Die Beratungsstelle bietet seit drei Jahren unbe- gleiteten minderjährigen Flüchtlingen Beratung
und Therapie an. Erwachsene und Familien mit Fluchterfahrung können in der Internationalen
Familienberatungsstelle oder dem Therapiezen- trum für Folteropfer des Caritasverbandes Köln
Beratung und therapeutische Unterstützung erhalten.
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Josef Zimmermann
(52, Diplompsychologe)
leitet die Katholische
Beratungsstelle für
Eltern Kinder und Jugendliche
Was lässt die Menschen "fremdeln"? Zimmermann: Alles, was auch uns "fremdeln" lässt: das andere Klima, die fremde Sprache,
unvertraute Gerüche und Geräusche, der häufige Wechsel des Aufenthaltsortes (Flüchtlingslager,
Erstaufnahmeheim, Flüchtlingsunterkunft).
Schwierig ist auch, mit vielen anderen Fremden aus verschiedensten Nationen oder Kulturen auf
sehr engem Raum zu leben. Sehr problematisch sind die Asylregelungen mit den langen
Wegen zur Anerkennung oder auch Nicht- anerkennung. Das lässt die Menschen in einer
Dauerfremdheit erstarren, weil sie nicht teilhaben dürfen zum Beispiel an Deutschkurs, Schule,
Arbeit, Wohnung.
Gibt es eine positive Seite? Zimmermann: Natürlich, denn die Menschen bringen ihre Geschichte, ihre Kultur, ihre
Religion, ihre Rituale, ihre starken Seiten ja auch mit. Ein Teil unserer Arbeit in der
Beratungsstelle besteht darin, das wieder wachzurufen bzw. wachzuhalten. Wir unterstützen die
Menschen darin, sich für ihre Herkunft und für die vielleicht erlebten Mängel nicht zu schämen. Wir
stärken sie, dazu zu stehen, dass sie unsere Sprache noch nicht oder zunächst nur mangelhaft
sprechen können, dass sie viele Erfahrungen nicht gemacht zu haben, die für Menschen hier
selbstverständlich sind.
Da ist zum Beispiel ein junger Mensch – aus Afghanistan geflohen – der hier in
Deutschland mit 17 Jahren zum ersten Mal im Kino war, der zum ersten Mal Computerspiele
kennengelernt hat. Er fühlt sich minderwertig, weil er auf dem Schulhof überhaupt nicht mitreden
kann.
Was hilft bei der Überwindung? Zimmermann: Ganz besonders helfen Menschen, die Vertrauen geben, die einen ansprechen, die
einen im normalen Leben mitnehmen, einen nicht wie einen fremden oder "armen" Menschen behandeln.
Wichtig ist Sicherheit über die Zukunft: Wohnung, Arbeit, Schule, kurz: Teilhabe! Dazu gehört
natürlich, dass der Aufenthaltsstatus möglichst schnell geklärt ist.
Wichtig ist auch der positive Blick auf die Erfahrungen, die viele jugendliche Flüchtlinge
den Gleichaltrigen hier voraus haben:
Sie wissen, dass sie auch harte Arbeit schaffen können, haben früh gelernt, sich
durchzubeißen. Sie können Schule und Bildung wertschätzen. Allerdings braucht es oft Unterstützung
durch Beratung, um diesen positiven Blick zu gewinnen.
Was sind ihre persönlichen Strategien im Umgang mit Fremdheit? Zimmermann: Als Berater versuchen wir zum einen, die Menschen direkt zu stärken, indem wir
sie in ihrer „Fremdheit“ anerkennen, bzw. kein großes Aufhebens darum machen. Wir
vermitteln ihnen, dass sie als Fremde per se einen Wert haben. In der Vernetzung mit Ehrenmamtlern
oder auch sozialen Diensten versuchen wir, Flüchtlingen Teilhabe auf Augenhöhe zu verschaffen, im
gemeinsamen Tun (Arbeit), im gemeinsamen Leben (Wohnung).