Es gibt Menschen, die sich auch nach langer Zeit mit großer Detailtreue an Erlebnisse erinnern
und sie lebhaft schildern können. Solche Menschen sind wichtig, um prägende Erinnerungen einer
Familie im Gedächtnis zu behalten. Man hört gerne zu, wenn sie Erlebnisse aus Kindertagen aufleben
lassen oder lebendig von einem verstorbenen Familienmitglied erzählen.
So bleibt Erlebtes im Gedächtnis, und genau das ist von der Wortherkunft her die Bedeutung
von Danken: denken an, im Gedächtnis halten.
Wenn wir in alltäglichen Situationen anderen Menschen danken, dann zeigen wir damit: Ich habe
wahrgenommen, dass der andere Gutes zum Gelingen einer Situation beigetragen hat. Danken ist also
eine Form der Achtsamkeit und der Aufmerksamkeit füreinander. Der Dank tut dem Empfänger gut. Die
moderne Psychologie konnte nachweisen, dass soziale Anerkennung wesentlich nachhaltiger Freude und
Befriedigung vermittelt als materieller Zugewinn.
Danken hat nicht nur Auswirkung auf den, der den Dank empfängt, sondern auch auf die
Beziehung zwischen Geber und Empfänger, kann sie vertiefen oder – wenn ein naheliegender Dank
ausbleibt – stören.
Entscheidend ist: Danken verändert auch den, der den Dank ausspricht oder in Gedanken der
Dankbarkeit Raum gibt. Eine schöne Begegnung, ein gutes Gespräch, ein gelungener Ausflug, ein Hilfe
in schwieriger Situation und vieles mehr wäre schnell vergessen, wenn wir nicht eine Form fänden,
es nachklingen zu lassen. Das Danken kann eine solche Form sein, und manchmal braucht es Zeit, bis
uns das Erlebte in seinem Wert aufgeht und uns damit wirklich bereichert.
Die Religion bzw. der gelebte Glaube hat dabei eine wichtige Funktion, da Formen des Dankens
und Nachklingens hier gepflegt werden, zum Beispiel im persönlichen (Dank-)Gebet am Ende des Tages.
Dieses Gebet verändert den, der es betet.
Nicht nur im persönlichen Gebet, auch im gemeinsamen Gottesdienst hat der Rückblick, hat das
Innehalten und der Dank einen guten Ort.
Eucharistie, wie wir die Messfeier auch nennen, bedeutet übersetzt nichts anderes als
Danksagung. Die Eucharistiefeier ist also nicht zuletzt ein Ritual, um innezuhalten und Dank zu
sagen für Gutes, das wir in der vergangenen Woche erfahren haben. Zugleich wird in der Messe
gedankt im Sinne von Erinnern. In den biblischen Texten und im Abendmahlsbericht wird an das
erinnert, was für uns als Christen Grundlage unseres Glaubens ist.
Auf diese Weise kann uns im Danken etwas bewusst werden – und zwar, dass wir unser
Leben nicht uns selbst verdanken, dass wir vieles letztlich nicht "machen" können. Das Danken lässt
"tiefer" blicken. Es stellt Beziehung her zu dem, dem wir uns im Gebet anvertrauen.
Wer in der Bibel liest, begegnet auf Schritt und Tritt dem Bewusstsein, dass wir die
Schöpfung und unser Leben Gott verdanken. Jesus greift dieses Bewusstsein in seinen Gleichnissen
vom Säen und vom Wachsen der Saat immer wieder auf. Das Alte Testament geht so weit zu sagen, dass
Gott der eigentliche Eigentümer des Landes ist. Eine Aussage, die zur damaligen Zeit ganz konkrete
Auswirkungen auf das Eigentumsrecht hatte.
Heute kann diese Sichtweise den Leser der Bibel aus Routinen und Selbstverständlichkeiten
herausholen und mit der Frage konfrontieren: Ist die Nahrung, die wir essen, die Luft, die wir
atmen, der Boden, auf dem wir gehen, die Menschen, mit denen wir sprechen – ist das alles so
selbstverständlich, wie es uns mit der Zeit wird?
Ist unser Leben nicht reicher und ist es nicht der Realität viel näher, wenn wir all das
nicht so selbstverständlich nehmen?
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Benedikt Kremp