Allein den Betern kann es noch gelingen ...
... das Schwert ob unsern Häuptern aufzuhalten. So schreibt der Dichter Reinhold Schneider im Jahr 1936*. Ein Satz von bedrückender Aktualität.
Momentaufnahme "Ewiges Gebet 2010". Einige pflichtbewußte Beter(innen!) und die Küsterin
verlieren sich im leeren Kirchenraum.
Es stellte sich die Frage: Tradition aufgeben oder verändern?
Wer möchte, kann ein Kärtchen mit einer Gebetszeit mitnehmen.
Der Grundgedanke des Ewigen Gebetes, durch alle Kirchen eines Bistums im Laufe eines Jahres eine fortwährende Gebetskette zu knüpfen, hatte immer mehr an Bedeutung verloren. Was noch in der Mitte des vorigen Jahrhunderts eine lebendige Tradition war, vor dem ausgesetzten Allerheiligsten fortwährend zu beten, büßte immer mehr seinen Sinn als Ausdruck der Frömmigkeit ein.
Die bisherige Form, einzelne Gebetsstunden von bestimmte Gruppierungen (Frauen, Männer, Kinder, Ordensleute …) gestalten zu lassen, wurde nur noch vom Pflichtbewusstsein einiger weniger Menschen getragen. Die großen Anliegen von Kirche und Welt, aber auch die persönlichen Anliegen vor Gott zu tragen, ist nach wie vor ein innerer Beweggrund gläubiger Christen.
"Tradition ist nicht die Bewahrung der Asche, sondern die Weitergabe der Glut" heißt es im Editorial. 24 Stunden vor Gott – unter dieser Überschrift entfachte sich die Glut des Gebetes in einer veränderten Gestalt im Jahr 2011 neu und wird seither alljährlich so begangen: 24 Stunden am letzten Sonntag des Kirchenjahres (von Samstag 18 Uhr bis Sonntag 18 Uhr) werden aufgeteilt in 96 viertelstündige Gebetszeiten, die nicht in der Kirche, sondern im Alltag der Menschen stattfinden. Diese Zeiten (auf Kärtchen notiert) können sich die Gemeindemitglieder von einer großen Tafel nehmen, die zwei Wochen zuvor in den Kirchen steht. Wer möchte, kann seinen Namen dort notieren mit der Gebetszeit. Diese Gebetskette in der Gemeinde findet einen in der letzten Stunde gemeinsamen Abschluss in der Kirche zum Gebet vor dem geöffneten Tabernakel. Daran schließt sich die abendliche Eucharistiefeier an.
Die Erfahrung der letzten sechs Jahre zeigt: Alle Kärtchen werden mitgenommen, manche Gebetszeiten sind "doppelt besetzt", und gerade die nächtlichen Zeiten gehen erstaunlich schnell weg. Und das sagen Menschen zu ihren Erfahrungen:
Ich habe lange nicht mehr mit so vielen Leuten über das Beten geredet.
Ein feierliches Gefühl, in der Nacht sich umgeben zu wissen von unentwegtem Gebet in der Nähe, wie eine Woge, auf der man getragen wird.
Es war wunderbar, sich mit anderen Menschen im Gebet verbunden zu wissen.
Ich habe mit vier Menschen gemeinsam am Telefon gebetet, das war wunderbar.
Ich habe mit meinem sechsjährigen Kind gebetet, das war sehr innig.
Ich wäre nie auf die Idee gekommen, jemanden zu fragen, ob er mit mir in eine Betstunde geht, aber hier hatte ich Lust zu fragen, wer mit mir gemeinsam betet.
Es betet ja immer einer auf der Welt, aber es ist schon was Besonderes, wenn es in der Nähe um einen herum geschieht.
Die Zeit ist so schnell vergangen, ich habe viel länger gebetet als vorgesehen.
Ein bisschen komisch war es, so zwischen zwei Krimis als Paar am Tisch zu sitzen und zu beten, mit den Kindern haben wir das früher gemacht, als sie klein waren.
*Erste Zeilen eines Gedichtes, das Reinhold Schneider 33-jährig schrieb. Quelle nicht ermittelbar