Weltgericht – Fresko an der Außenfassade der Pfarrkirche Imst in Österreich Foto: Friedbert Simon / Pfarrbriefservice.de
"Von dort wird er kommen, zu richten die Lebenden und die Toten …", so beten wir jeden Sonntag
im Apostolischen Glaubens-bekenntnis, stellen uns aber schon lange nicht mehr die Fragen: Warum ist
er bisher nicht gekommen? Wann wird er denn kommen?
In den Briefen des Neuen Testamentes wird der Eindruck erweckt, als stehe die Wiederkunft
Christi unmittelbar bevor: "Denn dies sagen wir euch nach einem Wort des Herrn: Wir, die Lebenden,
die noch übrig sind bei der Ankunft des Herrn, werden den Entschlafenen nichts voraushaben ...", so
schreibt Paulus an die Gemeinde in Thessalonich. Jakobus schreibt: "Darum, Brüder und Schwestern,
haltet geduldig aus bis zur Ankunft des Herrn! Siehe, auch der Bauer wartet auf die kostbare Frucht
der Erde, er wartet geduldig auf sie, bis Frühregen oder Spätregen fällt … Ebenso geduldig sollt
auch ihr sein; macht eure Herzen stark, denn die Ankunft des Herrn steht nahe bevor". Noch
konkreter heißt es im Brief an die Hebräer: "Denn nur noch eine ganz kurze Zeit, dann wird der
kommen, der kommen soll, und er bleibt nicht aus."
Doch geht diese "Naherwartung" der Urgemeinde wirklich auf Jesus zurück? Die Evangelien
scheinen dies auf den ersten Blick zu bestätigen. Bei Markus heißt es: "Und er sagte zu ihnen:
Amen, ich sage euch: Von denen, die hier stehen, werden einige den Tod nicht schmecken, bis sie
gesehen haben, dass das Reich Gottes in Macht gekommen ist", und bei Matthäus: "Denn, amen, ich
sage euch: Ihr werdet nicht zu Ende kommen mit den Städten Israels, bis der Menschensohn kommt".
Auf der anderen Seite wird immer wieder betont, dass niemand die Stunde kennt: "Doch jenen Tag und
jene Stunde kennt niemand, auch nicht die Engel im Himmel, nicht einmal der Sohn, sondern nur der
Vater. Gebt Acht und bleibt wach! Denn ihr wisst nicht, wann die Zeit da ist", heißt es bei Markus.
Dieser Aufruf zum Wachsein und wach bleiben durchzieht viele der Gleichnisse Jesu: die Erzählung
vom Sämann, die Geschichte des geduldigen Weinbauern, die Erzählung von den zehn Jungfrauen, und
die Geschichte von den überlassenen Talenten, die erfolgreich eingesetzt werden sollen.
Die Stellen, in denen Jesus scheinbar eine baldige Wiederkunft voraussagt, bekommen einen
ganz anderen Sinn, wenn man sie im Gesamtzusammenhang der Evangelien liest. Die Ankündigung, dass
einige Jünger vor ihrem Tod das Reich Gottes sehen werden, erfüllt sich ein paar Zeilen später
durch ihre Erfahrung der Verklärung Jesu auf dem Berg Tabor. Und da der Auftrag zur Verkündigung
"Allen Völkern muss zuerst das Evangelium verkündet werden" nicht so schnell zu realisieren sein
wird, ist auch hier von einer Naherwartung keine Rede.
Wesentlich ist also die Aufforderung Jesu wach zu sein, wach zu bleiben und auf das zu
warten, was uns bei seiner Wiederkunft bevorsteht. Und er muss wiederkommen, denn "siehe, ich
erschaffe einen neuen Himmel und eine neue Erde. Man wird nicht mehr an das Frühere denken, es
kommt niemand mehr in den Sinn", heißt es beim alttestamentlichen Propheten Jesaia.
Der Advent ist die Zeit, sich dessen zu erinnern und sich neu zu schulen im Wachsein und wach
bleiben. Der Theologe Joachim Negel weist in seinem Buch "Kugelworte" darauf hin, dass sowohl
Advent wie auch das englische Wort für Abenteuer (adventure) vom gleichen lateinischen Wort
"advenire" (= ankommen) abstammen. Das, auf was wir nach Jesus warten sollen, wird etwas Großes,
Geheimnisvolles und Unvorstellbares sein.
Wer die Bibelstellen nachlesen möchte:
1 Thess 4, 15-17 | Jak 5, 7-8 | Hebr 10, 37 | Mk 9, 1
| Mt 10, 23
Mk 13, 31-32
| Mt 13, 24-30 | Lk 13, 6-9 | Mt 25, 1-13 | Mt
25, 14-30
Lk 19, 11-27 | Mt 13, 24-30 |
Lk 13, 6-9 | Mt 25, 1-13 | Mt 25, 14-30
Lk 19, 11-27 | Mk 13, 10