Der Laden brummt. Jede Hand wird gebraucht. Reiner Hütten, der Chef, hat seine Augen überall,
packt an, wo es nottut. Trotz erkennbarer Aufgabenfülle ist er aufmerksam und freundlich zu den
Kunden und auch zu mir. Dafür, dass er mich trotz Verabredung ein wenig warten lassen muss,
entschuldigt er sich mehrfach, aber er wird wirklich gebraucht. Undenkbar, dass ich in dieser
Wartezeit "trocken" da sitze; und Kuchen ohne Sahne geht wirklich nicht – keine Widerrede!
Mein Blick schweift durch die Bäckerei und fällt auf vielfältigen Sternsingersegen der
letzten Jahre, daneben ein kleines Kreuz mit riesigen Palmzweigen – am Segen scheint viel
gelegen, geht mir durch den Kopf.
Vielfalt ist unverzichtbar
Jetzt hat Reiner Hütten Zeit für unser Gespräch. Tradition weiterzuentwickeln, das scheint ihm
auf den Leib geschrieben zu sein. Der 47jährige Bäcker- und Konditormeister ist auch Betriebswirt
und verantwortlich für sechs Filialen. In dreien gibt es eigene Backstuben; von dort werden die
anderen beliefert. Der Familienbetrieb hat 1871 klein begonnen und sich immer weiter entwickelt,
nicht ohne Rückschläge und Probleme.
Reiner Hüttens Mutter verstarb früh, da war er 15jährig noch in der Lehre. Der Vater starb
2015 und hatte sich da schon lange aus dem Geschäft zurückgezogen. Hüttens Ehefrau Rita stammt auch
aus einer Bäckerei, aber ob die drei Söhne des Paares die Bäckertradition der Eltern weiterführen,
ist noch völlig offen.
"Als ich Kind war, da gab es Oberländer und Blatz und Eifeler und zwei oder drei Sorten
Brötchen, das war es dann."
Keine einfache Zeit war die Ausbildung im eigenen Betrieb. "Da lernt man viel über die
Menschen." Nach weiteren beruflichen Qualifizierungen konnte er dann als Bäckermeister seine
eigenen Ideen entwickeln, umsetzen und das kleine Sortiment der Vergangenheit erheblich erweitern
und immer wieder erneuern. "Wer sich nicht auf Neues einstellt, ist weg vom Markt", davon ist der
Brotspezialist überzeugt. In den letzten 30 Jahren habe er eine "Extra-Schiene" gebaut mit
Produkten, die es nicht an jeder Ecke gibt, zum Beispiel der Agrippinastange, dem Maternusbrot oder
Walnussvollkornstangen ... Darauf ist er ebenso stolz wie auf einen Wettbewerb in einer
Fernsehsendung, bei der die Bäckerei als Sieger in NRW hervorging.
'Mit Kindern backen ist am schönsten', sagt Reiner Hütten.
Mit leuchtenden Augen erzählt Hütten davon, dass schon seit 20 Jahren Grundschulkinder in der
Adventszeit zwei Tannenbäume vor einem seiner Läden schmücken. Zum Dank lädt er sie ein, mit ihm
gemeinsam in der Backstube zu backen. Dann geht es quirlig und lebhaft zu, wenn bis zu 50 Kinder in
der Backstube werkeln. Ihm liegt am Herzen, dass Kinder diese Handwerkstradition kennenlernen und
dass das Brot in der Bäckerei nicht vom Fließband läuft, sondern jeder einzelne Laib von Hand
geformt wird. Qualität, die man schmeckt. Diese gute Erfahrung der Kinder in Deutz würde er gern
auch in der Südstadt lebendig machen.