Wir Menschen brauchen den Alltag, die Routine, das Gewohnte, das Vertraute, das "Normale".
Genauso aber brauchen wir Feste, Ungewohntes und Ungewöhnliches, Überraschungen, das Unnormale, die
Unterbrechung des Zeitenlaufs.
Besonders bei Ehevorbereitungsgesprächen erlebe ich oft, wie intensiv Brautleute sich auf ihr
Fest vorbereiten, sich auf das Fest freuen, gespannt sind auf angekündigte Überraschungen, die
Vorfreude genießen können.
Wir brauchen das: Feste zu feiern und feste zu feiern – anlässlich der Freude über eine
Geburt in der Taufe, einer sich festigenden Liebe bei der Hochzeit, bei Geburtstagen, Jubiläen, an
Weihnachten und Ostern, im Karneval und manchmal auch einfach so – ohne besonderen Anlass. Wir
brauchen die Unterbrechung, von der Jüngel spricht; sie tut uns gut, und wir brauchen sie, um
Abstand von unserem Alltag zu gewinnen, Kraft zu schöpfen und mit neuen Ideen, zufrieden und
(hoffentlich) glücklich, den Alltag neu zu gestalten.
Nur Alltag wäre trist, aber nur Feste feiern wird irgendwann langweilig und öd.
Ich hörte mal den schönen Satz: "Man muss Karneval so feiern, dass man den Aschermittwoch
herbeisehnt."
In der Bibel wird viel gefeiert: Vom Sabbat über die drei Wallfahrtsfeste Pessach, Wochenfest
und Laubhüttenfest bis zu Purim, dem Tempelweihefest Chanukka, Rosch ha-Schana (Neujahr) bis zum
Jom Kippur, dem Versöhnungstag. Immer war ganz Israel eingeladen, ja aufgefordert, gemeinsam zu
feiern. Dies hat auch Jesus immer wieder getan – zuerst mit seiner Familie, dann in seinem
Freundeskreis. In Lukas 7,34 wird er ob seiner Festfreude gar ein "Fresser und Säufer" genannt.
Allerdings gehört es zur biblischen Botschaft dazu, dass immer wieder daran erinnert wird:
Zum gemeinsamen Feiern gehören auch die Armen, die Fremden und alle, die es sich nicht leisten
können. Und es gibt auch prophetische Kritik, wenn vor allem kultische Feiern nicht in Einklang
stehen mit einem alltäglichen Leben, das den Armen und Schwachen im Blick hat. Am deutlichsten hat
es Amos ausgedrückt: "Ich hasse eure Feste, ich verabscheue sie und kann eure Feiern nicht riechen.
Wenn ihr mir Brandopfer darbringt, ich habe kein Gefallen an euren Gaben und eure fetten Heilsopfer
will ich nicht sehen. Weg mit dem Lärm deiner Lieder! Dein Harfenspiel will ich nicht hören,
sondern das Recht ströme wie Wasser, die Gerechtigkeit wie ein nie versiegender Bach."
(5,21-24)
Alles hat seine Zeit – und das ist gut so: Alltag und Festtag, "Normales" und Unterbrechung,
Feiern und innerliches sowie äußeres Aufräumen. Wir sollten uns das Feiern nicht vermiesen lassen.
Aber wir sollten auch die nicht aus dem Blick verlieren, denen nicht nach Feiern zumute ist. Dann
dürfen wir ohne schlechtes Gewissen unsere Feste genießen im Jüngel’schen Sinne: "Von Zeit zu Zeit
soll die Zeit anders sein. Von Zeit zu Zeit ist ein Fest an der Zeit, das den Lauf der Zeit
unterbricht."