Ohne Pauken und Trompeten
Die Pfarrbriefredaktion (Diakon Dr. Barthel Schröder) sprach mit Pastor Johannes Quirl über die Wiedereröffnung von St. Severin.
Diakon Dr. Barthel Schröder: Nach zweieinhalbjähriger Bauzeit und nach Investition von 7,5 Millionen Euro wurde die Severinskirche durch ein Klopfen an der Kirchentür wiedereröffnet – ohne rotes Band und ohne großen Empfang, ohne Pauken und Trompeten. Warum diese so andere Form der Eröffnung?
Pfarrer Quirl:
Wir wollten eine Eröffnung wählen, die den Menschen und der Bedeutung der Kirche gerecht
wird. Die Kirche hatte und hat viele Funktionen:
eine bedeutende romanische Kirche, Marktkirche, die dem Veedel, der Hauptstraße und der
Brücke ihre Namen gab, Ziel von Kunstliebhabern, ein Ort, wo auch Kirchenferne mit dem Aufstellen
einer Kerze sich an Gott wenden können, und nicht zuletzt ist sie seit mehr als 1600 Jahren
ununterbrochen Mitte einer lebendigen Pfarrgemeinde. Sie lädt – täglich geöffnet – alle
Menschen zum Eintritt ein. Die Antwort auf die Frage, für wen öffnen wir die Kirche, sollte die
Gestaltung der Wiedereröffnung bestimmen.
Zwei Wochen lang war die Kirche nach der Wiedereröffnung für alle Besucher ohne Bänke
zugänglich. War das Absicht?
Nach der langen Bauzeit sollten die Besucher eingeladen werden, sich die Kirche wieder
anzueignen. Ohne die Bänke wird der Kirchenraum in besonderer Weise erlebbar – als Raum des
Gottesdienstes, als Ausstellungsort für Kunstwerke, als romanisches Bauwerk durch die
Wiederherstellung der Steinsichtigkeit und ursprünglichen Buntheit, erlebbar gemäß unserem Glauben
als Ort des Lichtes durch ein neues Lichtkonzept.
Wie spiegelte sich in der besonderen Form der Eröffnung die für alle offene Kirche
wider?
Die "banklose" Zeit in ihrer Gesamtheit war ja die Feier der Wiedereröffnung. Und in dieser
Zeit wurden vielfältige Veranstaltungen für unterschiedliche Gruppen von Menschen angeboten: für
Gläubige, Kirchenferne, Musik-, Literatur- oder Kunstinteressierte, für Wohnungslose, Schulkinder,
evangelische Mitchristen, für Senioren, Kleinkinder mit ihren Eltern und Jugendliche;
Menschengruppen, die alle zu St. Severin gehören, und von denen wir keine missen möchten.
Waren Sie sich des Risikos bewusst, gerade an einem Feiertag, der durch das verlängerte
Wochenende die Menschen geradezu zum Verreisen einlud, St. Severin wiederzueröffnen?
Viele Menschen haben an der Renovierung von St. Severin mitgearbeitet. Da bot sich der 1. Mai
als Gedenktag Josefs, des Arbeiters, für eine Eröffnung an. Sowohl beim Eröffnungs- gottesdienst
als auch beim abendlichen Evensong kamen zu unserer großen Freude weit mehr Menschen als wir
erwartet hatten. Es hat sich gelohnt, das Risiko einzugehen.
Zu einer gelungene Feier gehört auch Essen und Trinken. Wie war das bei der Wiedereröffnung
von St. Severin?
Eine Stärkung zwischen Evensong und Lichtinstallation am ersten Tag, Gemütliches
Beisammensein mit Brot und Käse nach dem ökumenischen Gottesdienst, Imbiss in der Krypta für die
Wohnungslosen nach einem bewegenden Stations-Gottesdienst, Bewirtung der Senioren und
Gemeindefrühstück rundeten die Veranstaltungen ab. Für alle beteiligten Handwerker wird es, wie es
wie schon einmal während der Bauphase, zum Dank ein Essen im Kreuzgang geben. Dies alles wurde von
unterschiedlichen Menschen geplant und organisiert, ein Zeichen, wie bunt und lebendig die Gemeinde
St. Severin ist.
Wie war die Reaktion auf diese Form der Wiedereröffnung?
Entgegen den Bedenken, die während der Konzeptions- und Planungsphase immer wieder diskutiert
wurden, zeigen die überaus positiven Kommentare der Besucher, dass wir den richtigen Weg
beschritten haben. Ein sicheres Zeichen ist auch die Tatsache, dass in den beiden Wochen tausende
Besucher innerhalb und außerhalb unserer Gottesdienste und Veranstaltungen in unsere Kirche kamen,
eine bessere Resonanz hätten wir uns nicht vorstellen können. 42 Ehrenamtler standen allein während
der beiden Wochen in der Kirche als Ansprechpartner zur Verfügung.
Und wie wurde die renovierte Kirche aufgenommen?
Einhellige Meinung war, dass sich der große Aufwand mehr als gelohnt hat. Die lichtvolle,
steinsichtige, "banklose" Kirche hat nicht nur den Kirchenraum neu erfahren lassen, sie hat auch
die Erfahrung der Glaubensgemeinschaft, der communio, intensiver erleben lassen und neue
Denkanstöße gebracht. Die am meisten geäußerte Bemerkung lautete: "Ihr wollt doch jetzt nicht die
Bänke wieder aufstellen …" Hier kommt etwas ins Gespräch, was Kirchenvorstand und
Pfarrgemeinderat nun intensiv beschäftigen wird. Es freut mich, dass diese Diskussion in Gang
gesetzt ist. Denn dahinter steht die Frage: Wie können wir im wahren Sinn des Wortes den heutigen
Menschen im Veedel "Raum geben" für ihre Anliegen.