Die erfahrene Fachkraft – sie hat viele Jahre die Palliativ-Station eines Krankenhauses geleitet
– stellte schon in jungen Jahren fest, dass sie keine Berührungsängste mit dem Tod hat. Sie erfuhr
es bei der Begleitung einer Sterbenden während ihres Freiwilligen Sozialen Jahres oder beim Tod
ihrer Großmutter. "Viele Menschen wünschen sich einen schmerzarmen, schnellen Tod. Aber Sterben ist
ein Prozess, wie ein Heranreifen, jeder Sterbende braucht seine Zeit." Manche todkranke Menschen
sagen ihr auch, dass sie noch nicht so weit sind, schon zu gehen.
Kommt jemand neu in das Hospiz, lautet die erste Frage an ihn: "Was möchten Sie, dass wir für
Sie tun?" Es geht darum herauszufinden, welche Ressourcen die Menschen noch haben, um ihr Leben
noch selbst mitgestalten zu können. Erhalt der Lebensqualität, medizinische Betreuung und
Symptomkontrolle spielen dabei eine wichtige Rolle.
Manche Menschen sind froh, im Hospiz zu sein, sie fühlen sich gut aufgehoben. Im Hospiz ist
man zu Gast, die Patienten sind "Gäste" – das wird auch deutlich im Begriff "palliativ" – das
bedeutet ummantelt. Viele aktivieren Kräfte, um noch einmal etwas zu unternehmen oder etwas
Besonderes zu erleben. Der "Wünschewagen" des Arbeiter-Samariter-Bundes hilft dabei, solche
Unternehmungen zu ermöglichen.
Manche Menschen werden in ein Hospiz verlegt ohne aufgeklärt zu sein, was das überhaupt ist.
Sie denken es gehe darum, ein wenig "aufgepäppelt" zu werden. "Hier gilt es", so Barbara Wissen,
"ihnen die Hoffnung nicht zu nehmen und gleichzeitig die Wahrheit zu leben". In wenigen Fällen
gelingt es tatsächlich, dass Patienten in einer stabilen Situation das Hospiz verlassen, um noch
eine Zeitlang in ihrer gewohnten Umgebung, in einem Heim oder bei ihren Angehörigen zu leben.
Ein Hospiz ist nicht nur ein Ort der Traurigkeit. Es wird viel gelacht, erzählt, und alle
Feste im Jahreskreis – auch Karneval – werden gefeiert. Zwischen Patienten und den pflegenden
Fachkräften entstehen durch die intensive Pflege nicht selten sehr vertrauens-volle Beziehungen.
Gute Verbindungen können auch zwischen den Patienten entstehen. Barbara Wissen: "Wenn dann jemand
stirbt, der einem ans Herz gewachsen ist, ist man schon traurig, und das darf auch sein. Es ist gut
und wichtig zu spüren, dass Gefühle gelebt werden wollen. Einen Sterbenden gut zu begleiten, ist
eine Bereicherung für das eigene Leben."
Das Augenmerk des Pflegepersonals gilt oft den verzweifelten und hilflosen Angehörigen der
Sterbenden. Für sie ist es zum Beispiel schwer zu verstehen, dass die Sterbenden in ihren letzten
Tagen nicht mehr essen wollen. Die Aufgabe des Personals liegt dann darin, auf eine behutsame Weise
herauszufinden, was die Angehörigen gerade brauchen und sie im Schmerz des Abschieds zu begleiten.
Ist ein Patient verstorben, gibt es ein Abschiedsritual, an dem neben den Fachkräften auch die
Angehörigen teilnehmen können. Andere Bewohner nehmen, wenn sie es wünschen und dazu in der Lage
sind, ebenfalls teil und werden dabei intensiv betreut.
Wer im Hospiz hauptamtlich arbeitet, hat sich bewusst für dieses besondere Arbeitsfeld
entschieden, in dem die individuelle und ganzheitliche Pflege besonders wichtig ist. Unterstützt
werden die hauptamtlich Tätigen von Ehrenamtlern. Voraussetzung für ein ehrenamtliches Engagement
ist die Teilnahme an einem speziellen Ausbildungskurs. An diesem kann man nur teilnehmen, wenn der
Tod eines Angehörigen mindestens ein Jahr zurückliegt, damit die eigene Trauer nicht in die
Betreuung einfließt.
In der Leitungsposition hat Barbara Wissen nicht mehr so häufig wie früher engen Kontakt zu
den Patienten. Sie sieht den Schwerpunkt ihrer Aufgabe nun darin, die besondere Atmosphäre des
Hauses mitzugestalten und dafür Sorge zu tragen, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – auch
die ehrenamtlichen – ihre Stärken in der Arbeit entfalten können.
BU: