Stellvertretend für seine verstorbene Frau machte Rolf K. eine Reise ans Meer. Foto: Privat
Warten auf das Leben oder auf den Tod... die Zeit aktiv gestalten oder die Zeit des Wartens
passiv vorübergehen lassen? Das war für uns die zentrale Frage, sagt Rolf K. im Gespräch mit
Marianne Ricking. Im Frühjahr dieses Jahres hat er seine Frau durch eine Krebserkrankung
verloren.
Rolf K. erinnert sich: "Nicht wissend, was noch auf uns zukommt, wollten wir natürlich aus der
Hoffnung und dem Vertrauen leben, dass es gut wird. Und wir waren überzeugt, dass wir diese Zeit
unendlich und aktiv mit dem Blick auf das Leben füllen können. Nach Aussage des Arztes durften wir
berechtigterweise große Hoffnung dazu haben. Warten war für uns mit dieser Hoffnung verbunden. Wir
konnten noch nicht ahnen, wie viel die kommende Zeit uns beiden und besonders meiner Frau
abverlangen würde."
Nach der Diagnose Anfang vorigen Jahres folgten Krankenhausaufenthalte, Chemotherapien, eine
Reha-Maßnahme – Wartezeiten immer mit Zwischenräumen von Hoffnung, sogar der Zusage, wieder
berufstätig sein zu können.
Aus der Reha-Maßnahme brachte seine Frau die Erfahrung mit, dass der Krebs den Menschen viele
Fähigkeiten nimmt, nicht nur körperliche, sondern auch seelische. Und Rolf K. fragte sich, wie viel
Zeit er selbst braucht, um einen durch die Krankheit veränderten Menschen kennenzulernen und sich
angemessen darauf einzustellen.
Er erlebte, dass sie hoffnungsvoll und mit der Erwartung der Wiederaufnahme ihrer
Berufstätigkeit aus der Reha-Maßnahme zurückkam, und dann mussten beide mit der Nachricht
fertigwerden, dass der Krebs sich weiter ausgebreitet hatte. Die Hoffnung wurde im Warten immer
wieder auf eine harte Probe gestellt. Ihrer beider Perspektive veränderte sich. Seine Frau begann,
sich weniger auf das Weiterleben als vielmehr auf das Sterben einzustellen. Zu Beginn dieses Jahres
veränderte sich ihr gesundheitlicher Zustand beinahe täglich. Auch für ihn war das eine
herausfordernde, harte Zeit.
Sie ging ins Hospiz und bereitete sich aktiv auf ihr Sterben vor. Rolf K. war es wichtig,
alles zu tun, was seiner Frau gut tat. Für ihn war es eine stärkende Erfahrung, dass sie gemeinsam
mit dem Bestatter sprechen konnten und dass seine Frau im Gespräch mit Marianne Ricking die
Gestaltung ihrer Trauerfeier mit Texten und Liedern, die sie sich wünschte, vorbereitete. Sie lebte
aus der Hoffnung und dem Vetrauen. Das wird in einem Text aus dem Buch "Ronja Räubertochter"
deutlich, den sie sich für ihre Trauerfeier gewünscht hatte.
In der Trauerfeier bekundete Rolf K. seine hohe Achtung vor dem Mut und der Stärke, mit der
seine Frau den Tod erwartet hat.
Ihr Traum, zukünftig noch einmal ans Meer zu reisen, erfüllte sich nicht mehr; die Gegenwart
holte sie ein. Ihrem Mann war es ein Anliegen, ihr diesen Wunsch im Nachhinein stellvertretend zu
erfüllen – er machte eine Reise ans Meer.