Regina Kochs: Als Künstlerin ist die Arbeit für mich vor allem Leidenschaft. Außerdem
lerne ich durch meine „Kunst-am-Bau“-Aufträge in öffentlichen Einrichtungen wie Feuerwehr, Polizei
oder Justizvollzugsanstalt neue Lebensbereiche kennen. Meine Kunst soll zu den Menschen dort eine
Verbindung haben, soll ihnen nützlich sein. Freude und auch Humor soll von meinen Arbeiten
ausgehen.
Michaela Lantos: Auch für mich ist die Arbeit Leidenschaft. Die Kieferorthopädie war schon
immer mein Traumberuf. Mein Vater war bereits Kieferorthopäde. Schon als Kind habe ich ihm
neugierig über die Schulter geschaut, wenn er sich auf seine Vorträge mit Dias vorbereitet und
seine Texte vorgetragen hat. Schwierige Fälle habe ich am liebsten. Die spornen meinen Ehrgeiz an.
Es ist, als müsste ich eine Knobelaufgabe lösen.
Ewald Manderfeld: Ich bin da etwas nüchterner. Ich sehe meine Arbeit eher als Brotberuf.
Ich kann meiner Familie und mir einen gewissen Lebensstandard leisten. Insofern sehe ich meinen
Beruf als Mittel zum Zweck. Mit den Steuern, die ich zahle, trage ich zum Gemeinwohl bei. Durch
mein Engagement im Marketing unserer Chemiefirma helfe ich, dass andere Arbeitsplätze gesichert und
geschaffen werden. Und schließlich komme ich auf meinen Dienstreisen durch Europa, die USA und den
Mittleren Osten mit anderen Gesellschaften und Kulturen in Kontakt, was mich sehr interessiert.
Letzteres klingt nach einem idealistischen Deckmäntelchen fürs harte Geschäft.
Ewald Manderfeld: Die Basis ist natürlich das Leistungspaket. Unser Produkt muss Qualität
zu einem angemessenen Preis bieten, der auf dem Markt bestehen kann.
Regina Kochs: Auch Künstler stehen untereinander auf dem Kunstmarkt in Konkurrenz, das
sollte man nicht vergessen.
Und wo bleiben Glaube, Religion und christlicher Mehrwehrt – Sie gehen doch alle in die
Kirche?
Ewald Manderfeld: Nach einem Geschäftstag beginnen bei mir oft die privaten Gespräche mit
den Kunden über Weltlage und Religion, wovon auf jedem Manager-Seminar übrigens abgeraten wird. In
islamischen Ländern kann man aber wunderbar über diese Dinge sprechen. Da ist der normale Moslem
genauso wie der normale Katholik. Mit muslimischen Geschäftspartnern komme ich in dieser Hinsicht
oft besser zurecht als mit Kunden aus Deutschland oder Europa, die oft keine religiöse Bindung mehr
kennen.
Michaela Lantos: Ich rede mit meinen Patienten, Mitarbeitern, Freunden und Bekannten ganz
offen über Kirche und Religion, wenn das Gespräch darauf kommt. Ich erzähle dann, dass ich in die
Kirche gehe und warum. Auch hier habe ich von meinen Eltern gelernt, nämlich dass man seinen
Glauben nicht verstecken muss. Mein Vater hat es sogar als seine Aufgabe als Christ angesehen,
darüber zu sprechen.
Regina Kochs: Ich versuche den Menschen, für die ich arbeite, mit Respekt und
Wertschätzung zu begegnen nach dem Motto "Liebe deinen Nächsten, denn er ist wie du". Mein
christliches Denken spielt hier eine wichtige Rolle. Und um noch einmal auf meine Arbeit
zurückzukommen: Ein Grundvertrauen in Gott zeigt sich vielleicht in der Farbigkeit meiner Bilder.
Und in meinen Aquarellen scheinen oft tiefere Farbschichten früher Malprozesse durch. Vergangenheit
und Transzendenz wirken in die Gegenwart hinein – so könnte man es vielleicht deuten.
Einen spirituellen Ton kann man sich als Manager wohl kaum leisten, oder?
Ewald Manderfeld: Weniger. Unsere Firmenphilosophie lautet: Rau aber herzlich. In meinen
Mitarbeitern versuche ich immer, nicht nur den Angestellten zu sehen, sondern auch den Menschen.
