Bald können wir in die "neue" Kirche einziehen. In den ersten beiden Maiwochen werden wir den
Kirchenraum ohne Bänke erfahren können. So liegt es nahe, Details der Innenraumgestaltung in den
Blick zu nehmen und die Arbeit der Lichtdesigner vorzustellen.
Vor der Sanierung war die Lichtsituation wenig befriedigend. Jetzt haben wir einen mit viel
Aufwand und Detailarbeit hergerichteten Innenraum, der es wert ist, durch ein gut durchdachtes
Lichtkonzept ins rechte Licht gerückt zu werden. Das nachfolgende Gespräch zeigt, wie viel
Erfahrung, Raumgefühl, historisches und architektonisches Wissen und auch technischer Sachverstand
dazu erforderlich sind.
Silvi Hoidis und Daniel Zerlang-Rösch vom Design Büro atelier deLuxe in Offenbach im Gespräch
(Videokonferenz via Skype) mit Michael Wissen
Michael Wissen:
Bitte stellen Sie sich und Ihr Atelier unseren Leserinnen und Lesern vor.
Silvi Hoidis: Ich bin Theater- und Kunstwissenschaftlerin. Bei unseren Projekten bin ich
u.a. für die Architekturanalyse der Objekte im Vorfeld der Konzeptentwicklung verantwortlich. Das
beinhaltet in St. Severin unter anderem auch die Betrachtung der vorhergehenden
Restaurierungskonzepte und die damit verbundenen unterschiedlichen Lichtführungen.
Daniel Zerlang-Rösch: Ich habe Industriedesign studiert und zuvor als Beleuchter an
verschiedenen Theatern gearbeitet. Aus meiner Theatererfahrung weiß ich, wie mit Licht ganz gezielt
Räume und Stimmungen erzeugt werden, die einen wesentlichen Teil einer Inszenierung ausmachen. Für
die Umsetzung spielen aber auch technische Aspekte und das Design der Leuchten eine wichtige Rolle.
Wir arbeiten mit unserem atelier im Kundenauftrag an der Planung und Umsetzung von
Lichtkonzepten, einerseits für Ausstellungen und Vitrinen, andererseits für historische Gebäude und
z.B. auch Museumsneubauten. Darüber hinaus entwerfen wir die benötigten Sonderleuchten. Ob wir ein
Objekt in einer Vitrine beleuchten oder ein Konzept für einen großen Kirchenraum umsetzen –
es geht immer darum, den Raum und die darin enthaltenen Objekte mit Hilfe des Lichtes zu gestalten
und in eine bestimmte Beziehung zueinander zu setzen.
Mit welchem Auftrag sind Sie an das Beleuchtungskonzept herangegangen?
Daniel Zerlang-Rösch: Wir versuchen die historische Lichtführung, die die Kirche uns durch
ihre baulichen Strukturen vorgibt, mit den heutigen lichttechnischen Möglichkeiten und
Anforderungen an Beleuchtung wie z.B. Leselicht zu erweitern, und das Ganze zu einer stimmigen
Raumlichtatmosphäre zu bringen.
Sonderleuchten in den Scheidbögen beleuchten Mittelschiff und Seitenschiffe in unterschiedlicher Helligkeit. (Skizze)
Welche Herausforderung gibt es bei der Umsetzung der neuen Beleuchtung von St. Severin, und
wie sind Sie vorgegangen?
