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Weihnachtsgeschichte – ein Märchen?

Die biblische Kindheitserzählung ist eine gläubige Meditation, meint Diakon Dr. Barthel Schröder. Keinesfalls gehört sie in das Reich der Märchen, auch wenn sie vom Autor Lukas frei "erfunden" wurde.

<em>Die Könige sind schon da – Krippe in St. Severin vor einem Jahr; ©SilviaBins</em>
Die Könige sind schon da – Krippe in St. Severin vor einem Jahr; ©SilviaBins  

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Betrachtet man den Text genauer, so fällt zunächst einmal auf, dass Lukas die Erzählung von der Geburt des Johannes (Lukas 1, 57-66) und von der Geburt Jesu (Lukas 2, 1-21) regelrecht komponiert hat. Der Aufbau ist in beiden Fällen der gleiche: Freude über die Geburt (bei den Eltern – vom Himmel her), ein Lobgesang, Beschneidung und Offenbarung der Person (Johannes als Prophet, Jesus als Retter) und ein Abschluss über das Heranwachsen der beiden. Dies gilt übrigens in gleicher Weise für die Verkündigung beider Geburten (Lukas 1, 5-25 [Johannes] bzw. 1, 26-38 [Jesus]).


Eine Komposition verfolgt aber ein Ziel, möchte in der religiösen Literatur eine bestimmte Glaubensaussage zum Ausdruck bringen. Diese Aussage wird bei aller Gleichheit des Aufbaus schrittweise durch die unterschiedlichen Inhalte entwickelt:

  • durch eine besondere Bedeutung Mariens, da sie vor Josef, Zacharias aber vor Elisabeth genannt wird,
  • durch die Betonung der Einhaltung der Gesetze auf Seiten des Johannes und der Herausstellung der Gnade Gottes bei Jesus.
  • Erhört Gott bei Johannes die Gebete seiner Eltern, so ergreift Gott bei Maria selbst die Initiative,
  • durch die Feststellung eines schuldhaften Unglaubens bei Zacharias, der bestraft wird, und einen fragenden Glauben bei Maria,
  • durch Zeugung und Geburt des Johannes auf natürliche, irdische, bei Jesus hingegen auf übernatürliche, himmlische Weise,
  • durch menschliche Freude über die Geburt des Johannes und einer vom Himmel kommenden bei Jesus,
  • durch Betonung einer menschlichen Größe bei Johannes, der eine göttliche Dimension bei Jesus gegenübersteht,
  • durch die begrenzte, vorläufige, vorbereitende Aufgabe des Johannes, während die Sendung Jesu hingegen ewig währt.

Und alle diese Schritte führen zu der Kernaussage: Johannes gehört zu den Propheten, Jesus hingegen ist der König der Endzeit, der lang ersehnte und erwartete Messias: "Er wird über das Haus Jakob herrschen und seine Herrschaft wird kein Ende haben". (Lukas 1,33)


Lukas untermauert seine Glaubensaussage mit Anspielungen auf das Alte Testament. Hierzu reichten einzelne Worte oder Formulierungen aus, denn die damaligen Menschen kannten ihre Bibel aus den Gottesdiensten sehr genau.
Josef zieht hinauf nach Juda in die Stadt Bethlehem und Maria bringt dort ihren Sohn zur Welt, weil es doch beim Propheten Micha über den Messias heißt:

"Aber du, Betlehem-Efrata, so klein unter den Gauen Judas, aus dir wird mir einer hervorgehen, der über Israel herrschen soll ... der auftreten wird in der Kraft des Herrn, im hohen Namen Jahwes, seines Gottes." (5, 1-4).

Um ein weiteres Beispiel zu nennen:

Jesus muss als Messias auf freiem Feld bei den Hirten geboren werden, weil Micha schreibt: "Jetzt musst du hinaus aus der Stadt, auf freiem Feld musst du wohnen ... Dort wirst du gerettet, dort wird der Herr dich loskaufen."

 

Lukas versteckt eine Anspielung sogar in einem Zahlenspiel:

Von der Verkündigung an Zacharias bis zur Verkündigung an Maria sind es sechs Monate (180 Tage), von der Verkündigung an Maria bis zur Geburt Jesu neun Monate (270 Tage) und von der Geburt Jesu bis zur Darstellung im Tempel vierzig Tage. Dies ergibt eine Gesamtsumme von 490 Tagen (180 + 270 + 40 = 490 = 70 x 7 Tage).

Im Buch Daniel ist das so beschrieben:

"Achte also auf das Wort und begreife die Vision! Siebzig Wochen sind für dein Volk und deine heilige Stadt bestimmt, bis der Frevel beendet ist, bis die Sünde versiegelt und die Schuld gesühnt ist, bis ewige Gerechtigkeit gebracht wird." (9, 23 ff).

 

Die Kindheitsgeschichte des Lukas ist keine historische Darstellung und auch kein Märchen. Sie ist eine Meditation über das Mysterium der Herkunft Jesu und seiner Bedeutung für die Menschen. Historisch gesichert sind nur der Name der Mutter Jesu und der Wohnort der Familie in Nazareth.

Barthel Schröder

 
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