Die Schauspielerin Wieslawa Wesolowska im Gespräch mit Claudia Pabich
Warten hat schon ihre Aufnahmeprüfung an einer Schauspielschule in Berlin geprägt. Sie war für
mittags bestellt und durfte erst um 19.00 Uhr vorsprechen. Das lange Warten hat sie damals sehr
nervös gemacht und zugleich zornig. Sie sagte sich: "Jetzt müssen sie mir zuhören", und so kam sie
eine Runde weiter. Nach weiteren Prüfungen wurde sie in die Schauspielschule aufgenommen.
Erste Auftritte absolvierte sie schon während der Ausbildung. Nach ihrem Abschluss bewarb sie
sich immer wieder um Engagements an diversen Theatern, und immer wieder musste sie auf die
Entscheidungen warten. "Man wird vertröstet. Die Zuständigen hoffen, jemanden zu finden, der oder
die vielleicht noch etwas besser ins Ensemble passt. Man überlegt, ob die Bewerberin bereits zu alt
oder noch zu jung ist. Oder man erhält eine Zusage und lehnt selbst dankend ab, weil man sich nicht
vorstellen kann, an dem besagten Theater zu arbeiten."
Besonders lange Wartezeiten entstehen, wenn Filme gedreht werden. Eine Szene wird oft
zunächst nur ganz grob durchgespielt, dann wird sie aufgeschlüsselt, es erfolgen kleine
Korrekturen, das Licht wird gesetzt. Und dann heißt es wieder warten. "Das Schwierigste ist dann,
die Spannung zu halten und trotzdem ruhig zu bleiben", betont Wesolowska.
Sie selbst bleibt beim Warten gerne in Bewegung, inspiziert die Umgebung und die Gegebenheiten
des Drehs. Sie hat mittlerweile gelernt, sich bei längeren Pausen auch einmal hinzulegen oder etwas
zu lesen. "Am schlimmsten ist, dass man nie weiß, wie lange man auf den nächsten Einsatz warten
muss, zum Beispiel wenn eine Kamera defekt ist und erst Ersatz beschafft werden muss." Einmal hat
sie sechs Stunden gewartet, und dann folgte ein kräftezehrender Nachtdreh.
Den meisten Zuschauern ist nicht klar, wie langwierig der Prozess des Filmens ist. Bei einem
kompletten Arbeitstag kommen oft nur einige wenige Minuten Film heraus. Das gilt besonders für
Kinoproduktionen, bei denen die Technik eine sehr große Rolle spielt. Bei Fernsehproduktionen hängt
es sehr vom Genre ab, wie viel sendbares Material an einem Tag produziert werden kann.
Vor kurzem spielte Wesolowska den "Klassiker": eine Leiche in einem Tatort-Film. "Da lag ich
drei Stunden lang still, bis die gesamte Szene abgedreht war. Es wurden verschiedene Einstellungen
mit den anderen Schauspielern gedreht, und ich wusste nicht, wann ich im Bild war. Ich traute mich
nicht, mich zu bewegen, damit die Haare bei jeder Einstellung gleich lagen. Im fertigen Film
dauerte die Szene dann nur zwei Minuten."
Privat kann sie Wartesituationen gut gestalten. Beim Warten auf Zug oder Bahn etwa macht sie
Gleichgewichtsübungen. Sie denkt sich Biographien zu Menschen aus, die ihr auf dem Bahnsteig
auffallen. Manchmal lauscht sie auch einfach nur den Klängen, die sie umgeben, und sucht in ihnen
nach einem versteckten Rhythmus. "Und wenn ich ganz entspannt bin", verrät sie abschließend,
"erfinde ich beim Warten sogar ein inneres Lied."