Herlinde B. (91) und Dr. Willi B. (97) erinnern sich an die besonders gestaltete Advents- und
Vorweihnachtszeit in ihrer eigenen Kinderzeit und daran, wie sie diese Zeit als Eltern von drei
Töchtern gestaltet haben. Im Gespräch mit Ingrid Rasch (Pfarrbriefredaktion) fließen auch die
Erinnerungen ihrer Kinder ein, die sie zuvor angefragt hatten.
"Wir skypen jeden Abend um 18.00 Uhr mit Kindern und Enkeln, mal ein paar Minuten, mal eine
halbe Stunde, ein schönes Ritual", stellt Herlinde B. fest. Von den sieben Enkeln wohnt nur einer
im Haus, die anderen und auch die Kinder leben zum Teil weit entfernt. Auf dem Tisch stehen bei
unserem Gespräch Fotos von den inzwischen fünf Urenkelkindern.
Die Urgroßmutter, die keineswegs so wirkt, wie man sich eine solche gemeinhin vorstellt,
erinnert sich: In der Grundschulzeit (1936 bis 1940) gab es Fleißkärtchen für besonders gute
Leistungen, und in der Adventszeit wurden sie ersetzt durch Strohhalme, die in die Krippe gelegt
wurden, damit das Jesuskind an Weihnachten weich liegt. Auch in der Familie gab es diesen Brauch;
allerdings wurde der Strohhalm täglich auch ohne besondere Vorleistung zur Verfügung gestellt.
Die heimlich gehäkelten Topflappen als Weihnachtsgeschenk gibt es nach 50 Jahren immer noch.
Die inzwischen lange erwachsenen Kinder erinnern sich noch lebhaft und gern an die Adventszeit:
"Keine Zeit war so schön wie die Adventszeit", hörten die Eltern beim aktuellen Telefongespräch.
Jeden Abend wurde eine Geschichte vorgelesen und ein Adventslied gesungen. Plätzchen wurden früh
gebacken, aber in großen Blechdosen aufbewahrt bis Weihnachten. Niemand wäre auf den Gedanken
gekommen, sie bereits in der Adventszeit zu essen – mit Ausnahme des Barbara- und des
Nikolaustages. Geprägt war die Zeit auch von häufigem Üben für das traditionelle Krippenspiel an
Heiligabend in der Kirche.
Die Kinder bastelten Rauschgoldengel oder häkelten heimlich Topflappen als Geschenk. Herlinde B.
erzählt lächelnd, dass sie gerade einen gestopft hat, den sie aus dieser Zeit noch in Ehren
gehalten hat. Und beim papierenen Adventskalender wurden nach Weihnachten sorgsam die Türchen
geschlossen, um ihn im kommenden Jahr wieder zu nutzen.
Die Eltern kauften den Weihnachtsbaum während der Schulzeit der Kinder und deponierten ihn im
Keller. Er wurde in der Nacht vor Heiligabend geschmückt und die Zimmertür verschlossen. Verzaubert
war die Zeit durch geheimnisvolle Rituale. Die Kinder legten den Wunschzettel am Abend auf die
Fensterbank und fanden am Morgen silberne Sterne und ein kleines Schokoladenstück. Engel und
Christkind waren selbstverständliche Realitäten, deren Existenz von den älteren Schwestern bei der
jüngeren nicht in Frage gestellt wurde.
Das selbstverständliche vorfreudige Warten und die Erfahrung des vorausgehenden Verzichts
machten das Fest zu einem intensiven Erlebnis für die ganze Familie. Viele dieser Rituale sind in
der nachfolgenden Generation lebendig geblieben.