes Bewusstsein dafür, wie wertvoll eine gut "funktionierende" Kirchengemeinde ist, so wie
ich sie hier erlebe. Ich wünsche mir auch ein Bewusstsein dafür, was wir verlieren, wenn die
Gemeinden zu großen Gebilden zusammen-gelegt werden. Faszinierend finde ich hier, ein wie
lebendiges und differenziertes Netzwerk besteht an Beziehungen über Generationsgrenzen, soziale
Grenzen und Gemeindegrenzen hinaus. Das ist eine starke Kraft, die der Anonymität entgegenwirkt. Es
ist gut, sich dessen bewusst zu sein, um die Kraft zu haben, das auch in Umbruchphasen zu erhalten
und fortzuentwickeln.
Der Abschied hier verbindet sich mit einem Neubeginn – wie ist es überhaupt zu dieser
Entscheidung für einen beruflichen Wechsel gekommen?
Die seelsorgliche Arbeit ist ja immer auch eine Beziehungsarbeit. Beziehungen aufzubauen zu
sehr unterschiedlichen Menschen, das verbindet die beiden Berufsbilder.
Die Entscheidung, die Beratertätigkeit nun ganz zu meiner beruflichen Aufgabe zu machen,
hat auch etwas mit dem Lebensalter zu tun . Ich habe jetzt gewissermaßen die Halbzeit meiner
beruflichen Biographie, und wenn Veränderung und noch einmal Neustart, dann jetzt!