Herr Kremp, in der Kirche wurden Sie im Gottesdienst vorgestellt und in Ihr neues Amt in
unserer Gemeinde eingeführt. Sagen Sie uns etwas zu Ihrer Person.
Ich bin 42 Jahre alt, bin verheiratet, habe zwei Kinder, und wir wohnen seit Ende Juni hier im
Severinsviertel. Aufgewachsen bin ich in Monheim am Rhein. In den letzten neun Berufsjahren war ich
tätig in der Pfarrei St. Gereon (St. Michael / St. Alban), also auch in der Kölner Innenstadt,
davor habe ich fünf Jahre in einer Pfarrei in Bickendorf / Ossendorf gearbeitet.
Sie sind Pastoralreferent, was ist der Unterschied zum Gemeindereferenten?
Der Unterschied liegt in der Ausbildung, weniger in den Aufgaben, die ich in der Pfarrei
übernehme. Als Pastoralreferent habe ich ein Theologiestudium absolviert. Ich habe in Bonn und
Münster Theologie studiert, zunächst allerdings zwei Jahre Physik, bis ich dann gemerkt habe, dass
ich eine andere Entscheidung treffen wollte.
Was hat Sie bewogen, diesen Beruf zu ergreifen?
Da gibt es mehrere Gründe. In meiner Kinder- und Jugendzeit war ich in ein sehr aktives
Gemeindeleben eingebunden, war Messdiener und Gruppenleiter. Die Erfahrung von Freundschaft und
Gemeinschaft vor allem in der Jugendarbeit war mir wichtig. Ich habe sehr überzeugende und –
wie man heute sagt – authentische Menschen erlebt in den seelsorglichen Berufen, auch das hat
mich sicher geprägt. Ich habe früh den Wunsch gespürt, tiefer einzudringen in Fragen des Glaubens,
in das, was da an Kraft und Lebensquelle drinsteckt.
Die Erfahrung in der Jugendarbeit damals ist auch heute für mich noch eine Triebfeder, mich
speziell hier zu engagieren. Es ist erstaunlich und eindrucksvoll, was Jugendliche auf die Beine
stellen, wenn sie Verantwortung übernehmen können und dürfen.
Eine Triebfeder für das Theologiestudium war, tiefer in die biblischen Texte und ihre Aussagen
einzudringen. Allerdings habe ich festgestellt, dass es neben dieser gedanklichen Ebene noch eine
andere braucht, und da habe ich für mich die Meditation entdeckt. Manches kommt mir im Schweigen
viel näher als im "Drüber-Reden". So ist mir die Meditation zum stillen "Begleiter"
geworden.
Wie erleben Sie die aktuelle Veränderung in Ihrem Berufsleben?
Für die ganze Familie ist der Umzug zunächst einmal eine wichtige Veränderung. Es ist der
Abschied aus einem vertrauten Wohnumfeld, in dem wir alle sehr gern gelebt haben. Nun können wir
uns darauf freuen, in einem Viertel zu leben, das ja sehr attraktiv ist. Ich selbst freue mich
darauf, die Menschen hier am Ort kennenzulernen und auf die vielen Möglichkeiten, die diese
Gemeinde bietet. Ich komme in eine sehr lebendige Gemeinde mit hoher Anziehungskraft – sowohl
als Gottesdienstort als auch hinsichtlich der vielfältigen Aktivitäten in der Gemeinde. Das ist für
mich eine Veränderung, denn in meiner bisherigen Tätigkeit lag der Schwerpunkt mehr bei den
Menschen, die keine Sonntagsgemeinde bilden. Hier ist die Gottesdienstgemeinde markant größer, und
die ehrenamtlichen Gruppierungen sind stärker.
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Was liegt Ihnen besonders am Herzen?
Ich habe in meinem Berufsleben bisher erfahren, und ich denke, das gilt auch hier, dass es für
Kinder und Jugendliche immer schwieriger wird, einen vitalen Bezug zum christlichen Glauben zu
entwickeln.
Fast bekommen sie schon das Image des Merkwürdigen, wenn sie sich zu Glauben und Kirche
bekennen. Ich möchte im Kontext von Glauben und Kirche Angebote (weiter)entwickeln, die für Kinder
und Jugendliche so attraktiv sind, dass sie einen Zugang gewinnen. Überzeugende Angebote und
überzeugende Beziehungen, das ist mir wichtig.
Und es ist mir wichtig, auch für andere Altersgruppen und Milieus Zugangswege zur Glaubens- und
Gemeinschaftserfahrung zu schaffen, die unsere gewohnten Wege verlassen. Nicht zuletzt unsere
Kirchenräume sind auch für Menschen attraktiv, die sich nicht in einer Sonntagsmesse
wiederfinden.
Die Severinskirche wird wegen Sanierung geschlossen. Was erhoffen oder befürchten Sie
da?
Ich sehe es als Chance, dass mehr Menschen als noch bisher den Kirchenraum St. Maternus als
wertvollen Gottesdienstraum entdecken, mit seiner Klarheit, Schlichtheit, Weite. Sorge habe ich
allerdings auch, dass wir Menschen verlieren, die sich an dem einen oder anderen Ort beheimatet
fühlen.
Wie ist es mit Veränderung in der Kirche? Haben Sie mehr Sorge oder mehr Hoffnung?
Sorge habe ich aufgrund der enorm unterschiedlichen Strömungen in der Kirche, da treibt mich die
Frage um, wie sich das zu einem guten Miteinander fügen kann.
Ich sehe uns aktuell an einem Scheideweg; werden wir in 20 Jahren noch eine Volkskirche mit
prägender Kraft sein oder werden wir ein gesellschaftliches Nischendasein führen?
Hellhörig macht auch die Tatsache, dass die Zahl der Priester in naher Zukunft dramatisch
abnehmen wird. Da werden wir Abschied nehmen müssen von vielem, was gewohnt und vertraut ist. Das
muss nicht schlecht sein, aber dazu ist es nötig, dass man diesem Tatbestand klar ins Auge sieht.
Ich erhoffe mir neue Aufbrüche in der Seelsorge, neue, ungewohnte Wege. Ich habe z.B. gute
Erfahrungen gemacht mit der Kulturinitiative in St. Michael "Art und Amen", und mein Eindruck ist,
dass wir noch ganz am Anfang stehen, das innovative Potential, das wir als Christen- gemeinschaft
haben, zu entfalten.
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