Auslöser für die Ausbildung der christlichen Vorstellung vom "allmächtigen" Gott ist der
Gottesname El-Shaddai: "Ich bin Abraham, Isaak und Jakob als El-Shaddai erschienen, aber unter
meinem Namen Jahwe habe ich mich ihnen nicht zu erkennen gegeben" (2. Buch Mose 6, 3). Die
Bedeutung von Shaddai ist bis heute nicht befriedigend geklärt. Die Übersetzung des Wortes
El-Shaddai in der griechischen Übersetzung des Alten Testamentes (sog. Septuaginta) mit
"Allmächtiger" hat bereits im frühen Christentum dazu geführt, Gott diese Eigenschaft
zuzusprechen.
Wenn die Bibel von der Macht Gottes spricht, dann sieht sie in ihm nicht einen, der alles
kann, sondern einen, dessen Macht alles unterstellt ist. Dahinter steht der Gedanke, dass seine
Zuneigung und Freundschaft zu Israel als seinem Volk durch keine andere, größere Macht besiegt oder
zerstört werden kann. "Deshalb setzten sie auf diese Macht all ihre Hoffnung, nicht aber, weil sie
meinten, Gott könne alles möglich machen, wenn er nur wolle" (so der Theologe Limbeck).
Gott ist und will nach biblischer Überzeugung nicht Herr der Geschichte sein, weil er die dem
Menschen von ihm verliehene Freiheit respektiert und ernst nimmt. Daher ist nicht "Wo war Gott in
Auschwitz?" zu fragen, sondern "Wo war der Mensch in Auschwitz?". Die Freiheit des Menschen hat da
ihre Grenze, wo es um den Heilswillen Gottes geht. Gott hat die Macht und übt sie auch aus, seinen
Heilswillen in der Geschichte gegen jedweden Widerstand durchzusetzen.
Die Macht Gottes ist keine abstrakte Fähigkeit oder gar Willkür, denn sie ist getragen von
Güte und Liebe: "Eines hat Gott gesagt, zweierlei habe ich gehört: Bei Gott ist die Macht; Herr,
bei dir ist die Huld" (Psalm 62, 12).
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Barthel Schröder