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Hoffnung auf Erlösung?

Symbole haben auch die Funktion, offen zu sein und zu öffnen für eigene Deutungen, Assoziationen und Gedanken. Christoph Schmitz entfaltet seine Gedanken zum "Großen liegenden Christus" von Franz Gutmann in der Kirche St. Maternus.

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  <em>Anfangs lag das Gutmann-Kreuz noch im Eingangsbereich von St. Maternus - nun liegt es dauerhaft im Hochchor. ©SilviaBins</em> Anfangs lag das Gutmann-Kreuz noch im Eingangsbereich von St. Maternus - nun liegt es dauerhaft im Hochchor. ©SilviaBins

In Sankt Maternus liegt das Kreuz am Boden. Das christliche Symbol schlechthin ist hier nicht erhöht, schwebt nicht über allem und jedem, sondern liegt am Boden, zerstört, auseinandergefallen, zweigeteilt, der Körper auf den Querbalken lediglich abgelegt. Ein riesiger alter Baum ist hierfür gefällt worden. Die Spuren sind auf dem Querbalken deutlich sichtbar: Die Messer der Kettensäge haben den Stamm zu einem Vierkant zurechtgeschnitten, sich ins Holz hineingefressen. Der Körper dagegen ist fast liebevoll bearbeitet, gerundet, geglättet. Die Maserung des Holzes gleicht den geschwungenen, wellenförmigen Linien eines Fingerabdrucks. Diese Figur hat eine Haut.

<em>©SilviaBins</em> ©SilviaBins

Die Füße allerdings mit ihren zehn fast gleich großen Zehen liegen brav übereinander und wirken fast plump – volkstümliche Einfachheit, naive Schlichtheit, von den Qualen der Folter keine Spur, bis auf das Loch im Fußspann, wo der Nagel fehlt. Die Tortur ist überstanden, der Leichnam vom Kreuz abgenommen. Wobei die Beine nur bis auf Kniehöhe ausgearbeitet sind, der Körper ist nur angedeutet, abstrahierte Wirklichkeit. So bleibt die Gestalt des Gekreuzigten ein wenig versteckt, als wolle er sich einerseits nicht ganz offenbaren, und als habe andererseits den Künstler eine gewisse Scheu davon abgehalten, deutlicher zu werden - um der Sache nicht zu nahe zu treten, nicht aufdringlich zu werden, ein Geheimnis zu wahren? Oder mangelte
es ihm an Zuversicht? Oder ist ihm dieses Symbol, dieser Christus letztlich ein Rätsel?
Einen Bauchnabel hat der Bildhauer dennoch gewagt. Doch etwas Wesentliches nicht: die Arme. Dieser Jesus hat keine Arme. Er hat nichts mehr zum
Ausbreiten und Austrecken. Der menschgewordene Gott kann in Sankt Maternus die Welt nicht mehr umgreifen, umfassen, umarmen, wie das Kreuzsymbol seit je gedeutet worden ist. Dabei steckt in diesem riesigen und massiven Körper doch so viel Kraft, Ruhe und Erhabenes: Die wie gekämmt wirkenden Linien der stilisierten Bartspitze zeugen davon, romanische Königswürde. Aber es ist eben nur der halbe Bart, die untere Hälfte. Denn das Antlitz ist verdeckt, verhüllt, von einer Dornenkrone ohne Dornen, als sei sie vom Schädel ins Gesicht gerutscht, ein Geflecht, das das Haupt des Gekreuzigten umschlingt wie Schlangen.
Wo ist hier noch Hoffnung auf Erlösung? Wollte der Künstler möglicherweise nichts über den Gekreuzigten sagen, sondern darüber, was wir Christen aus dem Gekreuzigten und dem Symbol des Kreuzes und den Symbolen der Liturgie gemacht haben und machen?

 

Der Bildhauer Franz Gutmann (geb. 1928 im Münstertal, Meisterschüler von Ewald Mataré) hat den "Großen Jesus" 1989 und 1990 aus zwei Eichen geschlagen. Zunächst lag die fünfeinhalb Meter lange und fast einen Meter breite liegende Holzskulptur im Eingangs-bereich von St. Maternus. Im Jahr 2007 kam sie als Leihgabe von Groß St. Martin in die Südstadt. Inzwischen ist sie dauerhaft in St. Maternus beheimatet und hat ihren Platz im Chorraum der Kirche gefunden.

 

 
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