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Lass das Mädchen mal machen …

Alice Baker (55) spricht mit Ingrid Rasch von der Pfarrbriefredaktion über Macht und Ohnmacht als Chefin und als Frau in einer männlich geprägten Firmenwelt sowie über ihre Erfahrungen als Vorsitzende der "ABC-Aktionsgemeinschaft rund um Bonner Straße/Chlodwigplatz e.V.":

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Sie haben vor einem Jahr die "Macht" abgegeben und die Führung des Karosseriebetriebes mit 15 Mitarbeitern allein ihrem Neffen überlassen, mit dem Sie zuvor gemeinsam die Firma geleitet haben. Der Betrieb wurde 1920 gegründet von ihrem Großvater. Dessen beide Söhne, also Ihr Vater und Onkel, leiteten die Firma nach seinem Tod. Seit 2001 war sie zuerst gemeinsam mit ihrer Schwester Chefin des Männerbetriebes, 2010 kam dann ihr Neffe dazu. Jedes Jahr gibt es zwei Auszubildende; die Mitarbeiter sind fast ausnahmslos langjährig tätig. Lassen Sie uns zuerst über die Firma sprechen. Wie sind Sie in die Firma hinein gekommen?


Das ist eine spannende Geschichte - ich bin da irgendwie reingerutscht. Der Betrieb war immer auch Familie und die Familie der Betrieb. Meine Eltern und auch mein Onkel waren ganz klar der Meinung, dass bestimmte Dinge für Frauen nicht vorgesehen sind, einfach unweiblich. Ich war schon als Jugendliche sehr groß, und meine Mutter fürchtete, ich könnte schon deshalb keinen Mann finden (lacht), und als ich dann als 15jährige auch noch unbedingt im Betrieb arbeiten wollte, stieg ihre Sorge noch mehr.


Alles war sehr patriarchalisch geprägt, eben entsprechend dem Rollenbild der Zeit. Ich wollte und durfte dann aber doch in der Werkstatt arbeiten als Jugendliche, aber die Mitarbeiter damals haben mich gnadenlos auflaufen lassen, da habe ich deutlich meine Ohnmacht gespürt; und ich war auch das harte körperliche Arbeiten nicht gewöhnt. Ich habe dann schließlich eine kaufmännische Ausbildung gemacht, meine Schwester eine Banklehre.
Mein Vater starb sehr früh – als ich 17 Jahre alt war; die Leitung des Betriebes ging dann an die Mutter über, die keinerlei kaufmännische Vorkenntnisse besaß, wohl aber durchsetzungskräftig war, wenn es um das Wohl der Familie ging. Da dann auch der Onkel bald darauf erkrankte und starb, musste sie das Ruder übernehmen.

 

Wie war dann später der Start in der Leitungsverantwortung für Sie?


Ich musste mich sehr durchsetzen, und das war nicht immer einfach. Ich hatte drei Mankos: Ich war jung, ich hatte keine Fachausbildung und – das Schlimmste – ich war ein Frau! Man traute mir nichts zu und agierte etwas gönnerhaft nach dem Motto "Lass das Mädchen mal machen". Zudem waren Mutter und Tante so etwas wie graue Eminenzen im Hintergrund und haben mit Argusaugen geschaut, wie ich das mache.

 

Und wie sind Sie damit umgegangen?


Ich habe versucht, das strategisch klug zu nutzen und bin gelegentlich verschlungene Wege gegangen, um ans Ziel zu kommen. Manchmal habe ich mich einfach unwissend gestellt, um einem Mitarbeiter die Gelegenheit zu geben, sich mit seiner Erfahrung und seinem Fachwissen einzubringen. Mit meiner Schwester war das Arrangement komplikationslos. Ihr Part war die buchhalterische Seite. Wir haben uns gut ergänzt. Als mein Neffe 2010 dazu kam, waren wir aber akzeptiert – bei Mitarbeitern, Kunden und Kollegen.

 

Wie war das für Sie, die Leitung schon mit 54 Jahren abzugeben?


Die Erfahrung, dass meine Mutter nicht gut loslassen konnte, hat mich bestärkt, nach 30 Jahren im Betrieb mich für den Abschied ganz bewusst zu entscheiden und ihn zu gestalten. Ich habe das als Chance gesehen, neuen Ideen mit freiem Kopf nachgehen zu können. Zudem bin ich in der Verbandsarbeit aktiv geblieben.

 

Sie sind ziemlich früh in die Verbandsarbeit eingestiegen …


25 Jahre alt war ich damals. In der lokalen Innungsvertretung waren Frauen ein absolutes "No-Go"; dann wurde ich aktiv im Dachverband (Zentralverband Karosserie- und Fahrzeugtechnik), auch da gab es keine einzige Frau. Allerdings wurden da auch Menschen akzeptiert, die nicht Handwerker/innen waren. Ich konnte immer gut zugeben, wenn ich etwas nicht wusste, das hat mir geholfen. Zuerst hatte ich einen Wahnsinnsrespekt vor den männlichen Kollegen. Manche hatten das Talent, einen glauben zu machen, sie leiteten einen 100-Mann-Betrieb, dabei hatten sie eine kleine Hinterhofwerkstatt. Ich habe mir mit den Jahren meinen Platz erkämpft – dabei ging es mir immer um die Sache, um das zu erreichende Ziel; vielleicht ist das eher auch die weibliche Perspektive.

 

Seit 2011 sind Sie Vorsitzende des ABC e.V., ein Verein mit 75 Mitgliedern, der gerade sein 10jähriges Bestehen feiert. Wie ist es da mit Macht und Ohnmacht und der Frauenrolle?


Da geht es nicht um Macht, es gibt keine Hierarchie, und die Frage von Frau oder Mann spielt keine Rolle. Es geht mehr darum Interessen zu bündeln, Kompromisse zu finden, sicher auch mal darum, etwas auszufechten. Dann gibt es allerdings bei Frauen schnell die Zuschreibung "krabitzig" zu sein oder eine Xanthippe; das stelle ich leider immer mal wieder fest.

Ohnmächtig fühle ich mich in dieser Rolle an manchen Punkten – so hat sich etwa das Verbraucherverhalten durch die Online-Käufe sehr geändert. Ohne Macht bin ich auch, wenn einzelne Mitglieder bei Aktionen nicht dabei sein wollen, und es sind dann Aktionen, die nur gut sind, wenn alle mitmachen.

 

Der soziale Aspekt in diesem e.V. liegt Ihnen am Herzen …


Ja, seit ich im Vorstand bin, vertrete ich das intensiv. Nach meiner Vorstellung geht es allen gut, wenn es dem Viertel gutgeht, und dazu gehört auch soziale Gerechtigkeit. Die Arbeit des Kinder- und Jugendzentrums Elsaßstraße zum Beispiel liegt uns am Herzen, ebenso wie die Arbeit des Bürgerhauses Stollwerck oder des Vringstreffs…. Die Verbundenheit der Bewohner mit dem Viertel ist nicht mehr so intensiv wie früher. Da braucht es "Nachhilfe", und ich freue mich, dass die ABC dabei unterstützen kann.

 
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