Es gibt Worte/Sätze, die Menschen ein Leben lang begleiten – meist im positiven Sinn, manchmal
auch in einer belastenden Weise. Traditionell gibt es in der evangelischen und katholischen Kirche
biblische Texte, die zu besonderen Ereignissen im Leben von ihnen selbst oder anderen gewählt
werden – bei der Taufe, bei der Trauung, bei der Beerdigung… Für evangelische Christinnen und
Christen haben Konfirmationssprüche offenbar eine ganz besondere Bedeutung.
Der Konfirmationsspruch des Vaters hängt über dem Schreibtisch
Anna Quaas, Pfarrerin an der evangelischen Kartäuserkirche:
Der Konfirmationsspruch meines Vaters hängt über meinem Schreibtisch. Der Pfarrer, der meinen
Vater 1955 in Düsseldorf konfirmiert hat, hat ihn für ihn ausgesucht. "Ihr seid zur Freiheit
berufen! Allein sehet zu, dass ihr durch die Freiheit dem Fleisch nicht Raum gebet; sondern durch
die Liebe diene einer dem andern." (Galaterbrief Kapitel 5, Vers 13 in alter Übersetzung)
Mein Vater war ein besonders lebensfroher Mensch. Und ich habe noch im Ohr, was er zu seinem
Konfirmationsspruch gesagt hat: "Ihr seid zur Freiheit berufen" – das hat mir schon als
Jugendlicher gut gefallen. Erst im Laufe meines Lebens habe ich verstanden, dass Freiheit nur echte
Freiheit ist, wenn sie anderen dient und in der Liebe ihr Korrektiv findet. Wenn ich auf den Spruch
gucke, denke ich voller Liebe an meinen Vater mit seinem lebensfrohen, starken, freien Wesen.
Ich habe mir damals meinen Tauf- und Konfirmationsspruch selbst ausgesucht – und, wie viele
Jugendliche jetzt auch, viel Zeit damit verbracht. "Ich will dich segnen und du sollst ein Segen
sein!" (1. Buch Mose Kapitel 12, Vers 2) diesen Taufspruch habe ich als Zusage Gottes über mein
Leben verstanden; und meinen Konfirmationsspruch "Was ihr getan habt einem meiner geringsten Brüder
und Schwestern, das hat ihr mir getan." (Matthäus Kapitel 25, Vers 40) als Aufgabe.
Manche Bibelworte begleiten einen ein Leben lang. Bei meiner eigenen Ordination hat eine
90-jährige Gemeindeschwester mir ihren eigenen Konfirmationsspruch zum Geleit weitergegeben "Es
sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen; aber meine Gnade soll nicht von dir weichen, und der
Bund meines Friedens soll nicht hinfallen, spricht der HERR, dein Erbarmer." (Jesaja Kapitel 54,
Vers 10); das hat mich sehr berührt.
Ihr Pfarrer-Kollege an der Kartäuserkirche
Mathias Bonhoeffer bestätigt die besondere Bedeutung gerade des
Konfirmationsspruches; er war bereits 25 Jahre alt, als er konfirmiert wurde. "Da habe ich
vielleicht mit besonderem Bedacht gewählt, allerdings auch einen besonders langen Text", meint er
schmunzelnd, nämlich das Gleichnis von den Lilien auf dem Felde. (Matthäus Kapitel 6, Verse 25 bis
34)
Taufsprüche werden bei der Kindertaufe naturgemäß von den Eltern gewählt, auf einen
Trau-Spruch müssen sich die Brautleute einigen, und bei der Beerdigung sind es die Angehörigen, die
eine Auswahl treffen. Einige – wenn auch wenige – Menschen legen vor ihrem Tod den Spruch fest,
dessen Aussage und Bedeutung im Mittelpunkt der Trauerfeier stehen soll.
Nach Bonhoeffers Erfahrung wählen die heutigen Konfirmanden (13- oder 14-Jährige)
selbstbewusst und selbstbestimmt einen biblischen Spruch aus, der sie auf ihrem Lebensweg begleiten
soll – "die Mädchen eher Texte, die von Engeln oder von der Liebe handeln, die Jungen eher solche,
bei denen es um Handlung, um Kraft und Stärke geht", hat er festgestellt. Unterstützung bei der
Suche und der Auswahl finden sie auch im Internet unter www.konfirmationsspruch.de.
Konfirmationsspruch in Sütterlinschrift aus dem Jahr 1919
Der Katholik
Martin von Bongardt hält den Konfirmationsspruch – in Sütterlinschrift – seines
Großvaters in Ehren "Kämpfe den guten Kampf des Glaubens, ergreife das ewige Leben, dazu du auch
berufen bist und bekannt hast ein gutes Bekenntnis vor vielen Zeugen." (1. Timoteusbrief Kapitel 6,
Vers 12). Zur Konfirmation im Jahr 1919 wurde dem Großvater dieser Spruch mitgegeben. Dessen
katholischer Vater hatte 1900 eine evangelische Frau in der Jerusalemkirche in Berlin geheiratet.
Die Kinder wurden evangelisch getauft.
Lange Zeit unsichtbar, gewinnt der Denkspruch neue Bedeutung
Jörg Strehlow schreibt auf Anfrage der Redaktion zu seinem Konfirmationsspruch:
Worte, die ein Leben lang begleiten …Gemeint können nur die geschriebenen Worte sein, sie
sind dokumentiert. Die gesprochen Worte sind vergänglich.
Es beginnt mit der Geburt. All die lieben Worte und Liebkosungen bleiben dem Baby nicht
erhalten. Der Taufspruch jedoch ist dokumentiert und hat dadurch die Chance auf eine lebenslange
Erinnerung.
Es folgen Schulzeugnisse, oh Graus!
Die Konfirmation wird mit einem Spruch besiegelt. Diese Worte sollen uns ein Leben lang
begleiten, sollten sie! Zu oft geraten sie aber schon schnell in Vergessenheit. So auch bei mir,
aufbewahrt in einer Plastikhülle in einem Aktenordner.
Gut abgelegt in einem Ordner mit viel wichtigeren Unterlagen, Bewerbungen und Beurteilungen,
Diplomen und Lehrgangsbescheinigungen. Alles wichtige Unterlagen für ein erfolgreiches Berufsleben.
Und als Unterstes die Worte, die mich mein Leben begleiten sollen.
Dann auf einmal sind sie alle nicht mehr wichtig, die wichtigen Unterlagen. Mit Beendigung
des Berufslebens interessieren sie niemanden, führen nur noch ein Eigenleben gut geschützt in einem
Aktenordner. Sie verstauben bis zu der Erkenntnis, dass sie nicht mehr benötigt werden, die ach so
wichtigen Wegbegleiter. Und weg, ab in den Schredder, konsequent!
Und siehe da, da tauchen sie wieder aus der Versenkung auf, die Worte, die mich mein Leben
begleiten, lange Zeit unsichtbar, jetzt erhalten sie wieder den Stellenwert, der ihnen zugedacht
war. Noch bin ich nicht so weit, sie zu rahmen und an einer für mich exponierten Stelle
aufzuhängen. Aber ich arbeite daran. Meine Worte, die eine neue Präsenz erhalten haben durch die
Anfrage, ob ich ein paar Gedanken für den Pfarrbrief schreiben kann, der Konfirmationsspruch
(ausgesucht von Pfarrer Werner). Ob mir das immer gelingt wird sich zeigen. Aber es ist ein Trost
in der schweren Zeit der Pandemie.