Wenn wir wollen, dass alles bleibt, wie es ist, dann ist es nötig, dass alles sich verändert.
(Tomasi di Lampedusa)
Für die klugen und frommen Griechen der Antike, die über ihren allzu menschlichen Götterhimmel
hinausdachten, war Gott der "unbewegte Beweger", das "Sein des Seienden", ein sehr abstrakter,
ferner und unveränderlicher Gott, ein Gott der Philosophen. Ganz anders glaubte und dachte Israel
an einen nahen Gott, der mit seinem Volk auf dem Weg ist.
Er erscheint dem Mose im Dornbusch, er spricht aus den Wolken. Als Feuer- und als Wolkensäule
zeigt er seinem Volk den Weg durch die Wüste in die Freiheit. Gott zürnt und grollt und straft und
liebt, er schließt mit seinem Volk einen Bund. Er lässt seine Propheten sagen, er möge keine toten
Tiere und keine Opfer. Er wolle Gerechtigkeit für die Armen und Schutz für die Witwen und
Asylbewerber. Ein Gott, der sich ins Getümmel dieser Welt einmischt, der mitgeht und sehr
situationsbedingt handelt. Daran haben die Bischöfe des Zweiten Vatikanischen Konzils sicher
gedacht, als sie die Kirche als das wandernde Gottesvolk bezeichneten. Wer wandert, der verändert
sich.
Dennoch steckt das Gottesbild der Griechen noch in allzu vielen Köpfen und Herzen. "Die Kirche
muss sich selber treu bleiben. Sie ist unveränderlich." "Die kirchlichen Traditionen sind wichtiger
als alles andere. Sie müssen gepflegt werden." Doch nützt es dem Anliegen Jesu, das Gottesreich der
Liebe und Gerechtigkeit zu verkünden, wenn wir Gottesdienste in einer toten Sprache feiern, die
kaum jemand versteht und niemand spricht? Dürfen wir noch um dicke Ernten beten, wenn die
Überflüsse unserer Agrarindustrie die Landwirtschaft in Afrika durch unsere Exporte kaputtmachen?
Kann die Kirche es sich leisten, in einer Welt, in der Männer und Frauen gleichberechtigt sind
(noch nicht so ganz – aber das kommt todsicher) an alten Abwertungen festzuhalten? Erwürgt
die Kirche sich nicht selbst, wenn sie auf der einen Seite die Bedeutung der Eucharistie zu Recht
hochhält, gleichzeitig aber nicht genügend Menschen beauftragt, in den Gemeinden die Eucharistie zu
feiern?
In der alten Kirche hat man ein Amt geschaffen und jemanden damit betraut, wenn es notwendig
war. Heute starrt man auf die eigene Tradition, bewegt sich nicht und riskiert damit, vom
Festhalten an den Prinzipien erwürgt zu werden.
Wir lebten mal in einer Obrigkeitsgesellschaft. Da saß der Herrscher auf dem Thron, und das Volk
verharrte demütig in der Tiefe. Das stellten die alten Kirchen auch in der Architektur dar, Stufen,
Stufen und Stufen, und hoch oben der Priester, der vor dem Herrscher für das Volk eintrat. In der
Architektur und in der Liturgie hat sich das zum Glück geändert, in der Mentalität noch lange
nicht.
Die Priester, die Bischöfe und den Papst nicht als "Herren" und "Herrscher" zu sehen und zu
behandeln, sondern als Geschwister, die mit uns auf dem Weg sind, das ist angesagt. Ein Glück, dass
wir Papst Franziskus haben, der das in seinem Verhalten deutlich macht.
Nachdem Gott mit seinem Volk auf dem Weg ist und Jesus, unser Bruder, auf dieser Erde lebte,
brauchen wir keinen Thron mehr. Er steckt noch in vielen Kirchenliedern drin, aber ob das im Sinne
Jesu ist …?
Was und wem nützt es, im Gottesdienst offizielle Gebete zu hören - Übersetzungen alter,
abstrakter lateinischer Gebete, die die Herzen nicht berühren und oft etwas unverständlich
sind?
Auch Dogmen und Glaubenssätze sind nicht vom Himmel gefallen, sie haben nicht schon immer
existiert.
Bei unterschiedlichen Meinungen wurde gestritten und diskutiert – das Dogma war der
Endpunkt, eine Einigung, manchmal ein Kompromiss. Und das geschah jeweils in einer bestimmten Zeit,
ausgesprochen für diese Zeit. Tausend Jahre später ist vieles von dem, was man früher formulierte,
unverständlich, vielleicht sogar überflüssig.
Viele Glaubensaussagen müssten neu formuliert werden, von einigen sollte man Abschied nehmen.
Die alten Glaubensbekenntnisse sind durchaus renovierbar oder wären durch zeitgenössische Texte zu
ersetzen, die dann ihrerseits auch keinen Ewigkeitscharakter haben müssen.
Die Kirche muss sich bewegen und verändern, sonst wird sie zu einem großen, ja überdimensionalen
Freilichtmuseum.
Dann sagen die Leute: "Ist ja ganz nett, kann man brauchen für Feiern zu besonderen Anlässen im
Leben. Aber ansonsten bitte nicht unser Leben stören." Als einziges Kriterium für die Kirche darf
gelten: Werden wir dem Anliegen Jesu gerecht, und wird es durch uns in diese Welt hinein
verkündet?