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Wer ein Zelt sein Zuhause nennt

In einem biblischen Text des Alten Testamentes heißt es: "Als nun der König (David) in seinem Haus wohnte…, sagte er zu dem Propheten Nathan: 'Ich wohne in einem Haus aus Zedernholz, die Lade Gottes aber wohnt in einem Zelt.' … In jener Nacht erging das Wort des Herrn an Nathan: 'Geh zu meinem Knecht David und sag zu ihm: So spricht der Ewige: Du willst mir ein Haus bauen, damit ich darin wohne?'" Zweites Buch Samuel, Kapitel 7, Verse 1 – 16


 

David hatte es gut gemeint. Er selbst lebte in einem luxuriösen Palast. Gott aber, dem Israel die Freiheit verdankte, nahm mit einem Zelt vorlieb, in dem die Bundeslade stand. Da stimmten doch die Relationen nicht. Auch Nathan, mit dem sich David beriet, hielt den Bau eines Gottes-Hauses für angebracht. Und dann diese Frage.

 

Wer Macht über Menschen hat und auslebt, lässt bauen. Davon legen die Schlösser und Paläste der Könige aller Zeiten beredt Zeugnis ab. Aber auch die Basiliken spiegeln nicht selten eher die Macht ihrer Erbauer als die Größe ihrer Gottesverehrung wider. Heute sind es die Bauten der Banken und Versicherungen, die jedem deutlich machen, wer in unserer Gesellschaft das Sagen hat. Imposante Gebäude aber werden oft auf Kosten von Menschen hochgezogen. Diejenigen, die den Bau wollen, bringen nicht selten Tod und Ungerechtigkeit hervor, fordern Menschen als Opfer, wie nicht nur der Bau der Pyramiden zeigt.

 

Zelttransport mit Kamel ©SilviaBinsZelttransport mit Kamel ©SilviaBinsDass Gott bei seinem Zelt bleibt, bringt daher provozierend zum Ausdruck, dass er zu keiner Zeit aufseiten der Mächtigen dieser Erde steht, dass Eifer für die Armen und Schwachen sein Wesen ausmachen.

 

Lehnt Gott vielleicht nicht auch Davids Angebot ab, weil er deutlich machen will, dass er von Menschen gerade nicht "angebunden" werden kann? Wer ein Zelt sein Zuhause nennt, der muss gesucht und aufgesucht werden, der hinterlässt häufig nur Spuren, denen es zu folgen gilt, will man ihn treffen. Wer ein Zelt sein Zuhause nennt, der kann länger abwesend sein, den kann man auch aus den Augen verlieren, der ist häufig woanders anzutreffen als vermutet. Wer ein Zelt sein Zuhause nennt, der bleibt offen für neue Standorte, neue Erfahrungen, neue Begeg­nungen.

 

Leeren sich unsere Gotteshäuser, weil wir immer wieder versuchen, Gott in das enge Gefängnis unseres eigenen Zuhauses und unseres eigenen Milieus einzuschließen? Leeren sie sich, weil wir Gott oft zu einem Depot abfragbarer Wahrheiten degradieren, nur um eigene Vorstellungen und Wünsche legitimieren zu können? Leeren sich unsere Gotteshäuser, weil wir Gott aus unserem Alltag verbannt haben, ihn bewusst in die Sondersphäre einer sonntäglichen Kerngemeinde einschließen? Spüren viele Menschen zu Unrecht, dass Gott bei uns nicht mehr so ohne weiteres anzutreffen ist, dass er sein Zelt bei uns abgebrochen hat und von uns unbemerkt weitergezogen ist? Im biblischen Text gibt es einen überraschenden Wechsel: "Nun verkündet dir der Ewige, dass er dir ein Haus bauen wird".

 

"Wer ein Zelt sein Zuhause nennt ..." ©SilviaBins"Wer ein Zelt sein Zuhause nennt ..." ©SilviaBinsDieses Haus, das David versprochen wird, ist kein noch größerer Palast. Zugesagt wird ein Nachkomme, von dem gesagt wird: "Ich will für ihn Vater sein, und er wird für mich Sohn sein". In diesem Sohn ist Gott in einer Weise unter den Menschen anwesend, dass es eines Hauses für Gott eigentlich nicht mehr bedarf. Unsere Kirchengebäude sind daher primär Versammlungsorte, wo Menschen im Namen dieses Sohnes versammelt sind. Gotteshaus ist dieses Haus daher nur insofern, als in diesem Haus Gott gepriesen und ihm Dank gesagt wird. Auch über Jesus von Nazareth, den wir als diesen verheißenen Sohn bekennen, können wir nicht verfügen. Ein kurzes irdisches Leben, eine kurze Anwesenheit als Aufer­weckter unter den Menschen. Es gilt, auch ihn zu suchen, seinen Spuren zu folgen. Am sichersten treffen wir ihn nach seinen eigenen Worten in den Menschen an, die unsere Hilfe brauchen. Und das fällt uns allen unendlich schwer.

 

"Die Menschen vergeben Gott viel, nur schwer aber, dass er sich in unseren eigenen Masken und Schicksalen in der Welt herumtreibt: als Heimatloser, als Fremder, als Geschlagener, als einer, der unsere Tränen weint und unseren Tod stirbt", so beschreibt der Theologe Fulbert Steffensky unser Dilemma. Wir sind wie David und bauen lieber ein Haus für unseren Gott als sein Zelt zu akzeptieren. Wir sind wie David und gehen lieber in das für diesen Gott errichtete Haus als sein Zelt zu suchen.

 

Die leidenden Menschen: das Zelt Gottes unter den Menschen. Das Zelt Gottes: es ist so nah und im täglichen Leben doch oft so fern.

 

Barthel Schröder (Diakon)


 
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