Ein Ausstattungsobjekt, das an zentraler Stelle jahrhundertelang für alle Kirchenbesucher gut sichtbar seinen Dienst getan hat, aber aus künstlerischer und kirchenhistorischer Sicht bisher nicht im "Mittelpunkt" stand: Das Schreinsgehäuse - auf vier Säulen hinter dem Hochaltar aufgestellt - birgt als schützende Hülle den Severinusschrein und ermöglicht gleichzeitig durch seine Gitter und Glasscheiben den Blick auf den Schrein. Zur Zeit wird das Gehäuse in der Bischofskapelle restauriert.Die Restauratorin Carmen Seuffert ist verantwortlich für die Restaurierung der alten Farbfassung (allgem. Bemalung) des Schreinsgehäuses. Im Gespräch mit Michael Wissen gibt sie Auskunft.
Sagen Sie uns etwas zu sich und Ihrem Restaurierungsatelier? Ich stamme aus Franken und habe mich nach mehrjährigen Restaurierungspraktika entschieden,
nach Köln zu gehen und hier an der Fachhochschule "Restaurierung und Konservierung von Kunst- und
Kulturgut" zu studieren. Statt nach dem Diplom-Abschluss wieder in meine alte Heimat zu gehen, habe
ich 1993 mit Studienkolleginnen hier das Restaurierungsatelier "GRUPPE Köln" aufgebaut. Heute
arbeiten im Büro vier festangestellte Kollegen/innen auf dem Gebiet der Restaurierung und
Konservierung von Kunst- und Kulturgütern – im Fachbereich Gemälde und Skulptur - aus Museen,
Galerien, Kirchen, Kunstsammlungen, Versicherungen und Privatbeständen.
Planaufnahme H. Meier, LVR-Amt für Denkmalpflege 2016
Was muss am Schreinsgehäuse gemacht werden, und was ist Ihre Aufgabe dabei? Nachdem das Schreinsgehäuse in der Bischofskapelle aufgestellt worden ist, konnten wir den
Zustand genauer in Augenschein nehmen und vor allem Untersuchungen zur Konstruktion und zum Alter
des Gehäuses vornehmen. Bisher lagen dazu keine verlässlichen Informationen vor. Erste Ergebnisse
deuten darauf hin, dass das Gehäuse im Kern aus der Erbauungszeit des Hochchores im 13. Jahrhundert
stammt.
Ich selber bin für die Reinigung, Restaurierung und Konservierung der bestehenden
Farbfassungen des Gehäuses verantwortlich. Die heutige Farbfassung stammt von Friedrich Wilhelm
Mengelberg (1837–1919, deutsch-niederländischer Maler/Bildhauer) und ist im 19. Jahrhundert
aufgebracht worden. Wenn man die Oberflächen aus der Nähe betrachtet fällt auf, dass sich über die
Jahre und Jahrzehnte eine dicke Schmutzschicht auf den Holz– und Metalloberflächen gebildet
hat. In Zusammenarbeit mit dem Rheinischen Amt für Denkmalpflege wird der Zustand der Farbflächen
erfasst und daraufhin festgelegt, welche Maßnahmen zur Erhaltung notwendig sind.
In welchen Zustand befinden sich die Farbfassungen des Gehäuses? An vielen Stellen weist die Farbschicht großflächig ein typisches Rissmuster
(Craquelée-Effekt) auf. Dies ist ein typischer Alterungseffekt bei Farbaufträgen. Die Farbe wird
spröde und brüchig. Die Risse lassen hier die weiße Grundierung oder sogar den Holzuntergrund
durchscheinen. Im fortgeschrittenen Stadium, das wir hier schon teilweise erkennen, biegen sich die
Farbflächen an den Rändern hoch und lösen sich teilweise auch vollständig vom Untergrund ab. Wenn
ich lose Farbschollen finde, versuche ich natürlich, diese einer Fehlstelle nach Farbe und Form
zuzuordnen und wieder einzufügen. Das gelingt leider nicht immer. Um die Farbschicht wieder zu
fixieren, trage ich ein Bindemittel (thermoplastisches Kunstharz) auf. So werden die Farbschichten
wieder elastisch, und ich kann sogar die hochgebogenen Ränder mit Wärme vorsichtig wieder
andrücken.
Interessant ist, dass bei den ersten Untersuchungen an der Stirnfläche unter den Blendleisten
Farbreste einer deutlich älteren Farbfassung – eventuell aus der Herstellungszeit –
gefunden wurden.
Bei meiner großflächigen Untersuchung finde ich an einigen Stellen ebenfalls winzige
Farbspuren, die nicht zu der aktuellen Schicht gehören. Hier nehme ich winzige Farbproben, die
weiter mit wissenschaftlichen Methoden untersucht werden, um Aufschluss über das Alter der
Farbschicht zu erhalten. Ergebnisse hierzu liegen noch nicht vor.
Neben den Holzflächen bearbeiten wir auch die Eisengitterstäbe des Gehäuses. Unter der dicken
Schmutzschicht lässt sich erkennen, dass die Eisenstäbe im Dachbereich des Gehäuses wahrscheinlich
eine Versilberung aufweisen. Interessant ist, dass die Gitter der Seitenteile dagegen an einigen
Stellen einen leichten Goldschimmer zeigen. Ob es sich jeweils um eine vollständige Versilberung
mit Goldlacküberzug handelt, kann erst nach der Säuberung abschließend festgestellt werden.
Wie soll das Gehäuse nach der Restaurierung aussehen? Wird man die aufwendigen Arbeiten
erkennen? In Abstimmung zwischen den Denkmalbehörden des Landes NRW, des Bistums und dem
Kirchenvorstand als Auftraggeber ist festgehalten, dass die Farbfassung in der aktuellen Form und
Farbe erhalten bleibt. Die größeren Fehlstellen werden an den stark beschädigten und auffallenden
Stellen sehr zurückhaltend und behutsam mit einer Grundierung aufgefüllt und ausgebessert. Der
"neue" farbliche Gesamteindruck wird im Wesentlichen durch Reinigung bestimmt.
Gibt es etwas, das Sie besonders an diesem Objekt und der Arbeit hier fasziniert? Besonders fasziniert mich, dass ich an einem solch alten Objekt arbeiten kann, das
wahrscheinlich über Jahrhunderte mit der Verehrung des heiligen Severin verbunden ist. Außerdem
habe ich großen Respekt vor den Fähigkeiten der früheren Handwerker, die ein Objekt geschaffen
haben, das über solch einen langen Zeitraum hinweg erhalten geblieben ist und heute noch als
sicherer Aufbewahrungsort für den Severinusschrein zur Verfügung steht. Ich frage mich, ob in
Zukunft Menschen Ähnliches über unsere heutigen modernen Kunstobjekte und sakralen Objekte sagen
werden.