Welchen Stellenwert, welche Bedeutung hat das Danken in der Bibel?
Dieser Frage geht Diakon Dr. Barthel Schröder nach.
Das ständige Danke sagen der Westeuropäer ist für die Menschen in seiner Wahlheimat Indien
– so der Schriftsteller Martin Kämpchen – völlig unverständlich. Geschenke an die
Kinder, Handreichungen am Tisch, Antworten auf gestellte Fragen, Unterstützungen und Tipps sind für
sie etwas so Selbstverständliches, dass sie in ihren Augen kein Wort des Dankes bedürfen.
Auch das Alte und Neue Testament kennen unser Danke sagen nicht.
Im Alten Testament ist der Adressat des Dankes ausschließlich Gott. An keiner einzigen Stelle
wird einem Menschen gedankt. Vielleicht hat deswegen in der hebräischen Sprache auch das Wort für
"danken" zugleich und vorwiegend die Bedeutung von "preisen, loben". Parallel zum Dank an Gott
folgt daher in den Psalmen stets ein anderes Wort, das ein Loben ausdrückt: "Ich will dir danken in
großer Gemeinde, vor zahlreichem Volk dich preisen" (Psalm 35).
Die 38 Stellen, an denen im Neuen Testament das Wort "danken" vorkommt, zeigen ein ähnliches
Verständnis. Bis auf zwei Ausnahmen bezeichnet das Wort ausschließlich den Dank an Gott. Sehr
deutlich wird dies in den Briefen des Apostels Paulus: "Ich danke Gott jederzeit euretwegen für die
Gnade Gottes, die euch in Christus Jesus geschenkt wurde" (1. Brief an die Korinther) bzw. "Darum
danken wir Gott unablässig dafür, dass ihr das Wort Gottes, das ihr durch unsere Verkündigung
empfangen habt, nicht als Menschenwort, sondern als Gottes Wort angenommen habt" (1. Brief an die
Thessalonicher).
Eine der beiden Bibelstellen, die auf den ersten Blick nicht in dieses Schema zu passen
scheinen, fügt sich indirekt doch in dieses Bild ein. Wenn der vom Aussatz Geheilte Jesus dankt
(Lukasevangelium 17,16), so zeigt die Frage Jesu "Ist denn keiner umgekehrt, um Gott zu ehren
…?", dass der Dank des Mannes eigentlich Gott gilt. Die Bemerkung des Paulus am Ende seines
Briefes an die Römer: "Grüßt Priska und Aquila, meine Mitarbeiter in Christus Jesus, die für mich
ihr eigenes Leben aufs Spiel gesetzt haben; nicht allein ich, sondern alle Gemeinden der Heiden
sind ihnen dankbar" (Römerbrief 16, 4) zeigt eine erste Ausdehnung des Begriffs auf Menschen,
insofern es sich um eine schwerwiegende Angelegenheit handelt.
Die Überzeugung, dass nur Gott Dank gebührt, spiegelt den Glauben wider, dass alles, was
Menschen betrifft oder auf sie zukommt, seinen Ursprung in Gott hat. Nichts geschieht ohne sein
Zutun, weil die Menschen ihm am Herzen liegen. Gott ist derjenige, der für jeden alles
fügt.
Etwas von dieser biblischen Sicht des Dankes hat sich in unserem "Gott sei Dank" erhalten.
Gewollt oder ungewollt wird, wenn etwas trotz Bedenken gut ausgegangen ist, auch heute noch Gott
die Ehre gegeben. Gott sei Dank – ein kurzes Gebet in unserer säkularen Welt?