Gott schütze dieses Haus
Sachsenring 30 - 1944 bis 1946 - Helga M. (Jahrgang 1937) erinnert sich ...Tomaten und Bohnen wachsen da, wo einmal das Dachgeschoss war, und nach Rückkehr des
Familienvaters aus dem Krieg erweitert sich die Plantage um Tabakpflanzen.
Die Fassade des Hauses hält dem letzten großen Bombenangriff im Oktober 1944 stand, aber das
Haus ist nur noch zur Hälfte notdürftig bewohnbar, fehlende Fenster werden ersetzt durch Papier und
Sperrholz, überall stehen Schüsseln und Eimer, um den durchtropfenden Regen aufzufangen. In allen
Räumen herrscht drangvolle Enge, weil immer wieder Flakhelfer einquartiert werden und ausgebombte
Familien Zuflucht finden. Vier Betten, eine Couch und ein Schrank im Schlafzimmer, da schlafen
Eltern, Kinder und Oma; wenn Besuch kommt, wird nochmal zusammengerückt, dann reicht es für die
doppelte Zahl.
"Aber wir waren privilegiert", sagt Helga M. "Rechts und links von uns war alles dem Erdboden
gleichgemacht. Wir hatten noch das Haus, wenn auch stark beschädigt, und wir hatten unsere Möbel,
unser Geschirr, unsere Kleidung …"
Wasser im Haus gibt es nicht zu dieser Zeit, es muss an einer Pumpe am Posthof geholt werden.
Dorthin kommen morgens all die Leute, die in den Kellern der Nachbarhäuser Unterschlupf gefunden
haben. "Jeder war froh, vier Wände um sich herum zu haben, selbst wenn es im Keller war. Jeder half
jedem so gut er konnte." In der Kriegszeit war Anweisung, zwischen den Kellern der Häuser
Durchbrüche zu machen (der Blockwart wachte darüber), sodass man unterirdisch mit den Nachbarn
verbunden war.
Der Giebel des Hauses am Sachsenring. ©SilviaBins
Auch an das "Fringsen" erinnert sich Helga M. Sie als Kleinste wurde auf die Güterwagen gehoben und warf die Briketts nach unten, wo die Größeren sie mit Handwagen abtransportierten. "Einmal setzte sich der Zug in Bewegung, und ich obendrauf. Erst am Eifeltor kam er zum Stehen. Irgendwie habe ich es geschafft, den mir völlig unbekannten Weg nach Hause zu finden."
Trotz aller Einschränkungen und Entbehrungen hat Helga M. viele positive Erinnerungen an ihre
Kinderzeit. Auch die, dass ihre Mutter in späteren Jahren den Spruch an der Hausfassade "Gott
schütze dieses Haus" vergolden lassen wollte aus Dankbarkeit. Aber es war dann doch zu teuer
…