Warten – stärkende, heilende Kraft
Warten hat eine heilende Funktion – davon ist Eva K. überzeugt. Die Motopädin arbeitet seit 25 Jahren in der Frühförderung*. Ingrid Rasch von der Pfarrbriefredaktion sprach mit ihr über die Bedeutung des Wartens bei ihrer Arbeit.Kreative Hausbau-Lösung
Warten kann offenbar sehr verschiedene Facetten haben: passiv abwartend oder aktiv anteilnehmend, aufmerksam interessiert. Erwachsene sind nicht selten sehr handlungsorientiert, werten das Warten ab und betrachten es als unnütze, ungenutzte Zeit. Auch die Fachfrau ist nicht frei von diesen Gedanken.
"Spontan denke ich an ein stark entwicklungsverzögertes Kind, dessen Einschulung im nächsten
Jahr ansteht. Seine motorischen, sprachlichen und kognitiven Fähigkeiten entsprechen bei weitem
nicht der Altersstufe. Mit Blick auf den Schulbeginn gerate ich in Versuchung, das vertrauensvolle
Warten auf die Entfaltung der eigenen Kräfte des Kindes aus dem Blick zu verlieren", stellt die
erfahrene Therapeutin fest. Sie möchte sich grundsätzlich durch das Kind führen lassen, es in
seiner Kreativität stärken, auch wenn sie natürlich ein Konzept und eigene Ideen für die
angemessene Förderung des Kindes hat.
Eine wichtige Rolle spielen die Eltern, die nicht selten Mühe haben, den nicht
altersgerechten Entwicklungsstand des Kindes zu akzeptieren. Sie sehen ihr Kind mit anderen Augen
als die Umgebung es wahrnimmt. Und es ist schwer für sie, das wichtige Warten auf
Entwicklungsschritte auszuhalten und freundlich anregend zu begleiten. "Auch mir fällt das manchmal
schwer", gesteht Eva K. "Und wenn ich dann den Eltern erzähle, dass ich selbst in Stress geraten
bin, ungeduldig war, am Kind gezerrt habe, dann können wir uns verbinden und uns gemeinsam auf das
stärkende, bestärkende und heilsame Warten einlassen." Ein Beispiel mag das verdeutlichen: Ella
(Name geändert) möchte aus Schaumstoffquadern ein Haus bauen, groß soll es sein, nun stellt sie die
Wände so weit, dass es kein passendes Dachelement gibt. Statt als Erwachsener einen
Lösungsvorschlag zu machen, ist Warten angesagt. Und siehe da, Ella entscheidet ganz überraschend,
dass nur ein Teil überdacht wird und den Rest definiert sie als Terrasse.
Eva K. ist überzeugt: Eine Pflanze wächst nicht schneller, wenn ich an ihr ziehe, eher
schadet ihr das. Sie braucht zum Wachsen gute Bedingungen – eine nährstoffreiche Erde, Licht und
Luft, Sonne und Regen – dann kann sie ihre eigenen Wachstumskräfte entfalten. Warten heißt also
nicht, passiv und tatenlos zu sein, sondern gute Bedingungen für Wachstum und Entwicklung zu
schaffen.
* Das Angebot der Frühförderung ist begrenzt bis zum Schulalter, es richtet sich an Kinder mit Entwicklungsverzögerungen oder -störungen. Eine von insgesamt acht Beratungsstellen in Köln befindet sich in Bayenthal.