Ein Virus prägt aktuell und voraussichtlich noch für lange Zeit unser Leben. Wie gehen wir mit den einschneidenden Veränderungen um? Was vermissen wir (besonders) – im Alltag und auch in der Kirche/ in der Gemeinde – und was gewinnen wir vielleicht? Diese Fragen haben wir uns als Pfarrbriefredaktion gestellt, und wir haben sie anderen gestellt:
Stefanie M. Ich habe die Abendessen in großer Runde mit Freunden vermisst. Während der strengen
Corona-Phase habe ich meine Tochter, die in Berlin wohnt, sehr vermisst. Plötzlich war alles so
weit weg! Auch die Eifel, wo mein Vater lebt. Ich habe auch die Menschen vermisst, mit denen ich
normalerweise bei der Arbeit beim Besucherservice in Sankt Severin rede. Und meine Kollegen.
Inzwischen gibt es wieder mehr Besucher und mehr Gespräche. Das freut mich. Manchmal habe ich
auch das Alleinsein vermisst. Alle waren fast immer zusammen zuhause.
Was mir gut gefallen hat: das langsamere Tempo, die leeren Straßen, der Himmel über der Stadt
ohne Kondensstreifen, die Ruhe, die Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft der Menschen
untereinander, das Gemeinschaftsgefühl, das gemeinsame Zuhause-Sein.
Jan-Peter K. Ich habe nicht damit gerechnet, dass es nach einem halben Jahr Ruhestand so ruhig werden
würde. Versprochen war ein „Unruhestand“ mit neuen Aufgaben in Familie und Gemeinde. So war es auch
im März, als sich der Kalender unvermittelt leerte und ich seitdem einer schützenswerten
Risikogruppe angehöre. Allein vier Fahrten sind ausgefallen oder abgesagt. Als meine Enkelin
Paulina gefragt wurde, was sie in dieser Zeit besonders vermisst, antwortet sie: Mit Opa in die
Kirche gehen. In der Tat war der Kleinkindergottesdienst am Karnevalssamstag auch für mich der
letzte "normale" Gottesdienst.
Hervorheben möchte ich noch, dass St. Severin mit den Wortgottesfeiern auf einem guten Weg
ist, insbesondere weil unsere Pfarrer eigentlich alle zur Risikogruppe gehören und in meinem Beruf
schon lange außen vor wären.
Lilo M. Ich hätte nie gedacht, dass mich das so aus der Bahn wirft! So plötzlich hört alles auf. Ich
habe gedacht, ich stehe ja mitten im Leben mit meinen 85 Jahren, habe noch Erinnerung an den Krieg.
Aber das ist stärker als wir. Ich vermisse den Severiner Seniorenclub und auch den der
evangelischen Gemeinde. Und die Gemeinschaft und das Singen im Chor, das fehlt. Auch wenn wir viel
telefonieren, da fehlt doch der Kontakt. Ich sitze im Garten und würde mich freuen, wenn jemand
anders sich mit mir an den Rosen freut. Die Messe sehe ich mir im Fernsehen an, dazu brennt die
Kerze mit dem Hörnchen aus St. Severin, und ich gehe nie ans Telefon in der Zeit.
Ja, es gibt auch Schönes, ein Nachbarskind hat mir eine Blume gemalt und in den Briefkasten
gesteckt, das hat mich mehr gefreut als wenn es 100 Euro wären. Und meine Nachbarn versorgen mich
liebevoll. Natürlich freue ich mich auch, dass ich einen schönen Garten habe, den ich sehr genieße.
Hoffentlich erlebe ich noch die Zeit, in der das alles vorbei ist.
Ingrid R. Ich vermisse den persönlichen, den direkten Kontakt mit Menschen. Ich vermisse den Austausch
mit Gleichgesinnten in den verschiedenen ehrenamtlichen Gruppierungen und meine Aufgaben darin. Ich
vermisse die gewohnte Form der Gottesdienste und die Gemeinschaftserfahrung darin.
Die Vereinzelung durch die Abstandsregelungen erlebe ich gerade in der Kirche besonders
schmerzlich.
Ich genieße viel unverplante, frei zu gestaltende Zeit, eine besondere Intensität bei den
wenigen möglichen Kontakten. Sehr positiv erlebe ich eine besondere Aufmerksamkeit füreinander,
Hilfsbereitschaft, Freundlichkeit – all das über das persönliche Umfeld hinaus. Ich überlege, ob
hier eine Chance gegeben ist, Selbstverständliches – auch im kirchlichen Kontext – kritisch
anzuschauen, auf den Prüfstand zu stellen und neue Ideen zu entwickeln. Die sonntäglichen Impulse
und vor allem die Orgelmusik mit den Bildbegleitungen waren eine große Bereicherung.
Golda M. Ich vermisse es, mich in großen Gruppen zu bewegen oder an großen Veranstaltungen
teilzunehmen, denn das ist es, was ich an Großstädten liebe. Jetzt muss man Orte meiden, an denen
sich Menschen tummeln, aber eigentlich bin ich sehr gerne von vielen verschiedenen Menschen
umgeben. Kürzlich war ich auf einer der Antirassismusdemos hier in Köln, und das
Gemeinschaftsgefühl, das ich dort gespürt habe, hatte ich vermisst. Außerdem vermisse ich den
Kontakt zu meinen Großeltern. Abgesehen von ein paar Besuchen ohne Körperkontakt im Garten, haben
wir uns noch nicht viel gesehen, was ich sehr schade finde und meine Großeltern auch.
Mittlerweile habe ich aber nun wieder die Möglichkeit, meine Freunde in der Schule, sowie
auch in der Freizeit zu treffen und mit ihnen Zeit zu verbringen, was ja zu Beginn der Coronazeit
nicht möglich war. Ich habe nochmal gemerkt, wie wichtig mir der Kontakt zu Menschen ist.
Niklas S. Im Alltag vermisse ich den Kontakt mit Menschen am meisten, die ich z.B. vom Besucherservice
her kenne, aber nicht nur hier. Abgesehen von der Familie sind meine Sozialkontakte schon weniger
geworden. Ich studiere an der TH Köln. Das gesamte Semester läuft digital. Das kommende
Wintersemester ist ein Praxissemester an einer Bibliothek. Ob das wie geplant ablaufen kann, ist
noch nicht sicher. Es ist schon gut, dass wir heute die Möglichkeit haben über das Internet auch in
Zeiten des Social Distancing Kontakt zu halten. Ersetzen tut das die alten Kontakte für mich aber
nicht.
Den Sonntagsgottesdienst in seiner üblichen Form vermisse ich schon sehr. Das gemeinsame
Singen, den Friedensgruß, die Begegnung mit Menschen ohne Maske. Darauf freue ich mich schon, wenn
das alles wieder möglich ist. Vielleicht kann man der gegenwärtigen
Situation aber auch positiv abgewinnen, dass alles etwas ruhiger und bedächtiger abläuft. Man
achtet mehr auf das, was man tut. Hoffentlich bleibt das uns erhalten.