Mehrschichtigkeit und Zwischenräume
Regina Kochs gehört zu unserer Gemeinde. Sie engagiert sich beispielsweise im Kinderliturgiekreis. Die Künstlerin ist studierte Architektin. Heute verbindet sie diese Profession mit ihrer Kunst. In ihrem Atelier unterhalten wir uns über Symbole in ihrer Arbeit. Die Unterhaltung ist eine bewegte, denn immer wieder springen wir von unseren Stühlen auf, um uns Gemälde, Entwürfe und Modelle von Nahem anzuschauen.
Was ist für Dich ein Symbol?
Den Begriff Symbol kann man ganz eng auslegen, dann landet man beispielsweise bei
Verkehrsschildern. Fasst man ihn weiter, stößt man auf wiederkehrende Formen mit unterschiedlicher
Sinnhaftigkeit. Ein Kreis zum Beispiel ist auf sich selbst bezogen, im Gegensatz zum Oval, das eine
Richtung hat. Ein Kreis tritt erst in der Menge in Beziehung zu anderen.
Ich arbeite gerne mit Mehrschichtigkeit. Große Kreise, darüber eine Schicht kleinerer Kreise
und noch eine... Am Ende bleiben nur noch wenige Leerstellen auf der Leinwand übrig, wo keine Farbe
ist. Aber genau diese weißen Restflächen sind relevant. Da ist ein Durchblick, da ist Offenheit, da
ist Tiefe erlebbar. Die Zwischenräume sind das Wichtige.
Du machst auch Kunst am Bau. Welche Rolle spielen hier Symbole?
Malerei ist eine Kunst, die weitgehend für sich steht, ihr Bezugsraum ist ihr eigener
Bildraum, ihr eigenes Format. Kunst am Bau hat darüber hinaus einen Bezug zur Architektur und zu
den Nutzern der Räume, deswegen entwickele ich die Entwürfe immer speziell für den jeweiligen Ort
und die Aufgabe.
Ort und Thema sollten sich in der Kunst verbinden. Beispielsweise habe ich eine
Mehrzweckhalle gestaltet, die zwischen zwei kleinen Orten steht. In dieser Halle treffen die
Menschen aus beiden Orten aufeinander. Ich habe also mit Linien gearbeitet in der Außenfassade.
Diese Linien laufen von beiden Seiten auf die Eingangstür zu und vereinigen sich im Foyer. Solche
Bilder geben Orientierung und Identifikation.
Immer wieder kehren wir beim Betrachten von Regina Kochs Werken zu einer Raumgestaltung zurück: dem Lichthof in der Justizvollzugsanstalt (JVA) München-Stadelheim.
Hier ist ein Gerichtssaal für Hochsicherheitsprozesse neu gebaut worden. Der Saal hat am Ende
ein großes Fenster, das aber nicht nach draußen führt, sondern lediglich auf einen Lichthof. Das
heißt, vom Richtertisch aus guckt man durch die Glaswand auf eine nackte Betonwand. Diesen Bereich
habe ich gestaltet.
Hier ergab sich die Möglichkeit, mehrschichtig zu arbeiten und die Ebenen räumlich zu
trennen. Über die Betonwand laufen bunte, geschwungene Linien. Die Glasflächen zum Saal hin sind
mit einer weißen, durchscheinenden Folie über-zogen, in die ihrerseits geschwungene Linien
geschnitten sind, durch die man das Muster auf der Betonwand klar erkennen kann. Die Idee dahinter
war Platons Höhlengleichnis. Das Leben ist bunt, das wird durch die verschiedenen Farben und
Stärken der Linien ausgedrückt. Aber die Wahrheit scheint häufig zunächst verschleiert. Doch je
näher man herangeht, je mehr man sich selber bewegt, desto freier wird der Durchblick auf das
Ganze. Mir ist es wichtig, so zu gestalten, dass ein Raum umgedeutet und neu definiert werden kann.
Kunst kann die Wahrnehmung von Räumen verändern.
Wählst Du die Symbole, die Du verwendest, vorab?
Nein. Ein Kunstwerk entwickelt sich, ich schöpfe und wähle aus der reichen Symbolpalette aus
und irgendwann stellt sich das Gefühl ein, "so ist es gut", "dieser Entwurf ist stark" oder "das
ist in sich stimmig."
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Das Gespräch führte Inga Rapp
Bildergalerie unter: www.reginakochs.de