Verantwortung – ein Spagat?
Allem und allen gerecht zu werden ist manchmal nicht möglich, stellt Barbara E. fest und versucht den Spagat zu meistern zwischen Kindern, Partner, Beruf und drei alt gewordenen Elternteilen.
Was bedeutet es, innerhalb einer Familie Verantwortung zu übernehmen? Als ich gefragt wurde, ob ich zu diesem Thema etwas für den Pfarrbrief beisteuern würde, habe ich zwar spontan ja gesagt, mich dann aber durchaus schwer getan, etwas aufs Papier zu bringen. Vordergründig gibt es sicher Familien, die einer sehr viel höheren Belastung durch zu pflegende Angehörige ausgesetzt sind. Trotz des Alters dreier Elternteile, meine Eltern mit 82 und 87 Jahren sowie mein Schwiegervater mit 90 Jahren, ist noch niemand schwer pflegebedürftig.
Meine Eltern waren seit jeher Unterstützer in allen Lebenslagen für mich. Sei es in meiner
Kindheit und Jugend, als sie mir zahlreiche Hobbies und Erfahrungen ermöglichten, oder später im
Erwachsenenalter. Ich konnte immer auf sie zählen, insbesondere in Bezug auf Kinderbetreuung. In
Zeiten von 6-wöchigen Schulferien haben die Ferienfreizeit bei den Großeltern sogar Freunde unserer
Kinder mitgemacht.
Unsere drei Kinder sind jetzt groß (19, 21 und 23 Jahre) und aus dem Gröbsten raus, nun
erfordert die ältere Generation mehr Aufmerksamkeit und Zuwendung.
Nach einem langen und ausgefüllten Berufsleben sind meine Eltern im Rentenalter in ihre alte
Heimat in der Eifel gezogen und haben dort schöne Jahre bei guter Gesundheit verbracht. Vieles
können sie noch immer selbstständig bewältigen, ich stelle jedoch immer häufiger fest, dass manche
Dinge einfach nicht mehr alleine gehen und sie nicht aktiv um Hilfe bitten wollen, um mich nicht zu
belasten. Daher versuche ich aufmerksam auf kleinere Anzeichen und Bemerkungen zu reagieren und
manche Dinge aktiv selbst in die Hand zu nehmen.
Und so bin ich nun in der Situation, meine Berufstätigkeit mit intensivem Zeiteinsatz, mein
Leben in der Kleinfamilie (zwei unserer erwachsenen Kinder wohnen noch zu Hause) sowie diverse
sonstige Verpflichtungen mit immer häufiger werdenden Fahrten in die Eifel zu vereinbaren. Dabei
ging es bisher noch um in erster Linie rein praktische Unterstützung, beispielsweise bei der
Gartenarbeit, bei diversem Schriftverkehr, Begleitung zu Ärzten etc. Die gesundheitlichen
Rückschläge werden, insbesondere bei meinem Vater, zahlreicher und uns allen wird deutlich vor
Augen geführt, dass die gemeinsame Zeit immer weniger wird. Durch die altersbedingten
Einschränkungen ist mein Vater auf die Hilfe meiner Mutter angewiesen und in letzter Zeit merke
ich, dass auch sie damit langsam überfordert ist, wodurch durchaus auch Konflikte entstehen. Mir
wird also immer klarer, dass es mit rein praktischer Hilfe nicht getan ist. Insbesondere die
psychische Belastung von Menschen am Lebensende erfordert weit mehr. Es ist an der Zeit, die
Zuwendung und Unterstützung, die meine Eltern mir seit jeher gewährt haben, zurückzugeben. Es geht
nicht mehr länger nur darum, im Garten zu helfen oder den lästigen Schreibkram zu erledigen,
sondern es geht darum, Zeit miteinander zu verbringen. Es geht darum zuzuhören, auch wenn man die
Geschichte bereits kennt, gemeinsam zu lachen und zu weinen, Erinnerungen auszutauschen und
aufzufrischen und vor allem darum, die Eltern ins soziale Leben einzubinden. Mir ist wichtig, diese
Verantwortung zu übernehmen. Meine Familie unterstützt mich dabei so gut es geht. Dafür müssen
andere Dinge auch mal liegen bleiben, es ist einfach manchmal nicht möglich, allem gerecht zu
werden.
In absehbarer Zeit wird die Belastung durch körperliche Einschränkungen größer werden, davor
graut mir ein wenig. Ich bin froh, dass meine Eltern sehr klar gemacht haben, dass sie nicht von
uns körperlich gepflegt werden möchten, dies soll, wenn notwendig, durch professionelle Hilfe
erfolgen und wir haben da bereits erste Kontakte aufgenommen.
Früher, als mehrere Generationen einer Familie noch unter einem Dach wohnten, war dies sicher
undenkbar. Heute hat sich das gewandelt und es ist gut, dass es eine Wahl zwischen Pflege durch
Angehörige und durch Pflegedienste gibt. Die emotionale Zuwendung durch nahe stehende Angehörige
kann jedoch kein Pflegedienst ersetzen und so hoffe ich, meine Eltern noch lange begleiten zu
können und ihnen nie das Gefühl zu geben, eine Belastung zu sein.