Zu den ältesten Erinnerungen im Neuen Testament gehört, dass Jesus in seinem Heimatdorf Nazareth
keine Wundertaten vollbringen konnte (Lukas-Evangelium Kapitel 4, Verse 21-30). Und das war von
Anfang an den an ihn Glaubenden ein Dorn im Auge, weil absolut unverständlich. Es konnte doch nicht
sein, dass Gott – in diesem Jesus von Nazareth den Menschen nahe gekommen – gerade an diesem Ort
ohnmächtig war.
Doch wodurch wurde Gott in Nazareth ohnmächtig? Welches Verhalten der Menschen nahm Jesus
seine Möglichkeiten?
Die Bewohner von Nazareth hatten ihr Bild von Gott. Es konnte nicht angehen, dass gerade in
diesem Sohn eines Zimmermanns, dem man nicht viel zutraute, Gott den Menschen nahe gekommen war.
Hinter diesem Verhalten verbirgt sich letztendlich das, was die Bibel Unglaube nennt.
Fehlender Glaube nimmt Menschen jede Möglichkeit, Gott als den zu erkennen, der er für sie
ist und sein will. Und nichts anderes als das will Lukas sagen:
Der Unglaube der Menschen ist Gottes Ohnmacht. So war es in Nazareth, so ist es auch heute
noch.
Im Ersten Testament ist uns eine bemerkenswerte Erzählung überliefert: die Geschichte des
Ringkampfes zwischen Jakob und seinem Gott am Fluss Jaboq. Gott konnte dieser Erzählung nach Jakob
nicht überwinden, obwohl der Kampf die ganze Nacht über dauerte. Dass Gott sich beim Ringen
zurückgehalten, Jakob geschont habe, davon ist nicht die Rede. Die Erfahrung der Ohnmacht Gottes
den Menschen gegenüber ist also nicht neu.
Gott kann Menschen nicht zwingen, auf ihn zu hören, er kann nur immer wieder seine Hand
reichen. Diese Ohnmacht Gottes den Menschen gegenüber ist im Menschen selbst begründet. Gott schuf
mit dem Menschen ein echtes Gegenüber, zu dem von Ihm aus eine personale Beziehung möglich ist.
Dazu verlieh er ihm die Freiheit zu eigenen Entscheidungen. Die Freiheit des Menschen bindet auf
Erden immer wieder Gottes Hände. Mit Gott verwurzelt, werden genügend Menschen die Welt in Seinem
Sinne verändern und verwandeln.
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Barthel Schröder