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Ein Haus voll Musik

Inga Rapp, selbst musikbegeistert und als Sängerin und Flötistin Mitglied der Severiner "Hauskapelle", erkundet im Herz-Jesu-Seniorenzentrum, eines der vier Altenheime in unserer Gemeinde, welche Rolle das Singen dort spielt.

 

<em>©SilviaBins. Im Seniorenzentrum wird der Singkreis mit dem Akkordeon begleitet .</em> ©SilviaBins. Im Seniorenzentrum wird der Singkreis mit dem Akkordeon begleitet .

"Der Mai ist gekommen", klingt es in den großen, gemütlich bepflanzten Hof hinein. Der Wintergarten ist voll; etwa zwanzig Bewohnerinnen und Bewohner des Seniorenzentrums Herz Jesu haben sich versammelt, um gemeinsam zur Akkordeonbegleitung zu singen. "Der Singkreis findet einmal monatlich statt", erläutert Maria-Theresia Böhm, die Leiterin des hauseigenen Sozialkulturellen Dienstes. Musikalische Besuche in den Zimmern oder Wohnbereichen gibt es häufiger, auch im Rahmen der Aktivierungsgruppen wird gesungen.


"Wir haben zur Zeit 91 Bewohnerinnen und Bewohner, davon mehr als 50% demenzkrank, Tendenz steigend", so Böhm. Schon lange ist bekannt, dass Musik bei Demenz lindernd wirken kann. Klänge, Rhythmus und Melodie beeinflussen das Schmerzempfinden, können beruhigen, entspannen und so für mehr seelisches Gleichgewicht sorgen. Böhms Kollege Edward Grabosz erzählt von einer Situation, in der es im Raum sehr unruhig war. "Wir haben dann das Radio aus- und eine Kassette angemacht – und sofort beruhigte sich alles. Wenn man die Musik spielt, mit der sich die Menschen wohlfühlen, dann ist es wie zu Hause sein."


Im Haus gibt es regelmäßig musikalische Veranstaltungen. Traditionsfeste wie Weihnachten und Karneval fallen darunter, aber auch der 1. Mai. Sonntags gibt es alle zwei Wochen Live-Untermalung vom Klavier zur Kaffeezeit. Auch die hauseigene Kapelle wird regelmäßig für Konzerte genutzt. Die Bewohnerinnen und Bewohner nehmen gerne auch an Veranstaltungen außerhalb des Hauses teil, etwa am Karneval in St. Severin oder den Tanznachmittagen einer nahegelegenen Tanzschule. Da das Budget für Musiker begrenzt ist, ist entsprechendes Engagement notwendig. "Zur Zeit haben wir eine größere Gruppe Klassik-Fans", erzählt Maria-Theresia Böhm. "Glücklicherweise gibt es jemanden, der sehr bewandert ist in diesem Bereich und daher einmal monatlich eine Veranstaltung 'Abenteuer Klassik' anbieten kann."


Gerade das Singen von Liedern knüpft an Erinnerungen und kann Emotionen auslösen. Häufig sind es die Lieder der eigenen Kindheit und Jugend, die berühren. "Musik kann Freude auslösen, etwas erlebt zu haben, aber auch Trauer darüber, dass etwas nicht mehr geht", so Böhm. Für sie ist es wichtig, genau zu beobachten, was wie wirkt. "Man möchte natürlich vermeiden, dass negative Erinnerungen auftauchen, aber die Menschen und ihre Geschichten sind individuell – nicht immer ist erklärlich, was konkret nun der Auslöser für eine auftauchende Emotion gewesen ist." Kriegserlebnisse spielen nur eine geringe Rolle. "Ein einziges Mal in all den Jahren ist es passiert, dass eine Bewohnerin sehr heftig auf 'Oh Du schöner Westerwald' reagiert hat. Und es gibt natürlich Lieder, die wir gegebenenfalls stoppen, wenn sie jemand anstimmt, etwa 'Schwarzbraun ist die Haselnuss'. In diesen Situationen lenkt man dann freundlich zu einem anderen schönen Lied, z.B. 'Die Gedanken sind fre'. Das ist bei uns auch sehr beliebt."


Manchen fällt das Mitsingen zunächst schwer, sie trauen sich nicht. Böhm lächelt herzlich: "Wir sagen immer: 'Bei uns darf auch gebrummt werden.' Wenn einmal der erste Anfang gemacht ist, dann verbessert sich erstaunlicherweise viel." Und sie erzählt von der Bewohnerin, die völlig überrascht war, dass sie sich noch an die dritte Strophe eines längst vergessen geglaubten Liedes erinnern konnte. "Sie war richtig stolz auf sich selbst."


Welche Stücke gesungen werden, etwa im Singkreis zum Akkordeon, wird für jeden Termin neu zusammengestellt. Böhm dazu: "Die individuellen Vorlieben der Bewohnerinnen und Bewohner sind bekannt, jeder soll auf seine Kosten kommen können." So stehen neben Volksliedern und jahreszeitlich angepasstem Liedgut – im Moment Mai-Liedern – auch Schlager der 40er und 50er Jahre auf dem Plan. Und natürlich ist Kölsches sehr beliebt. "Ostermann steht ganz oben auf der Liste, außerdem die Bläck Fööss", so Grabosz, "aber auch die neuen Produktionen kommen hier gut an." Dann grinst er: "Ich habe einen Traum. Ich möchte noch erleben, dass hier Pink Floyd und Dire Straits gespielt werden."

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