Religionsunterricht in meinem Oberstufenkurs an einem Gymnasium. In einem Text kommt das Wort
"Heilsgeschichte" vor, ein sperriges Wort, das in unserer Alltagssprache selten bis gar nicht
verwendet wird. Deshalb frage ich meine Schülerinnen und Schüler, was sie mit diesem Wort
verbinden, was es bedeutet. Zunächst: Schweigen.
Dann fallen langsam Begriffe wie "heil", "heilen", "heilig", "Heil", und wir kommen
miteinander ins Gespräch darüber, was wir jeweils mit diesen Wörtern assoziieren. Vom "Heil“" in
der Naziparole "Sieg Heil" über "nicht mehr kaputt oder zerbrochen, sondern (wieder) ganz und
vollständig", vom "Krankheiten heilen" über "Gott ist heilig" bis hin zur "Fülle" reicht die
Vielfalt der Assoziationen.
Ich spüre: Es ist wichtig, über die Bedeutung von Worten miteinander ins Gespräch zu kommen,
sich darüber zu verständigen, was wir jeweils darunter verstehen, uns zu vergewissern, welche
Bedeutungen für uns mitschwingen, wenn wir ein Wort sagen oder hören – gerade auch (aber nicht
ausschließlich) in der religiösen Sprache. Im gemeinsamen Nachdenken können wir Worte, die uns
fremd (geworden?) sind, neu und für uns verständlich mit Inhalt füllen. Denn nur wer das Wort
versteht, versteht auch die Botschaft!
Diese (Be-)Deutungsarbeit zu leisten ist nicht immer einfach, oft zeitaufwändig, aber äußerst
spannend und lohnenswert, denn sie macht sperrige, zunächst oftmals unverständliche und damit
bedeutungslose Worte (wieder) relevant, weil ich sie für mich in meinen eigenen Worten mit
Bedeutung füllen kann.
Eine Schülerin 'übersetzt' das Wort "Heilsgeschichte" schließlich so: "Damit drückt der Autor
in seinem Text den Gedanken aus, dass wir Menschen Gott nicht egal sind; dass er unsere eigene
Geschichte, aber auch die Geschichte aller Menschen letztlich zum Guten, zur Fülle, führen will."
Ich bin mir sicher, der Autor des Textes würde ihr zustimmen.
Trauen wir uns – auch als Kirche und als Gemeinde – (Be-)Deutungsarbeit zu leisten; so kann
die Botschaft unserer Worte wieder gehört und neu verstanden werden.