Silvi Hoidis: Zu Beginn haben wir die bauliche Struktur der Kirche und die Objekte darin
erfasst. Zusätzlich werten wir auch historische Quellen – Text- oder Bildmaterial –
aus, um einen Eindruck von den unterschiedlichen Lichtbildern der Kirche zu erhalten. So war z.B.
mit der vorherigen Beleuchtung das Langhaus sehr hervorgehoben, während die Vierung und besonders
der Hochchor mit der Severinuslegende und dem Severinusschrein unbetont und ohne Verbindung zum
Langhaus blieben. Vereinfacht gesagt, war das Langhaus zu hell und der langgestreckte Hochchor zu
dunkel. Historische Befunde zeigen aber, dass die Achse Langhaus – Vierung - Hochchor nicht
nur über die Lichtführung gut miteinander verbunden waren, sondern dass darüber hinaus der Hochchor
der Kulminationsort (wichtigste Ort) im lichtdramaturgischen Geschehen war. Diese Idee wollen wir
mit dem neuen Konzept wieder sichtbar machen, zumal das auch viel eher der Tageslichtführung dieses
Kirchenraumes mit seiner gotische Raumgliederung entspricht.
Daniel Zerlang-Rösch: Der Hochchor ist eine besondere Herausforderung. Hier haben wir die
hohen Seitenwände, die wir als Hintergrund sanft aufhellen wollen, damit dann der große
Bilderzyklus der Severinuslegende Bild für Bild differenziert ausgeleuchtet werden kann. Hinzu
kommt als zentrales Objekt der Severinusschrein. Und bei der Nutzung des Chorgestühls muss die
Lesebeleuchtung sichergestellt sein. Insgesamt eine sehr komplexe Situation.
In die Rückwände des Chorgestühls installierte LED-Strahler sorgen für eine blendfreie Ausleuchtung der Severinuslegende. (Skizze)
Wie gehen Sie praktisch vor – von der Beauftragung bis zum ersten Anschalten des
Lichtes? Und wie wird die Beleuchtung konkret aussehen?
Silvi Hoidis: Gemeinsam mit der Bauherrschaft und den Nutzern erfassen wir die Situation
vor Ort und besprechen die Anforderungen und Wünsche. Auf dieser Grundlage entwickeln wir unsere
Konzepte. Dabei spielt die zeichnerische Annäherung an die Aufgabe eine große Rolle, denn anhand
von Zeichnungen werden die Konzepte präsentiert. Nach der Präsentation der Ergebnisse beginnt der
Entscheidungsprozess, an dem neben der Bauherrschaft und den Nutzern auch die Denkmalpflege
beteiligt ist. In aller Regel finden innerhalb dieses Prozesses Bemusterungen statt, um die
Imagination der zeichnerischen Darstellung in die Realität zu übertragen und zu überprüfen.
Miniaturstrahler zur Ausleuchtung der Severinuslegende
Daniel Zerlang-Rösch: Wenn die Entscheidung für ein Lichtkonzept gefallen ist, werden in
enger Abstimmung mit den Beteiligten die entsprechenden Leuchten von uns entwickelt.
Für St. Severin werden wir in den Scheidbögen zwischen dem Mittelschiff und den
Seitenschiffen Sonderleuchten aufhängen, die mehrteilig sind und unterschiedliche Lichtarten
beinhalten. Als Besonderheit ist dabei zu erwähnen, dass der Glaszylinder nicht, wie sonst üblich,
gleichmäßig um sich herum leuchtet, sondern dass er zum Mittelschiff hin heller leuchtet, als zu
den Seitenschiffen hin, denn das Langhaus soll in Zukunft seiner Raumgliederung entsprechend
abgestuft beleuchtet werden. Das heißt, die Seitenschiffe werden im Verhältnis zu ihren
Mittelschiffen dunkler werden.
Ein anderes Beispiel unseres Lichtkonzeptes ist die Beleuchtung der Severinuslegende. Hier
werden wir im Bereich der Rückwände des Chorgestühls 64 LED-Miniaturstrahler so installieren, dass
sie weder sichtbar sind noch eine Blendung der Besucher verursachen.
Hat etwas Sie besonders an der Arbeit hier fasziniert?
Daniel Zerlang-Rösch: Ich habe in dieser Kirche auch die südliche Seitenkrypta mit der
Ausstellung der historischen Stoffe beleuchtet. Für mich ist dieser Raum in seiner Gestalt und im
Zusammenspiel mit den großen Tuchobjekten ein faszinierender Ort.