Ich versuche, ihn in seinen Eigenarten zu belassen. Wenn einer schwierig ist, dann ist er eben
so.
Michaela Lantos: Das versuche ich auch. Manche kritisieren mich dafür und sagen, ich hätte
nicht die Manschetten durchzugreifen. Aber ich merke zugleich, dass, wenn ich geduldig mit anderen
bin, irgendwann auch etwas zurückkommt.
Das klingt ja nach Wellness-Oasen am Arbeitsplatz.
Ewald Manderfeld: Natürlich muss der Laden laufen. Wir bewegen uns im Leistungssport.
Breitensport findet woanders statt. Aber der Glaube ist für mich eine Art Versicherung, eine
Versicherung, nicht zum Wolf zu werden.
Beten Sie bei der Arbeit?
Regina Kochs: Manchmal denke ich: Ich bin so dankbar, du Gott; es ist so ein Geschenk,
dass ich malen kann und darf, ein göttliches Geschenk, vor allem wenn die Auftragslage gut ist. Und
wenn es einmal schlecht lief, habe ich gehofft und gebetet, dass es wieder besser wird und dass ich
das Vertrauen in den Entwurfs- und Malprozess behalte.
Michaela Lantos: Spontan beten, das mache ich auch und vor allem. Es sind solche
Stoßgebete während der Arbeit wie: Gott sei Dank, dass die Behandlung gut verlaufen ist! Oder in
privaten Dingen: Lieber Gott, bitte hilf mir! Oder ich denke: Er wird es schon richten, auch wenn
ich selbst überhaupt nicht weiß wie! Ich erlebe mein Beten oft wie ein Zwiegespräch, obwohl es nur
in den Gedanken stattfindet.
Ewald Manderfeld: Ich mache allerdings die Erfahrung, dass die Welten von Glaube und
Arbeit eigentlich parallel laufen und sich nur manchmal berühren.
Regina Kochs: Ich bin mir nicht sicher, ob diese Welten wirklich so getrennt sind. Der
Glaube, der sich im Gottesdienst ausdrückt, ist für mich die Basis im Alltag.
Michaela Lantos: Das sehe ich auch so. Der Glaube hat mich geprägt. Natürlich nicht in dem
Sinn, dass er ein Selbstläufer wäre und ich immer das Richtige tue. Darum sollte ich wohl eher
sagen, der Glaube hat in mir seine Spuren hinterlassen, die sich auch im Alltag und in der Arbeit
auswirken.
Ewald Manderfeld: Man kann es natürlich politisch drehen und sagen, dass der europäische
Sozialstaat seine Wurzeln auch im Christlichen hat. Insofern überschneiden sich Arbeitswelt und
Glaube. Aber besteht die Gefahr nicht darin, dass diese Wurzeln in Vergessenheit geraten?
Regina Kochs: Mir fällt jedenfalls auf, dass die Kirche heute in positiver Hinsicht nur
dann ins Spiel kommt, wenn etwas Schreckliches passiert, wie beim Absturz der Germanwings-Maschine
in den Alpen, wo Gedenkgottesdienste gefeiert wurden. Wenn etwas glückt, ist es unsere vermeintlich
eigene Leistung, und der liebe Gott bleibt außen vor.
Nochmal zurück ins Private: Wie halten Sie es überhaupt mit dem Beten, auch jenseits des
Berufsalltags, in der Familie etwa?
Michaela Lantos: Ich bete mit meinen Kindern, wenn ich sie abends ins Bett gebracht habe.
Und ich hatte das Glück, dass ich auch nach harten Schicksalsschlägen weiter beten konnte. Als mein
Mann vor sieben Jahren ums Leben gekommen ist, hat das zu keinem Bruch mit Gott geführt, wofür ich
sehr dankbar bin.
Ewald Manderfeld: Lange Zeit habe ich überhaupt nicht mehr gebetet. Erst mit der Geburt
unserer Tochter bin ich wieder in die Kirche gegangen. Seit einigen Jahren bete ich wieder - wenn
es gut läuft und wenn es schlecht läuft.
Regina Kochs: Wir beten oft mit unseren Kindern vor dem Essen oder abends vor dem
Schlafen. Ich bete, wenn ich ungeduldig und nervös werde um Gelassenheit. Wenn ich zu unserem
Schöpfer bete, spüre ich, dass ich nicht alles im Griff haben muss, was auch für die Arbeit recht
hilfreich sein kann.