ERZBISTUM KÖLN  Domradio  Caritas Köln

Brüder: Kain und Abel

Dem einen gelingt alles, was er in die Hand nimmt; der andere scheitert trotz allem Bemühen. Und es sind nicht die Schlechtesten, denen so vieles misslingt. Was ist der Grund für das unverdiente Glück des einen und die Erfolglosigkeit des anderen? Ist es Schicksal, ist es Zufall? Diakon Dr. Barthel Schröder geht dieser Frage nach.

Friedbert Simon (Fotografie), Erich Schickling (künstlerischer Entwurf) 
In: Pfarrbriefservice.de

Kain scheint so ein Pechvogel gewesen zu sein, Abel ein Glückspilz, wenn die biblische Geschichte ernstgenommen wird.
Kain opferte Gott Früchte, die er als Ackerbauer geerntet hatte. Abel opferte als Hirte Erstlinge seiner Herde. Jeder der beiden Brüder brachte also dem Ewigen Erträge seiner Arbeit und doch: "Der Ewige schaute auf Abel und seine Gabe, aber auf Kain und seine Gabe schaute er nicht". Und dies alles, obwohl nur Kain seinen Auftrag buchstabengetreu erfüllte: "Da schickte der Ewige den Menschen aus dem Garten Eden weg, damit er den Erdboden bearbeite".


Nicht Zufall oder Schicksal, sondern das Handeln Gottes ist also der Grund für das unverdiente Glück des einen und für die Erfolglosigkeit des anderen. Liegen hier nicht eine willkürliche Begünstigung des einen und eine ungerechte Zurückweisung des anderen vor?

 

Warum der Ewige so handelt, darauf gibt die Bibel auf den ersten Blick keine Antwort. Sie konfrontiert uns mit einer nicht erklärbaren, rätselhaften Seite Gottes. Die Schriften trauen Gott durchaus zu, dass er auch Böses macht: "Nehmen wir das Gute an von Gott, sollen wir dann nicht auch das Böse annehmen?"

(Hiob Kapitel 2, Vers 10).


Doch die Namen der Brüder ergeben vielleicht Hinweise, die das Handeln Gottes verstehen lassen.

 

Der Name Abel bedeutet im Hebräischen Windhauch, Vergänglichkeit, Nichtigkeit. Wer seine erstgeborenen Tiere opfert, kann nicht sicher sein, ob weitere geboren werden. Das Opfer Abels und die Lebensweise als Nomade zeigen eine gewisse Unabhängigkeit von Besitz.


Im Namen Kain schwingen zwei Bedeutungen mit: "erwerben" und "Lanze". Wer sesshaft geworden ist, verteidigt nicht nur sein Land, sondern versucht es auch zu erweitern. Ernten dienen sehr schnell nicht nur dem Eigenbedarf, sondern werden zur Anhäufung von Besitz herangezogen. 

 

Wissenschaftlich wurde nachgewiesen, dass das Sich-Bekriegen mit der Sesshaftigkeit aufs Engste verbunden ist. 
Sesshaftigkeit als Streben nach Besitz und Reichtum verführt zu Gewalt, wie der Fortgang der Geschichte zeigt. Die Gewalt steigert sich in den auf Kain folgenden Geschlechtern, so dass es am Ende heißt: "durch sie (die Menschen) ist die Erde voller Gewalttat" (Genesis Kapitel 6, Vers 13). Und daran hat sich bis heute nichts geändert.

 

Entgegen der Erwartung straft Gott den Kain nicht. Die für ihn negativen Folgen ergeben sich direkt aus seiner Tat. Wer sich an der Gesellschaft versündigt, muss ohne sie leben: "Rastlos und ruhelos wirst du auf der Erde sein". Erde, auf der Blut vergossen wurde, wird auf Dauer wertlos: "Wenn du den Erdboden bearbeitest, wird er dir keinen Ertrag mehr bringen". 


Dass die Geschichte von Abel und Kain etwas über das Heute erzählen will, ergibt sich aus dem Fortgang der Erzählung. Kain wird zum Gründer einer Stadt. Die Bedeutung seines Namens als "Lanze" weist daraufhin, dass auf ihn wichtige Berufe zurückgehen, die für die kulturelle Entwicklung bedeutsam sind: Schmied, Metallarbeiter …

 

Wenn die Bibel auf diese Weise den kulturellen Fortschritt der Menschheit auf den Mörder Kain zurückführt, so will sie uns dazu anhalten, über die damit verbundene Gewalt nachzudenken und alles zu unternehmen, dass sie abnimmt: "Wenn du gut handelst, darfst du aufblicken; wenn du nicht gut handelst, lauert an der Tür die Sünde. Sie hat Verlangen nach dir, doch du sollst über sie herrschen".

 

Barthel Schröder

Zum Seitenanfang Seite weiterempfehlen Druckversion Kontakt  Barrierefrei Datenschutz  Impressum