"Denn wenn et Trömmelche jeht, dann stonn mer all parat …"
Ich gebe zu, der Klang eines Trömmelchens reizt mich wenig.
Aber was mich in der fünften Jahreszeit magisch anzieht, sind die Klänge einer Lyra – dieses
Instrument, das aussieht, als würde man ein überdimensionales Xylophon verkehrt herum halten.
Der Klang der Lyra ist warm und freundlich, dabei jedoch gleichzeitig so durchdringend, dass man
ihn noch mehrere Straßen weit weg wahrnimmt.
Während der Session begegnet die Lyra einem ab und an im ganz normalen Alltag, wenn die
Spielmannszüge der Garden durch die Stadt ziehen. Und natürlich "am Zoch" Rosenmontag. Ohne
Spielmannszüge und Kapellen kann ich ihn mir gar nicht vorstellen!
Um so befremdlicher erscheinen dann Ideen dazu, Kapellen und Spielmannszüge aus dem
Rosenmontagszug herauszustreichen, um insgesamt zu kürzen.
Aber die Zeiten ändern sich. Als ich klein war, gab es Dinge im Fastelovend, die unverrückbar
erschienen: das Gruppenkostüm der Familie und Freunde zum Beispiel, dessen Mini-Ausgaben jedes Jahr
neu genäht wurden, weil wir Kinder die Eigenschaft hatten zu wachsen.
Kostüme waren selbstgenäht, Punkt, anders konnte ich mir das lange nicht vorstellen. Ich
erinnere mich gut daran, dass ich mich fast geschämt habe, als ich nach Auszug von zu Hause das
Kleid, das die Grundlage für mein Meerjungfrauen-Kostüm bilden sollte, im Second-Hand-Laden fertig
kaufte, um es hernach ausführlich zu dekorieren, weil ich es selbst nicht hätte nähen können.
Heute ist "fertig kaufen" schon lange kein Makel mehr; es gibt große Geschäfte, die je nach
Preislage sogar sehr ordentliche Qualität bieten.
Neuzugezogenen brachte ich zu Jugendzeiten "en janze Hääd Leedcher" bei, schließlich wurden
in den Kneipen völlig andere Dinge gesungen als auf Sitzungen oder am Zugwegrand. In letzteren
Fällen galten zudem verschärfte Bedingungen: da sang niemand vor, sondern da musste man anhand der
Melodie (für echte Experten: anhand eines maximal drei Töne umfassenden Intros!) erkennen, ob man
"Ritsch-Ratsch, de Botz kapott" singen sollte oder "Agrippina Agrippinensis".
Mitsingen gehört auch heute noch als ein wesentliches Element dazu, aber häufig genug kommt die
Musik dazu vom Band.
Natürlich sind nachbearbeitete Studio-Aufnahmen schöner anzuhören als eine grölende Gruppe
Menschen, die zeitgleich mindestens doppelt so viele Tonarten von sich gibt wie Mitsänger vorhanden
sind.
Trotzdem sind immer noch die Momente eindrucksvoller, in denen man sich einfach spontan
zusammenfindet und dem Gefühl des Fastelovends singend Ausdruck verleiht.
Die Momente, in denen man den strömenden Regen nicht bemerkt, weil man zu sehr darin versunken
ist, singend "Et Meiers Kättche" anzuschwärmen, "Rollbrett" zu fahren oder darüber zu fabulieren,
was wäre, "wenn das Wasser im Rhein gold'ner Wein wär".
Die Bewegung "Loss mer singe" hat in den vergangenen Jahren viel dazu beigetragen, dass kölsche
Musik wieder bewusster gesungen wird. Wer einmal beim "Einsingen" war und die Diskussionen der
Zuhörer rund um die Neuvorstellungen der Session miterlebt hat, wird danach selbst mit anderen
Ohren zuhören. Auch älteres Liedgut wird wieder in den Fokus gerückt; Texthefte als Mitsinghilfe
sind mittlerweile üblich und werden dankbar angenommen.
Der Fastelovend verändert sich, so wie sich die Menschen verändern, die ihn gestalten. Aber
er ist und bleibt ein Volksfest. Ein Fest, das durch die Menschen lebt.
Immer noch gibt es für die Pänz am Zugwegrand eine Extraportion Kamelle und für die "lecker
Mädcher" ein extra Strüüßje oder Bützje. Immer noch bildet man für ein paar Stunden auf der Straße
eine feiernde Gemeinschaft.
Ob man den Piraten oder den Clown, zwischen denen man gerade schunkelt, morgen bei Tageslicht
noch wiedererkennt, wenn man ihnen im Supermarkt begegnet, ist sekundär. Was zählt, ist der
Moment.
Intensiv erlebte Momente bilden den Vorrat der Erinnerungen, aus dem heraus man ein wenig
melancholisch mitsingt "Och, wat wor dat fröher schön doch en Colonia" und gleichzeitig im Stillen
darauf hofft, "dat der Ärjer vun hück – un dat jeiht flöck – die joode, ahle Zick vun morje
es".
In diesem Sinne:
Kölle Alaaf!
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Inga Rapp