Karneval wurde auch in der Beatmungspflege gefeiert.
Es ist Sonntag, der 26. April als mich um 23 Uhr ein Anruf aus der Beatmungspflege erreicht. Die
diensthabende Ärztin teilt mir mit, dass mein Mann gerade verstorben ist.
Seit Mai 2015 war er in der St. Severinus-Beatmungspflege, nahe dem Krankenhaus der
Augustinerinnen.
Täglich war ich viele Stunden bei ihm. In den Jahren ist die Beatmungspflege auch für mich
zum Lebensmittelpunkt, zur zweiten Heimat geworden.
Und dann kam Corona. Sechs Wochen lang konnte ich ihn weder sehen noch sprechen. Unser
Kontakt fuhr sozusagen von Hundert auf Null herunter. Ich habe sehr darunter gelitten, ihn nun so
einsam zu wissen. Hilflos und stumm war ich dieser Kontaktsperre ausgeliefert.
Und jetzt bin ich konfrontiert mit dem Wissen: Er ist tot. Wo Begegnung nicht mehr möglich
ist, fordert die Einsamkeit ihren Tribut, davon bin ich überzeugt. Nach der Nachricht von seinem
Tod fahre ich sofort zu ihm. Ich sitze vor ihm und kann ihn endlich anschauen nach so langen
Wochen. Eine ganze Nacht liegt vor mir, und ich empfinde ihre Dunkelheit nicht als bedrohlich; es
ist geschenkte Zeit für uns beide, eine Zeit, die nur uns beiden gehört. In diesen langen Stunden
spreche ich all das aus, was ich in den vielen Wochen zuvor ihm nicht sagen und erzählen konnte und
durfte. Ich spreche von meiner Freude über unsere gegenseitige Zuneigung und davon, wie sehr ich es
vermisst habe, ihm das vor seinem Tod noch sagen zu können. Die Erinnerung lässt die lange
gemeinsame Zeit lebendig werden. Auch wenn es keine Reaktion mehr gibt, so kann ich doch spüren,
dass wir – wie so oft – in einem Gleichklang sind.
Die letzte Begegnung mit meinem verstorbenen Mann gibt mir Kraft, Vertrauen und Trost
weiterzugehen und ihn in der Erinnerung an meiner Seite zu wissen.
Anneliese S.