Klagewand in der Karwoche
19. März 2021; Johannes Quirl
"Aus der Tiefe rufe ich zu dir: HERR, höre meine Klagen,
aus der Tiefe rufe ich zu dir: HERR, höre meine Fragen."
(Gotteslob 283, Text von Uwe Seidel nach Psalm 130,1.2.)
Auf der
Homepage der Leipziger Propsteikirche St. Trinitatis fand ich
diese Idee von einem Experiment zum Thema "Klagezeiten" in evangelischen und katholischen Kirchen
der Stadt:
"Kirchen sollen sich in der Pandemie nicht mit tröstenden Antworten überbieten, sondern Raum
für Klage eröffnen." Weiter heißt es, dass die "Klagezeit" "ausdrücklich nicht sofort Trost spenden
und Hoffnung geben will. Es soll vielmehr darum gehen, das Klagen als Wert an sich zu
verstehen."
Die Mitinitiatorin Kerstin Menzel appelliert: "Lasst uns dem Klagen wieder mehr Platz
einräumen." In der Seelsorge gehe es darum, "das Schwere der Wirklichkeit nicht zu überspringen."
Nach Propst Gregor Giele gehört zur Klage auch das Schweigen "im Sinne von Verstummen, weil
ich nicht mehr weiß, was ich sagen kann."
Von Menschen, die in der Bibel ihr Klagen reflektiert haben (wie in den Büchern Hiob, Jeremia
u.a.), können wir lernen, dass Klagen etwas anderes ist als Jammern. Klagen kennt einen konkreten
Ort im Leben, einen Ansprechpartner (auch im Schweigen), Solidarität im Aushalten. Klagen hat einen
eigenen Wert und darf nicht übersprungen werden.
Die laute Klage der Freundinnen Jesu nach dessen Tod ist genauso wie die stumme Klage seiner
Freunde wahr- und ernstzunehmen – bevor das erst erschreckende, dann staunende und schließlich
lösende und befreiende Wahrnehmen der österlichen Botschaft sich Bahn brechen kann.
In den Leipziger Kirchen stehen "Klagewände" – Menschen werden eingeladen, Zettel mit ihren aufgeschriebenen Anliegen, Klagen, Nöten und Ängsten hineinzustecken. Sie erinnern an die Westmauer des herodianischen Tempels in Jerusalem, die sogenannte "Klagemauer".
Diese Idee möchten wir in der Kirche St. Severin für die Karwoche aufgreifen.
Auch bei uns soll eine Woche lang eine "Klagewand" vor dem Altar stehen, in die Sie eingeladen sind, Zettel mit ihren aufgeschriebenen Anliegen, Klagen, Nöten und Ängsten hineinzustecken. Stifte und Zettel erhalten Sie beim Besucherservice am Eingang der Kirche. Bitte achten Sie auf den nötigen Abstand.
In der Osternacht sollen diese Zettel die Basis des Osterfeuers werden: "Du hast mein Klagen in Tanzen verwandelt." (Psalm 30,12; vgl. GL 323)
Pastor Johannes Quirl
Hier finden Sie Fotos der Klagewand.